Neuroblastom
Neuroblastome sind Tumoren des Kleinkindes (meist unter 5 Jahren) die aus den sog. autonomen Nervenknoten hervorgehen, die als „Grenzstrang“ rechts und links neben und auch mittig vor der Wirbelsäule liegen. Deren Aufgabe ist es, die unbewussten Körper und Organfunktionen zu steuern (daher die Bezeichnung „autonomes Nervensystem“). Ein weiteres typisches Organ, in dem diese Tumoren vorkommen, sind die Nebennieren, die ebenfalls Teil des autonomen Nervensystems sind. Die Ursache der Tumorbildung aus diesen Nervenzellen ist unbekannt, eine familiäre Häufung ist sehr selten. Umweltfaktoren bzw. schädigende Substanzen scheinen keine Rolle zu spielen.
Neuroblastome fallen als tastbarer Tumor etwa in der Flanke, am Hals oder im Becken bzw. durch Allgemeinsymptome, bei Ultraschalluntersuchungen oder Röntgenuntersuchungen auf; einige produzieren symptomauslösende hormonartige Substanzen.
Es gibt viele verschiedene Untertypen des Neuroblastoms, die je nach Alter unterschiedlich häufig sind und einer individuell angepassten Behandlung bedürfen. Häufig findet man in der feingeweblichen Untersuchung im Kern der Neuroblastomzellen Anomalitäten wie eine stark erhöhte Chromsomenzahl. Die Vervielfältigung eines Gens auf dem Chromosom 2, das sog. N-MYC Gen, eine Vergrößerung des Chromosoms 17 und eine Fehlstelle auf dem Chromosom 1 sind beispielsweise für Neuroblastome bekannt, die besonders aggressiv wachsen.
Das Prinzip aller Behandlungen basiert auf der Kombination von Chemotherapie und chirurgischer Teil- oder Komplettentfernung des Tumors. Strahlentherapie und Immuntherapie werden ebenfalls angewendet. Die primäre Betreuung der Kinder mit Neuroblastom erfolgt durch die Kollegen der [LINK] päd. Onkologie, die für jeden Patienten ein individuelles Behandlungskonzept erarbeiten, das sich auf die Protokolle der Kinderkrebsstudien stützt (www.kinderkrebstudien.de).
In Deutschland werden alle bösartigen Erkrankungen, die im Kindesalter auftreten, nach verbindlichen Protokollen behandelt, die von der LINK Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie (GPOH) vorgegeben werden LINK (www.kinderkrebstudien.de). Für uns bedeutet das, dass alle onkologischen Patienten immer gemeinsam mit der [LINK] Abteilung für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie der MHH behandelt werden.
Wenn ein Neuroblastom vermutet wird, erfolgen zunächst bildgebende Untersuchungen (bei Babys und Kleinkindern oft in Vollnarkose unter Beteiligung unserer LINK Kinderanästhesie). Zudem wird im Blut, Urin und dem Knochenmark nach allgemeinen (z.B. Blutarmut) und besonderen Zeichen der Tumorerkrankung (bestimmte Hormone, z.B. „Katecholamine“) geforscht. Wenn der Tumor klein und sofort ganz entfernbar ist, wird in aller Regel per Operation eine Tumorbiopsie durchgeführt, d.h. die Entnahme eines kleinen, repräsentativen Gewebsstücks. Dies geschieht hier bei einem Tumorsitz in den Körperhöhlen hier in der MHH-Kinderchirurgie in der Regel durch minimal invasive Chirurgie, da es beim Neuroblastom so gut wie kein Risiko der Tumorzellverschleppung gibt. Vorteile der minimal invasiven Biopsie liegen neben den geringeren Schmerzen für den Patienten tumorbiologisch darin, dass durch den fehlenden Bauch- oder Brustkorbschnitt der Körper weniger Heilkraft aufbringen muss und das Immunsystem des Patienten sich mehr um den Tumor als um die Heilung des Bauchschnitts kümmern kann. Auch ist die Erholung nach der Biopsie schneller, sodass Ihr Kind mit der meist notwendigen medikamentösen Vortherapie (sog. neoadjuvante Chemotherapie) früher beginnen kann.
Wenn alle Informationen zur Ausbreitung des Tumors sowie der feingeweblichen Untersuchung des Tumorgewebes (in dem man z.B. Riskomarker wie das N-MYC nachweisen kann) vorliegen, erfolgt die formale Einordnung in ein Tumorstadium bzw. eine Risikoklasse (INSS, international Neuroblastoma Staging System). Die Behandlung erfolgt dann entsprechend den Vorgaben der bereits erwähnten Therapieprotokolle der LINK Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie (GPOH).
Besondere Expertise besteht an der MHH für die sog. Hochdosischemotherapie mit nachfolgender autologer Stammzelltransplantation (sog. Stammzellrescue) wobei dem Kind nach der Chemotherapie zuvor entnommene und von Tumorzellen gereinigte eigene Stammzellen wieder eingesetzt werden. Hierfür stehen moderne Baulichkeiten zur Verfügung, die einen besonderen Schutz der Kinder gewährleisten.
Für die medikamentöse Therapie wird häufig ein sog. Portkatheter (ein unter der Haut liegender, dauerhafter Zugang zum venösen Blutkreislauf) bzw. ein anderer zentralvenöser Katheter (z.B. „Broviak-Katheter“) implantiert, wobei für Babys spezielle Systeme vorgehalten werden.
Für die chirurgische Therapie gilt, dass anatomisch unkomplizierte Lokalisationen an der Rückwand des Brustkorbes und im Bereich der Nebennieren mit der minimal-invasiven Technik der Bauch- bzw. Brustkorbspiegelung entfernt werden können. Ausgedehnte Neuroblastome können jedoch mit vitalen Strukturen etwa der Darm- oder Lungenwurzel, den großen Blutgefäßen und dem Rückenmark verwachsen sein und erfordern dann ein offenes chirurgisches Vorgehen.
Nach der Operation erfolgt die Betreuung auf unserer Kinderintensivstation, bevor Ihr Kind wieder auf die Normalstation verlegt wird. Die weitere Behandlung richtet sich dann nach dem individuell angepassten Therapieplan und erfolgt gemeinsam mit unseren Partnern der LINK pädiatrischen Onkologie.
Ergebnisse:
Das Ziel jeder Behandlung von Kindern mit Neuroblastom ist die Komplettremission. Sie ist ein wichtiger Schritt auf dem Wege zur vollständigen Heilung und ist erreicht, wenn mit den verfügbaren Methoden (Knochenmarkpunktion, Untersuchung, Bildgebung) keine Krankheitszeichen mehr bei Ihrem Kind bestehen. Man kann jedoch in der ersten Zeit nicht wissen, ob noch „unsichtbare“ Tumorzellen verblieben sind, woraus sich die Notwendigkeit der jahrelangen Nachsorge ergibt.
Die in Therapiekontrollstudien an vielen Kindern erhobenen Daten ergeben hinweisende Zahlen. Diese besagen, dass je nach Stadium heute im Mittel 75-85% aller Kinder dauerhaft geheilt werden können.
Auch nach der Operation folgt häufig weitere Chemotherapie, bevor das implantierte Port-System wieder entfernt werden kann. Die Nachsorge erfolgt ebenfalls nach den Vorgaben der Studienprotokolle und in der Regel durch die Kollegen der LINK pädiatrischen Onkologie.