Forschung gegen den Tod auf der Warteliste

Beim Hannover Organ Transplant Summit am 21./22.11.24 diskutieren internationale Expert:innen der Transplantationsmedizin, wie Spenderorgane verbessert werden können und welche Alternativen in Zukunft zur Verfügung stehen könnten.

Copyright: MHH /Hannover Marketing und Tourismus GmbH
Copyright: MHH /Hannover Marketing und Tourismus GmbH

Spenderorgane sind knapp, vor allem in Deutschland. Der Bedarf kann bei weitem nicht gedeckt werden; Patient:innen sterben während der Wartezeit auf ein Organ. Forschenden arbeiten deshalb intensiv daran, die verfügbaren Organe besser zu nutzen und ihre Qualität, z.B. durch Organperfusion, zu verbessern. Durch intensive Forschung werden zudem Alternativen wie die Transplantation tierischer Organe (Xenotransplantation) oder gezüchteter Organe (Organoiden) weiterentwickelt und auf eine Erprobung in klinischen Studien vorbereitet.

Dies sind Themen des internationalen Hannover Organ Transplant Summit, der am 21./22.11.24 im Hannover Medical Park stattfindet. Veranstalter ist das Transplantationszentrum der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH). Der Kongress ist zugleich Abschluss einer Förderung durch das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur (MWK), die insbesondere dem wissenschaftlichen Nachwuchs in der Transplantationsmedizin zu Gute kam. Die Forschungsprojekte werden bei dem Transplant Summit als Poster präsentiert.

„Angesichts des akuten Organmangels brauchen wir dringend neue Ansätze“, sagt Falko Mohrs, Niedersächsischer Minister für Wissenschaft und Kultur. „Dafür ist es erforderlich, dass Ergebnisse aus der Grundlagenforschung durch Translation in die klinische Umsetzung gelangen.“ Internationale Kongresse wie der Transplant Summit in Hannover seien wichtige Plattformen des internationalen Austauschs.

„Es ist uns gelungen, Expert:innen für die brennenden Fragen der Transplantationsmedizin aus den führenden Forschungsinstitutionen Europas und den USA nach Hannover zu holen“, sagt Prof. Dr. Moritz Schmelzle, Direktor der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationsmedizin an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) und Leiter des MHH-Transplantationszentrums.

In den fünf Sessions des Transplant Summits werden u.a. diese wegweisenden Themen diskutiert:

Qualität der Spenderorgane verbessern, Lebendspende und Adhärenz der Patienten stärken

Nicht alle Organe, die gespendet werden, können derzeit transplantiert werden. Wegen ihrer schlechten Qualität und des großen Zeitdrucks wird ein Teil der entnommenen Spenderorgane nicht für eine Transplantation verwendet. Referierede aus Warschau, Rotterdam und Hannover präsentieren ihre Erfahrungen mit neuen Techniken der Organperfusion. Leber, Herz, Lungen und Niere werden nach der Entnahme kontinuierlich durchspült, konserviert und behandelt. So können „marginale“ Organe mit fraglicher Qualität gerettet und transplantiert werden; die Transplantation kann aufgrund längerer Konservierungszeiten später erfolgen, besser geplant und sicherer durchgeführt werden.

Eine Alternative zur Organspende nach dem Tod ist die Lebendspende von Niere und Leberteilstücken. Empfangende von Nierenlebendspenden profitieren von besseren Langzeitprognosen, höherer Lebensqualität und einer schnelleren Transplantation. Dank moderner Verfahren sind die Risiken für den Spendenden sehr gering; dazu kommt die psychologische Erfüllung durch eine altruistische Tat. Eine individuelle Abstimmung und optimale Betreuung können die Ergebnisse weiter verbessern. Lebendspenden sollen demnächst in Deutschland gesetzlich erleichtert und gefördert werden. Dies könnte dazu beitragen, den Organmangel zu lindern. Die medizinisch- wissenschaftlichen Aspekte der Lebendspende werden beim Hannover Transplant Summit diskutiert.

Ein Teil der transplantierten Organe geht verloren, weil die notwendigen Medikamente zur Verhinderung einer Organabstoßung nicht eingenommen werden. Thema auf dem TX-Summit sind deshalb auch psychosoziale Aspekte von Transplantierten, deren Mitwirkung (Adhärenz) an der Therapie entscheidend für den Transplantationserfolg ist.

Transplantationsonkologie – Transplantation bei Krebs?

Können Spenderorgane von krebskranken Verstorbenen verwendet werden? Ist eine Organtransplantation bei an Krebs erkrankten Personen möglich? Thema beim Transplant Summit sind u.a. innovative Behandlungsstrategien, die das geschwächte Immunsystem nach einer Transplantation stärken und einer Krebserkrankung entgegenwirken. So können nicht nur die Lebensqualität und das Überleben der Betroffenen verbessert werden, sondern auch bisher nicht für die Transplantation verwendete Organe genutzt werden.

