Zurück ins Leben
Marius, Marius, seit 2012 im Alter von 12 Jahren lungentransplantiert (Lebendlungenspende)
Mein Name ist Marius, ich bin 20 Jahre alt und leide seit meiner Geburt an der chronischen Stoffwechselerkrankung Mukoviszidose. Meine behandelnde „Heimatklinik“ war das St. Josef-Hospital in Bochum. Dort wurde ich seit Beginn in der Pneumologie behandelt. Die Ärzte prognostizierten mir einen milden Verlauf. Diese Prognose sollte sich jedoch nur etwa bis zu meinem 10. Lebensjahr bewahrheiten. In der Weihnachtszeit 2011 sprach mein damaliger behandelnder Arzt das erste Mal das Thema Lungentransplantation an. Ein großer Schock für meine Eltern und mich. Mit 11 Jahren sollten Kinder eigentlich mit Freunden spielen, ihren Hobbys nachgehen und das Leben genießen. Ich musste mich jedoch mit einer Transplantation auseinandersetzen.
Im Januar 2012 war ich das erste Mal in der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) bei der sogenannten Evaluation. Hierbei wurden zahlreiche Untersuchungen und Aufklärungsgespräche durchgeführt. Es wurde geschaut, wie mein Gesundheitszustand ist, um im Anschluss zu entscheiden, ob ich ein neues Organ brauche oder nicht. Die Frage war relativ schnell zu beantworten, sodass ich kurze Zeit später bei Eurotransplant auf die Warteliste gesetzt wurde. Da sich mein Gesundheitszustand immer weiter verschlechterte, verbrachte ich
die Wartezeit auf der Kinderintensivstation in Bochum.
"Von dort an hielten mich nur noch Maschinen am Leben."
Es war ein Sonntag, als eine Ärztin auf meine Eltern zukam und ihnen mitteilte, dass ich mit einem Hubschrauber auf die Kinderintensivstation Station 67 in die MHH verlegt werden sollte, da sich meine Werte immer weiter verschlechterten. Es war die Zeit um Karneval herum. Während meine Klassenkameraden fröhlich miteinander Karneval feierten, lag ich auf der Kinderintensivstation in Hannover. Obwohl die Umgebung und alles ungewohnt für mich war, fühlte ich mich nicht unwohl. Im Gegenteil. Die Ärztinnen und Ärzte sowie das Pflegepersonal waren total nett und sehr fürsorglich. Durch die tolle Arbeit von allen wurde ich dort soweit wieder aufgepäppelt, dass ich nach 10 Tagen wieder zurück nach Bochum verlegt werden konnte. Dort ging die Warterei auf den so ersehnten Anruf weiter.
Freitag, der 13. April. Ein wegweisender Tag für mich. Da ich seit einiger Zeit dauerhafte Unterstützung bei der Atmung benötigte und es mir immer schlechter ging, wurde ich erneut nach Hannover verlegt. Nach 2 Tagen wurde ich an eine Herz-Lungen-Maschine (ECMO) angeschlossen und ins künstliche Koma versetzt. Von dort an hielten mich nur noch Maschinen am Leben.
"Meine Werte verschlechterten sich von Tag zu Tag und die Zeit lief uns davon."
Bereits in Bochum hatten meine Eltern die behandelnden Ärzte auf das Thema Lebendlungenspende angesprochen. Nachdem mein Arzt zunächst meinte, dass bis dato für jeden seiner Patienten ein Spenderorgan gefunden wurde, spielte der Vorschlag dann doch noch eine wichtige Rolle. So wurden bei meinen Eltern bereits in Bochum erste Blutuntersuchungen durchgeführt. In der MHH folgten dann viele weitere Untersuchungen und meine Eltern wurden auf Herz und Nieren geprüft. Währenddessen lag ich im Koma und bekam nichts davon mit. Zum Glück passten alle Faktoren, wie etwa die Blutgruppe, überein. Bei den Voruntersuchungen stellte man jedoch bei meiner Mutter einen Herzfehler fest. Die Operation stand auf der Kippe. Meine Werte verschlechterten sich von Tag zu Tag und die Zeit lief uns davon.
