Gastroösophagealer Reflux & Fundoplicatio
Mit „Reflux“ (von lat. refluxus „Rückfluss“) bezeichnet man in der Medizin einen krankhaften (pathologischen) Rückfluss von einem Hohlorgan in ein anderes. Beim sogenannten Gastroösophagealen Reflux findet ein Rückfluss vom Mageninhalt (von lat. Magen (Gaster)) in die Speiseröhre (von lat. Ösophagus (Speiseröhre)) statt. Ein gastroosöphagealer Reflux (GÖR oder engl. GER) kommt auch bei gesunden Kindern vor und kann ganz normal sein. Von einem krankhaften Reflux (gastroösophageale RefluxKRANKHEIT oder GERD) spricht man, wenn die Zahl und/oder die Dauer der Refluxereignisse bestimmte Normwerte überschreiten und wenn das Kind unter den Folgen des Refluxes leidet. Die Häufigkeit wird bei Erwachsenen mit 4–30% und im Kindesalter mit 5–9% geschatzt. Im Säuglingsalter wird aber die Haufigkeit mit ca. 50% angegeben. Das liegt an der überwiegenden Milchernährung und ist in den meisten Fällen in dieser Altersgruppe ganz normal.
Die Gastroösophageale Refluxkrankheit kann verschiedene Ursachen haben.
1. Die Muskeltätigkeit der Speiseröhre (Peristaltik) ist beeinträchtigt und kann auch den normalen Ausstoß an Magensäure nicht richtig zurückführen.
2. Der untere Schließmuskel der Speiseröhre (Ösophagussphincter), der die Speiseröhre vom Magen trennt, funktioniert nicht richtig.
3. Eine sogenannter Zwerchfellbruch (Hiatushernie) führt zu einem krankhaften Durchtritt von Anteilen des Magens durch das Zwerchfell (im Bereich des sog. „Hiatus oesophageus“).
Oftmals liegt eine Kombination dieser Faktoren vor. Auch führt die Speiseröhre Ihre anscheinend einfache Aufgabe auf dem Boden einer sehr komplexen Steuerung durch Nerven aus. Dies sind komplexe Nervenbahnen, die tief im Hirnstamm lokalisiert sind. Störungen dieser Koordination spielen daher, besonders bei Patienten mit zerebralen (das Gehirn betreffenden) Problemen, eine wesentliche Rolle.
Symptome
Das Spektrum an Symptomen ist vielfältig, häufig wird folgendes beobachtet:
1) Ein häufiges Symptom ist das Spucken oder Erbrechen. Die zurückfließende Magensäure kann Schmerzen und Sodbrennen verursachen, zu Schlafstörungen und „Schreiattacken“ oder „sich Überstrecken“ führen.
2) Der Mageninhalt kann beim Zurückfließen über die Speiseröhre auch in die Luftröhre gelangen. Man beobachtet dann Husten oder röchelnde Geräusche bei der Atmung. Ferner sollte bei immer wieder auftretenden Infektionen der Lunge und chronischem Husten auch an einen Reflux gedacht werden.
3) Durch immer Wiederkehrendes Erbrechen und Schmerzen kommt es zur Nahrungsverweigerung und Trinkschwäche. Besonders bei kleinen Kindern kann dies zu mangelnder Gewichtszunahme und Gedeihstörungen führen.
Primäres Ziel der Therapie ist, die negativen Auswirkungen der Magensäure auf die Speiseröhre zu unterbinden. Hierbei kommen verschiedene Medikamente zum Einsatz, die die Magensäure neutralisieren bzw. deren Produktion hemmen (Antazida Protonenpumpeninhibitoren, H2-Blocker). In gravierenden Fällen, insbesondere wenn ein ausgeprägter Reflux vorliegt, die Magensäure in die Speiseröhre zu Entzündungen mit Narbenbildung (Stenosen) geführt hat, anhaltende Schluckbeschwerden bestehen und die Kinder mit Medikamenten nicht beschwerdefrei werden, ist eine operative Intervention notwendig. Die Operation wird in der Regel minimalinvasiv (laparoskopisch) durchgeführt. Dabei wird die Speiseröhre mit Teilen des Magens manschettenartig umschlungen, um einen Ventilmechanismus zu erzeugen (sogenannte Fundoplikatio). Im Gegensatz zur medikamentösen Therapie werden hierbei nicht nur die Symptome, sondern direkt die Ursache behandelt. Bei Füllung des Magens spannt sich die Manschette um die Speiseröhre an, drückt so die Speiseröhre zu und verhindert den Rückfluss von Mageninhalt in die Speiseröhre. Wenn die Patienten nach der Operation trinken und sich der Magen in Richtung Dünndarm entleert, dann entspannt sich die Manschette und Nahrung kann wieder normal in den Magen gelangen. Diese Techniken sind nach Ihren Erstbeschreibern benannt, wobei die beiden häufigsten Operationsmethoden die Fundoplikatio nach Thal (270° Halbmanschette) und die nach Nissen (360° komplette Manschette) sind.
Die erste Kontaktaufnahme erfolgt immer durch ein ambulantes Informationsgespräch in unserer kinderchirurgischen Poliklinik (Kontaktdaten siehe unten). Dabei werden die Möglichkeiten der Behandlung dargestellt und Ihre Fragen ausführlich besprochen. Bitte bringen Sie zum ersten ambulanten Informationsgespräch alle bereits vorliegenden Untersuchungsergebnisse mit.
