Wenn aus einem Organ plötzlich zwei Organe werden
Andrea, 28 Jahre alt, seit 2007 im Alter von 14 Jahren leber- und nierentransplantiert
Hallo, mein Name ist Andrea und ich bin 28 Jahre alt. Ich wurde im Oktober 1992 in Hamburg geboren. Schon vor meiner Geburt wussten meine Eltern, dass ich mit einer Nierenerkrankung auf die Welt kommen würde. Ich habe eine polyzystische Nierenerkrankung und die Ärzte sagten damals zu meinen Eltern, dass meine Nieren nicht lange „mitmachen“ würden und ich schon als Kleinkind von der Dialyse abhängig sein werde. Dem war aber nicht so. Meine Nieren hielten bis 2006. Damals war ich 13 Jahre alt. Auch wenn die Nieren vorerst alleine funktionierten, gab es für mich im Kindesalter Einschränkungen. Ich musste von Geburt an Medikamente nehmen und ich war nicht so fit und gesund wie die anderen Kinder in meinem Alter.
Meine Mutter wollte mir eigentlich eine Niere spenden
Als meine Nierenwerte 2006 dann schlechter wurden, kam eine Nierentransplantation zur Sprache. Meine Eltern und auch meine Tanten waren damals bereit zu spenden, aber es kam nur meine Mutter als Spenderin infrage. Im Sommer 2006 sollte die Transplantation dann stattfinden. Meine Mutter war schon im OP und ich sollte vorbereitet werden. Kurz vor der OP wird immer noch ein Antikörpertest gemacht (ein letzter Test direkt vor Tx). Dort kam heraus, dass meine Mutter doch nicht als Spenderin kompatibel war. Wir wurden wieder nach Hause geschickt und es sollte ein Medikament gegeben werden, welches die Antikörper vernichtet. Doch soweit kam es nicht: Ungefähr eine Woche nach Entlassung hab ich Blut gespuckt. Wir sind dann sofort ins Krankenhaus gefahren. Nach einigen Untersuchungen stand dann fest, dass die Leber auch von meiner Grunderkrankung betroffen ist. Sie hatte sich so verfestigt, dass kein Blut mehr hindurch kam und sich deshalb Krampfadern in der Speiseröhre gebildet hatten. Schnell war klar, dass ich auch eine neue Leber benötigte. So kam ich 2006 auf die Transplantationsliste für eine Leber und eine Niere. Ich kam an die Bauchfelldialyse und musste regelmäßig ins Krankenhaus, um die Krampfadern untersuchen zu lassen. Ich hab aufgrund der Krampfadern viele Einschränkungen hinnehmen müssen. Ich durfte keine „harten“ bzw. „spitzen“ Lebensmittel wie zum Beispiel Brötchen essen. Außerdem durfte ich keine Lebensmittel mit Säure wie zum Beispiel Tomaten und Erdbeeren. Ich durfte nicht rennen, springen und musste immer aufpassen. Das Schlimmste für mich war, dass ich in der Zeit nicht reiten durfte. Reiten war doch mein Hobby. Die Gefahr, dass die Krampfadern aufgehen, war einfach zu hoch.
Dann kam der erlösende Anruf
Etwas über ein Jahr hab ich auf die beiden Organe gewartet. Ende September 2007, zwei Tage vor meinem 15. Geburtstag, kam dann der Anruf. Ich weiß noch genau, es war an einem Samstagabend und wir hatten Besuch zum Essen da und meine Mutter hatte gerade gekocht, als das Telefon klingelte. Das erste, was sie damals am Telefon sagte, war: „Wir können nicht los, wir haben das Haus voller Besuch!“ Dies war natürlich die Aufregung und ich wurde mit dem Rettungswagen abgeholt. Der Besuch hat kurzerhand das Essen zu Ende gekocht und in Ruhe gegessen, während wir uns auf dem Weg ins Krankenhaus gemacht haben. Im Krankenhaus wurden dann noch einige Tests gemacht und dann ging es los.
An meinem Geburtstag bin ich auf der Intensivstation aufgewacht
Am Tag meines 15. Geburtstages bin ich auf der Intensivstation aufgewacht. Insgesamt war ich 7 Wochen im Krankenhaus, durchzogen von Tiefen aber auch vielen Höhen. Ein großes Dankeschön geht an dieser Stelle an das damalige Team der Station 64b. Ihr wart alle großartig und habt immer versucht, uns kranken Kindern und Jugendlichen trotz allem eine schöne Zeit zu schenken. Nach der Transplantation hat sich mein Leben total verändert. Ich musste nicht mehr an die Dialyse, konnte wieder alles essen und durfte vor allem endlich wieder aufs Pferd. Jedes Jahr am Jahrestag der Transplantation zünden wir eine Kerze an und denken ganz besonders an den Spender und an dessen Familie.
Ich bin im September diesen Jahres 14 Jahre transplantiert und ich führe ein fast normales Leben. Ich muss weiterhin Tabletten nehmen, muss regelmäßig zum Arzt und es gibt immer mal Zeiten, wo es einem nicht so gut geht, aber dies ist überhaupt kein Vergleich zu früher. Ich genieße mein Leben in vollen Zügen. Ich habe seit zehn Jahren ein eigenes Pferd und habe im Sommer 2020 meine Ausbildung als Medizinische Fachangestellte erfolgreich abgeschlossen und arbeite weiterhin in meiner Ausbildungspraxis in Teilzeit. Aktuell aufgrund von Corona im Homeoffice, aber ich hoffe, dass ich bald wieder in die Praxis kann.
Ich wünsche mir, dass ich mit meiner Geschichte anderen Betroffenen Mut machen kann. Gebt nicht auf! Ihr könnt alles schaffen! Unser Familienmotto war damals wie auch heute: „Alles wird gut.“
Ich bin mir sicher bei Dir/Euch wird auch alles gut werden!!!