Nephroblastom
Das Nephroblastom (aus griechisch „Nephros“- die Niere und „Blastom“-Neubildung) ist der am häufigsten auftretende bösartige Nierentumor im Kindesalter. Nach dem Erstbeschreiber der Krankheit, dem deutschen Chirurgen Max Wilms (1867–1918) wird der Tumor auch Wilms-Tumor genannt.
Der Häufigkeitsgipfel befindet sich zwischen dem zweiten und dritten Lebensjahr. In Deutschland gibt es etwa 100 Neuerkrankungen pro Jahr, Mädchen sind dabei etwas häufiger betroffen. Beidseitiges Auftreten wird in 5 % der Fälle beobachtet und kann auf eine familiäre Tumorerkrankung zurückzuführen sein. Besondere Symptome gibt es beim Nephroblastom nicht.
Erste Symptome sind häufig eine schmerzlose Zunahme des Bauchumfanges, aber auch Bauchschmerzen und eine tastbare Raumforderung des Oberbauches können vorkommen. Fieber, Schwäche und Müdigkeit treten oft erst im Spätstadium der Erkrankung auf. Bluthochdruck ist selten (10- 20% der Fälle). Bei etwa 5–10 % der Kinder wird auch Blut im Urin gefunden.
In Deutschland werden alle bösartigen Erkrankungen, die im Kindesalter auftreten, nach verbindlichen Protokollen therapiert, die von der Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie (GPOH) vorgegeben werden(www.kinderkrebstudien.de). Die Abteilung für Kinderchirurgie der Medizinischen Hochschule Hannover ist gemeinsam mit der Abteilung Pädiatrische Hämatologie und Onkologie von der Deutschen Krebsgesellschaft als Kompetenzzentrum in der Pädiatrischen Onkologie zertifiziert.
Für uns bedeutet das, dass alle onkologischen Patienten immer gemeinsam mit der Abteilung für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie der MHH behandelt werden.
Das gilt auch für den Wilms-Tumor. Während man den Tumor in anderen Ländern (z.B. in den USA) zunächst operativ entfernt, werden alle Kinder mit Wilms-Tumoren in Deutschland nach dem Studienprotokoll der GPOH bzw. SIOP (Société Internationale d´Oncologie Pédiatrique). behandelt. Hiernach wird zunächst eine 4-wöchige Chemotherapie gegeben, bevor der Tumor dann entfernt wird. Danach erfolgt dann in der Regel nochmals eine Chemotherapie
Wenn die Verdachtsdiagnose oder die Diagnose Wilms-Tumor besteht, wird Ihr Kind noch am Tag der Einweisung in einem Team aus Kinderchirurgie, pädiatrischer Onkologie und Radiologie untersucht. Es ist wichtig, dass wir uns von dem ersten Kontakt mit Ihnen gleich als gesamtes Team vorstellen, damit Sie wissen, was alles auf Sie zukommt und wir gemeinsam die weiteren Schritte planen können.
Wegen dem typischen Bild des Wilmstumors im Ultraschall ist die Diagnose meist schnell gestellt und auch die zweite, meist gesunde, Niere mit untersucht. In seltenen benötigen wir noch eine sogenannte „Schnittbilduntersuchung“ (zum Beispiel die Kernspintomographie bzw. „MRT“). Eine Gewebeprobe des Tumors wird in der Regel zur Diagnostik nicht entnommen. Dies ist nur in Ausnahmefällen nötig, z.B. wenn Ihr Kind entweder jünger als 6 Monate oder älter als 16 Jahre ist, und weitere Diagnosen in Frage kommen. Eine mögliche Streuung des Tumors in andere Organe (z.B. Lunge) kann mit einer normalen Röntgenaufnahme des Brustkorbs untersucht werden.
Nachdem diese ersten Untersuchungen erfolgt sind und wir mit Ihnen den groben Therapieplan besprochen haben, werden Sie sich zunächst in die Obhut der pädiatrischen Onkologen (Onkologe = Arzt, der sich mit Tumoren beschäftigt) begeben. Die Therapie des Wilms-Tumors besteht in einer Chemotherapie und der chirurgischen Entfernung des Tumors und, wenn nötig (in seltenen Fällen), auch einer Bestrahlung. Das genaue Therapieschema ist von der Ausbreitung des Tumors und vom Tumoraufbau abhängig und folgt den Vorgaben der oben genannten Therapiestudien.
Für die chirurgische Entfernung des Tumors muss ein stationärer Aufenthalt von etwa 4-7 Tagen eingeplant werden. Die stationäre Aufnahme erfolgt ein Tag vor der eigentlichen Operation, um mit Ihnen den bevorstehenden Eingriff in Ruhe zu besprechen und letzte Blutuntersuchungen durchzuführen. Bei der Operation erfolgt ein Hautschnitt quer über die Bauchdecke. Dann schiebt man die Organe, die über der betroffenen Niere bzw. in deren Nähe liegen vorsichtig beiseite und isoliert die Niere von allem umliegenden Gewebe. Auch die Niere der anderen Seite wird inspiziert, um deren Tumorbefall auszuschließen. Ziel der Operation ist in der Regel die komplette Entfernung des Tumors mitsamt der betroffenen Niere und den umliegenden Lymphknoten, um möglichst ein Wiederauftreten des Tumors zu verhindern. Der entfernte Tumor wird dann vom Gewebsspezialisten (Pathologen) unter dem Mikroskop untersucht.
Die weitere Betreuung Ihres Kindes übernehmen nach der Operation die Kinderonkologen. Durch die interdisziplinäre Zusammenarbeit von Chirurgie, Onkologie und Strahlentherapie liegt die heutige Gesamtüberlebensrate bei einseitigem Nephroblastom ohne Streuung bei über 90%. Allerdings ist das individuelle Risiko einzelner Patienten von der jeweiligen Tumorunterart und Lokalisation abhängig und kann darum hier nicht pauschal angegeben werden.