Choledochuszyste
Unter dem Begriff Choldedochuszyste werden zystische* Veränderungen / Erweiterungen der Gallenwege zusammengefasst, die außerhalb der Leber verlaufen (sog. "extrahepatische Gallenwege"). Die Ursache dieser Erweiterungen (Dilatationen) ist unbekannt. Eine der Theorien besagt, dass die extrahepatischen Gallenwege und der Ausführungsgang der Bauchspeicheldrüse (Pankreas) auf einer kurzen Strecke einen gemeinsamen Kanal bilden (was normalerweise nicht der Fall ist). Dadurch könnte das Sekret aus der Bauchspeicheldrüse in die Gallenwege gelangen und diese in ihrer Struktur schwächen. Bei Aufstau von Galle würde es dann zu einem erhöhten Druck in den Gallenwegen, deren Erweiterung und zur Zystenbildung* kommen. Allerdings ist dieses Erklärungsmodell sehr spekulativ, eher für die Wissenschaft von Interesse und hat keinen Einfluss auf die Therapie Ihres Kindes.
Zyste: griechisch kystis „Blase“ = ein durch ein Epithel (Häutchen) abgeschlossener Gewebehohlraum
Die Diagnostik und operative Behandlung von Gallenwegs- und Lebererkrankungen bei Kindern ist eine Spezialisierung des Zentrums Kinderchirurgie Hannover, welches ein Referenzzentrum für pädiatrische Leber- und Gallenwegserkrankungen ist. Jeder neue Fall wird in enger Zusammenarbeit mit den Fachrichtungen untersucht, die auf besondere diagnostische oder therapeutische Maßnahmen spezialisiert sind. Hierzu gehören z.B. die (Kinder)gastroenterologen. Gemeinsam werden für jeden Patient die nötigen Untersuchungen geplant und ein individuelles Behandlungskonzept erstellt. Durch die spezielle Ausrichtung unseres Zentrums auf diese Erkrankung kann jeder Patient nach einem sehr hohen Behandlungsstandard behandelt werden.
In den meisten Fällen wird die Choledochuszyste bereits durch einen Ultraschall zuverlässig diagnostiziert. Gelegentlich wird die Verdachtsdiagnose bereits während der pränatalen Vosorgeuntersuchungen gestellt. Wenn Ihr Kind sonst keine weiteren Symptome aufweist, können wir mit Ihnen zusammen eine zeitnahe Operation planen. Sollten allerdings Zweifel an der korrekten Diagnose bestehen, können offene Fragen mit einer Kernspintomografie (bei kleinen Kindern in Vollnarkose und bei älteren in Sedierung (mit einem „leichten Beruhigungsmedikament“) beantwortet werden (Abb. 1). Alternativ oder ergänzend kann der Befund auch mittels Endoskopie** (immer in Vollnarkose) bestätigt werden. Unser Zentrum verfügt über entsprechend kleine Endoskope, sodass diese Untersuchung in unserem Haus auch bei Neugeborenen Routine ist (Abb. 2).
** mit einem flexiblen Gerät, was über den Mund in den Darm eingeführt wird und mit dem man das Innere des Darms (u.a. die Mündung des Gallengangs in den Zwölffingerdarm) untersuchen kann.
Die Behandlung der Choledochuszyste erfolgt immer chirurgisch. Hierbei müssen die Choledochuszyste selbst und die betroffenen Gallenwege immer vollständig entfernt werden, da verbleibendes Gewebe im späteren Leben bösartig entarten kann. Da jede Choledochuszyste ein hohes Risiko für eine generalisierte Gallenwegsentzündung (Cholangitis) aufweist, sollte die Operation auch bei asymptomatischen Kindern möglichst früh (vor dem 6. Lebensmonat) geplant werden. Denn jeder entzündliche Prozess, der sich in diesem Gewebe abspielt, erschwert die Operation und erhöht das Operationsrisiko. Der Eingriff kann offen oder minimalinvasiv („laparoskopisch“) erfolgen. Das Prinzip der Operation ist in beiden Fällen dasselbe. Die veränderten Gallenwege, die von der Leber zum Zwölffingerdarm (Duodenum) ziehen, werden einschließlich der Gallenblase vollständig entfernt. Um die Galle aus der Leber wieder in den Verdauungstrakt abzuleiten, wird eine Dünndarmschlinge mit den verbliebenen Gallenwegen verbunden (Abb. 3). Nach der Operation können sich die Kinder ganz normal ernähren und sind hinsichtlich ihrer Entwicklung und ihrer Lebensqualität nicht eingeschränkt. Mögliche Spätfolgen sind ein erhöhtes Risiko, im jungen Erwachsenenalter Gallensteine zu entwickeln.
Die Vor- und Nachteile jedes einzelnen Verfahrens und welche Operationsmethode in Ihrem individuellen Falle die Beste ist, besprechen wir in einem ausführlichen Informations- und Aufklärungsgespräch.
Die erste Nacht nach der Operation verbringen die Patienten gewöhnlich im sogenannten „Intermediate-Care-Bereich“ („Mischung“ aus Normalstation und Intensivstation) und kehren am nächsten Tag auf die Normalstation zurück. Der Kostaufbau beginnt meistens schon am 1. oder 2. Tag nach der Operation und richtet sich in erster Linie nach dem Befinden und dem Appetit Ihres Kindes. Ähnliches gilt auch für die Dauer des Krankenhausaufenthaltes. Wenn der Verlauf unkompliziert und es Ihrem Kind wieder gut geht, steht einer Entlassung und der ambulanten Nachbetreuung nichts mehr im Wege.
Die Nachsorge sollte in jedem Fall in enger Zusammenarbeit zwischen unserer Klinik und dem behandelnden Kinderarzt erfolgen. Dabei gilt es die Leberwerte zu kontrollieren und für jeden Patienten individuell die Dauer der antibiotischen Infektprophylaxe anzupassen. Einschränkungen hinsichtlich der Ernährung oder eine spezielle Diät werden von uns nicht empfohlen. Eine langfristige Begleitung der Patienten ist aber auf jeden Fall notwendig, da ein erhöhtes Risiko für die Bildung von Gallensteinen besteht. Diese sollten erkannt und auch behandelt werden, bevor sie klinische Probleme bereiten. Zudem besteht lebenslang ein etwas erhöhtes Risiko für die Ausbildung einer bösartigen Erkrankung der Leber oder der Gallenwege im Bereich des operierten Gebietes, so dass wir bis ins späte Erwachsenenalter die Durchführung einer jährlichen Vorsorgeuntersuchung empfehlen. Diese kann auch heimatnah durch (Kinder-)Gastroenterologen erfolgen.