"Ich trage seither je einen Lungenlappen von meiner Mutter und meinem Vater unter meinem Herzen"
Am Abend des 25.04.2012 gab es jedoch hitzige Diskussionen über die geplante OP. Die Erfolgsaussichten waren zu gering, um das Risiko rechtfertigen zu können. Dennoch entschieden sich die Ärzte für die lebensrettende Operation, in der auch gleichzeitig der Herzfehler bei meiner Mutter behoben werden sollte. So erhielt ich einen Tag später in einer mehrstündigen Operation jeweils einen Lungenlappen meiner Eltern. Seither befindet sich nun ein Lungenlappen meiner Mutter auf der rechten Seite in meinem Brustkorb und einer meines Vaters auf der linken Seite, unter meinem Herz, in mir. Dass ich es überhaupt lebend bis zum Tag der Operation schaffte, habe ich dem großartigen Team der Kinderintensivstation 67 zu verdanken.
"Als ich meine Schwester sah, habe ich das erste Mal in meinem neuen Leben gelächelt"
Nach der Operation verbrachte ich noch eine ganze Weile auf der Kinderintensivstation. Aber ich muss sagen, dass ich mich dort sehr wohl und behütet gefühlt habe. Jedoch hatte ich ein wenig den Lebensmut verloren. Ich konnte mich kaum selbstständig bewegen, da sich meine Muskeln abgebaut hatten. Nichts bereitete mir mehr Freude und ich konnte nicht mehr lachen. Bis zu dem Tag, an dem meine kleine Schwester mich das erste Mal besuchen durfte. Als ich sie sah, habe ich das erste Mal in meinem neuen Leben gelächelt und war am Strahlen. Ein bis heute unvergesslicher Moment für mich.
Mein Vater fuhr in meine Schule, um Videogrüße von meinen Klassenkameraden aufzunehmen, die mir viel Mut zusprachen und sich bereits wieder auf mich freuten. Außerdem erhielt ich unzählige Videobotschaften von Freunden, die mir sehr viel bedeuteten und mir neue Kraft gaben.
"Nach zwei Monaten konnte ich auf die Normalstation verlegt werden"
Die Krankenpfleger und Krankenschwester leisteten tolle Arbeit, um mir den Lebensmut ein wenig zurückzugeben. Sie organisierten einen Grillabend auf dem Balkon der Station. Außerdem war zu der damaligen Zeit Fußball Europameisterschaft und da ich ein großer Fußballfan bin, bekam ich zu den Spielen einen Fernseher an mein Bett gestellt, sodass ich (und auch manch interessierter Arzt) die Spiele verfolgen konnte. Durch viel Physiotherapie und Muskelaufbautraining mit einem Personaltrainer verbesserte sich die Situation, sodass ich nach zwei Monaten auf die Normalstation verlegt werden konnte.
"Aktuell kämpfe ich nicht für mich, sondern für die Patienten auf der Warteliste."
Am 10. Juli 2012 wurde ich endlich entlassen und konnte nach Hause. In der ganzen Zeit in der MHH haben sich echte Freundschaften entwickelt. Bei jeder ambulanten Kontrolle schaue ich auf der Kinderintensivstation vorbei und freue mich, bekannte Gesichter zu treffen. Bis heute stehe ich mit einigen Schwestern und Ärzten noch eng in Kontakt.
Heute geht es mir sehr gut. Ich habe 2019 mein Abitur gemacht und studiere aktuell Lehramt für Sonderpädagogische Förderung mit dem Förderschwerpunkt Sehen. Mein Ziel ist es, später Blindenlehrer zu werden. In meiner Freizeit spiele ich gerne Tennis oder unternehme viel mit meinen Freunden. Außerdem setze ich mich sehr intensiv für die Organspende ein, indem ich Aufklärungsarbeit in Schulen und Sozialen Medien leiste (https://www.instagram.com/marius_schfr/). Ein Thema, das uns alle betrifft. Aktuell kämpfe ich nicht für mich, sondern für die Patienten auf der Warteliste. Es ist wichtig, sich mit dem Thema Organspende auseinanderzusetzen, einen Organspendeausweis zu haben
und seine Entscheidung zu treffen.