Dennoch sind häufig zusätzliche Untersuchungen nötig, die auch zum Teil in Wohnortnähe durchgeführt werden können. (siehe Diagnostik)
24 h pH-Metrie (Säuremessung)
Bei dieser Untersuchung wird ein sehr dünnes Kabel mit 2 Messsensoren durch die Nase in die Speiseröhre Ihres Kindes gelegt. Ein hieran angeschlossenes tragbares Gerät misst den pH-Wert, also den Säuregehalt, am unteren Ende der Sonde an zwei Messpunkten auf. Fließt nun saurer Magensaft in die Speiseröhre zurück, verändert sich der pH-Wert. So kann man sehen, wie lange und wie häufig der Magensaft aufgestiegen ist. Mit dieser Methode lässt sich jedoch keine Aussage zur Schädigung der Schleimhaut der Speiseröhre oder der Lunge treffen.
(Röntgen-) Breischluck-Untersuchung
Diese Untersuchung führt man nicht durch, um einen Reflux nachzuweisen, sondern um Fehlbildungen oder Erkrankungen, die einen Reflux begünstigen (z.B. einen Zwerchfellbruch oder „Hiatushernie“). Ihr Kind muss hierzu einen speziellen Brei schlucken, der nicht für Röntgenstrahlen durchlässig ist. Den Transport des Breis durch die Speiseröhre kann man dann, insbesondere in Bezug auf das Zwerchfell, anschließend auf Röntgenbildern untersuchen.
Gastroskopie (Magenspiegelung oder Ösophagogastroduodenoskopie („ÖGD“))
Um eine Aussage zur Schädigung der Schleimhaut der Speiseröhre treffen zu können, kann es im Einzelfall erforderlich sein, eine Magenspiegelung durchzuführen. In Vollnarkose wird ein flexibler Schlauch, an dem eine Kamera angeschlossen ist, in die Speiseröhre und in den Magen eingeführt. Wird entzündete Schleimhaut gesehen, kann man mit einer kleinen Zange winzige Proben aus der Schleimhaut entnehmen und untersuchen.
Bronchoskopie (Spiegelung der Luftwege)
Diese Untersuchung läuft ähnlich wie eine Magenspiegelung ab, nur dass man mit der Kamera in die Luftröhre und ihre Aufzweigungen (Bronchien) schaut. Hierbei sieht man, ob die aufsteigende Magensäure die Schleimhaut der Bronchien geschädigt hat. Auch bei dieser Untersuchung können kleine Schleimhaut-Proben entnommen werden.
Fundoplikatio (Antirefluxplastik)
Sollte die Gastroösophageale Refluxkrankheit nachgewiesen sein und sich bei Ihrem Kind trotz medikamentöser Therapie keine Besserung der Erkrankung einstellen, raten wir zur Operation (Antirefluxplastik bzw. Fundoplikatio). Hierbei wird der Übergang von Speiseröhre zu Magen so eingeengt, dass ein Überlaufen der Magensäure in die Speiseröhre verhindert, gleichzeitig aber der Durchtritt von der Speise in den Magen nicht eingeschränkt wird (Abb_2-5). Die Fundoplikatio wird in unserem Zentrum grundsätzlich und altersunabhängig laparoskopisch durchgeführt. Die von uns bevorzugte Technik ist die Fundoplikatio nach Thal (270° Halbmanschette) (Abb. 1-5). Hierbei bringt der Kinderchirurg im Bauchnabel einen kleinen Schnitt an, durch den er ein dünnes Röhrchen (Trokar) in den Bauchraum führt. Durch den Trokar wird Luft in den Bauchraum geblasen und eine Kamera eingeführt (Bauchspiegelung). Hiermit kann der ganze Bauch inspiziert werden. Danach werden über zwei oder drei weitere 3mm lange Hautschnitte zusätzliche Arbeitskanäle (Trokare) in den Bauch eingebracht. Bei der Fundoplikatio wird die Speiseröhre mit Teilen des Magens manschettenartig umschlungen (270°) (Abb-4+5), um einen Ventilmechanismus zu erzeugen. Eine solche Operation kann auch dann durchgeführt werden, wenn aufgrund von Schluckstörungen oder bei behinderten Kindern zur Ernährung bereits vorher eine Ernährungssonde in den Magen oder „PEG“ angelegt wurde. Ebenso ist es möglich, im selben Eingriff zusätzlich zur Fundoplikatio eine Gastrostomie anzulegen.
Nach dem Eingriff verbleibt Ihr Kind zunächst noch im Aufwachbereich, wo Sie jedoch bereits wieder am Bett sitzen können. Danach erfolgt die Verlegung auf die Normalstation. Wenige Stunden nach der Operation kann Ihr Kind meistens bereits wieder erste Nahrung zu sich nehmen. Für eine Fundoplikatio ist in der Regel ein 3-4 Tage andauernder stationärer Aufenthalt im Krankenhaus ausreichend.
Eine Wiedervorstellung zur Nachuntersuchung bei uns ist erst wieder nach ein paar Wochen vorgesehen. Da wir nur Fäden verwenden, die sich von selber auflösen, erfolgen die ersten postoperativen Kontrollen nach der Entlassung durch Ihren Kinderarzt bzw. Kinderärztin. Sollten allerdings noch Fragen offen bleiben oder wir im Einzelfall eine frühere Nachuntersuchung bei uns für angebracht halten, können Sie sich jederzeit wieder bei uns vorstellen.