Vorgestellt wird u. a. eine schnell herzustellende, klinisch wirksame und gut verträgliche personalisierte Immuntherapie, die die Immunabwehr von immungeschwächten Transplantierten gegen ein bestimmtes Herpesvirus (EBV) stärken kann. Das Virus wird mit der Entstehung von Blutkrebs in Verbindung gebracht.

Keynote Lecture: „Ein Organ für das ganze Leben, wann immer benötigt. Wie nah sind wir dem Ziel?“

Ein Höhepunkt des Transplant Summits ist die Keynote Lecture von Professor Dr. Andreas Tullius, Harvard University, USA. Er erforscht, wie man ältere Spenderorgane „verjüngen“ kann, damit sie länger funktionieren, und wie sich Unterschiede im Stoffwechsel, Alter oder Geschlecht auf die Organfunktion auswirken. Seine Vision: Menschen werden mit einem auf ihre individuellen Bedürfnisse zugeschnittenen Organ versorgt, das ein Leben lang funktioniert. Wie nahe sind wir diesem Ziel?

Transplantierte Organe erhalten – mit Hilfe individueller, immunologischer Strategien

Nach einer Abstoßung wird ein neues Organ gebraucht. Der wachsende Bedarf an Retransplantationen verschärft den Organmangel zusätzlich. Auch deshalb ist es wichtig, die Ursachen für die Akzeptanz und Abstoßung transplantierter Organen besser zu verstehen. Mit fortschrittlichen Ansätzen soll die Therapie zur Erhaltung eines Organs gezielt an die individuellen Bedürfnisse der Betroffenen angepasst werden – möglichst ohne den Einsatz von Immunsuppressiva.

So liefern Biomarker-Muster, z. B. von Zytokinen im Blut von Kindern nach Lebertransplantation, Hinweise darauf, ob das Organ vom Körper angenommen wird. Regelmäßige Biopsien ermöglichen eine präzisere Anpassung der Immunsuppression an die individuellen Bedürfnisse. Neuartige Therapien wie die CAR-T-Zellen, speziell entwickelte regulierenden Immunzellen, können das Immunsystem des Transplantierten gezielt unterdrücken und so Abstoßungsreaktionen verhindern und das Organ schützen.

Gezüchtete Organe und Transplantat Remodeling – was kommt als Nächstes?

Künstliche Gewebe und Organe aus dem Labor statt Spenderorganen – ist das realistisch? Forschende aus den USA, Kanada und Hannover diskutieren über die Fortschritte auf dem Gebiet der regenerativen Medizin. Erste Erfolge sind zum Beispiel bei Spenderlungen zu verzeichnen, deren Oberflächenmoleküle genetisch modifiziert wurden, so dass sie vom Körper nicht als fremd erkannt und abgestoßen werden. Mit Hilfe verschiedener Moleküle greifen Wissenschaftler:innen in die Regulationsmechanismen der Immunabwehr ein. Dazu gehören u.a. nicht-kodierende RNAs, die wichtige Steuerungsfunktionen im Körper haben, und Botenstoffe wie das Rezeptorprotein KIT, das zur Heilung von Herzgewebe beiträgt.

Xenotransplantation – sind wir bereit für die Translation in Patient:innen?

Die Verpflanzung tierischer Organe (Xenotransplantation) ist ein altes Konzept; doch erst in den vergangenen zehn Jahren konnten mit Hilfe der Gentechnik größere Hürden genommen werden, u.a. bei der Verhinderung der Übertragung tierischer Viren auf den Menschen. Am weitesten fortgeschritten ist die Xenotransplantation von Schweineorganen, insbesondere von Herzen. Jüngste klinische Versuche in den USA bei schwer herzkranken Patient:innen markieren einen Meilenstein. Sie überlebten mehrere Wochen, starben an einer vom Schwein übertragenen Virusinfektion (pCMV) sowie an Komplikationen im Zusammenhang mit einer Abstoßung.

Notwendig sind nun weitere genetische Anpassungen der Spenderorgane und verbesserte Strategien für die Immunsuppression. Expert:innen aus München, Hannover und den USA geben beim Transplant Summit Einblicke in die aktuellen Fortschritte und Herausforderungen sowie die ethischen Fragen, die mit der Xenotransplantation verbunden sind. Unklar ist bislang, ob und wann die Xenotransplantation in Europa klinisch erprobt werden kann.

Tierische Organe könnten auch als temporärer Ersatz verwendet werden. Ein Team aus Hannover stellt beim Transplant Summit ein Verfahren vor, bei dem tierische Lebern mit Hilfe der Organperfusion die erloschene Leberfunktion vorübergehend übernehmen. So kann ein akutes Organversagen überbrückt werden, bis ein geeignetes menschliches Spenderorgan zur Verfügung steht.

Der Hannover Transplant Summit 2024 ist eine einzigartige Plattform, die Forschung und Praxis zusammenbringt und der Transplantationsmedizin neue Impulse verleiht.

Weitere Informationen: Hannover Transplant Summit 2024