Vesiko-Ureteraler-Reflux
Vesikoureteraler Reflux (unphysiologischer Rückfluss von Harn aus der Blase über die Harnleiter (Ureteren) in das Nierenbecken) und Megaureter (angeborene Harnleiter-Missbildung, bei der der Harnleiter massiv erweitert und vermehrt geschlängelt ist (als Zeichen einer Längenzunahme))
Um eine vollständige Urinkontinenz zu erzielen, muss die Harnblase in der Lage sein, den Urin, der über die Harnleiter in die Blase fließt, zu sammeln, und diesen dann kontrolliert und vollständig über die Harnröhre zu entleeren. Eine wichtige Funktion übernimmt dabei die Einmündung des Harnleiters in die Blase. Hier hat die Natur eine Art Ventilmechanismus entwickelt, der den Urinfluss nur in einer Richtung erlaubt: Durch den Schrägen Verlauf des Harnleiters in der Harnblasenwand wird der Harnleiter mit zunehmender Füllung der Harnblase „abgedrückt“ und damit verschlossen. Ist dieser Ventimechanismus gestört, dann sind zwei Konsequenzen möglich:
- der Abfluss von Urin in die Blase ist behindert, dann entsteht ein Urinstau VOR der Blase, im Ultraschall sehen wir dann eine Erweiterung des Harnleiters (sog. „obstruktiver Megaureter“)
- das „Ventil“ schließt nicht richtig und der Urin fließt von der Blase in die Niere ZURÜCK.
In beiden Fällen verbleibt Urin zu lange im System der ableitenden Harnwege und begünstigt damit das Auftreten von Harnwegsinfekten.
Die urologische Grunddiagnostik mittels apparativer Untersuchungen (sog. „bildgebende Diagnostik“) basiert auf drei Hauptsäulen:
1. Begonnen wird immer mit einem Ultraschall der Nieren und ableitenden Harnwegen, um nach strukturellen Auffälligkeiten zu suchen.
2. Ergänzt wird diese Diagnostik durch eine Röntgenuntersuchung der Blase (sog. Miktionszystourethrografie bzw. „MCU“).
Beim MCU wird ein Katheter durch die Harnröhre (Urethra) in die Harnblase gelegt und über diesen die Harnblase mit einem Röntgenkontrastmittel gefüllt. Danach wird beim Wasserlassen untersucht, ob das Kontrastmittel entgegen dem vorgesehenen Weg, über einen der beiden Harnleiter zurück zur jeweiligen Niere fließt. Zusätzlich kann bei Jungen die Harnröhre im seitlichen Bild dargestellt werden.
3. Schließlich kommt ein nuklearmedizinisches Untersuchungsverfahren (Isotopennephrografie bzw. „ING“) zum Einsatz, mit denen die Nierenfunktion unter statischen und dynamischen Gesichtspunkten beurteilt werden kann. Beurteilt werden dabei die Blutversorgung, Funktion und die Ausscheidung bzw. der Abfluss jeder einzelnen Niere.
Bei Kindern, die Ihre Urinausscheidung bereits selber kontrollieren können, wird zusätzlich der Urinfluss (sog. „Uroflowmetrie mit Restharnbestimmung“) gemessen. Ob Ihr Kind dann operiert werden muss, richtet sich immer an den konkreten Untersuchungsergebnissen und muss in jedem einzelnen Fall individuell beurteilt und mit Ihnen besprochen werden. Allgemeingültige Regeln gibt es hier nicht.
Grundsätzlich lässt sich aber sagen, dass beim obstruktiven Megaureter (wenn die Harnleitererweiterung durch eine Verengung des Harnleiters an seiner Mündung in die Harnblase bedingt ist) eine Spontankorrektur sehr wahrscheinlich ist. Nur in Ausnahmefällen ist eine chirurgische Maßnahme erforderlich, deren Notwendigkeit wir zusammen mit Ihnen sehr sorgfältig prüfen.
Für die Behandlung des vesikoureteralen Refluxes gibt es mehrere Möglichkeiten, deren gemeinsames Ziel darin besteht, komplizierte (mit Fieber) und unkomplizierte Harnwegsinfektionen zu vermeiden.
Beim konservativen Vorgehen erfolgt keine Operation. Über eine unterschiedlich lange Zeit wird eine antibiotische Prophylaxe gegeben. Der Urin muss in jedem Fall regelmäßig kontrolliert werden, da auch eine sorgfältig durchgeführte Prophylaxe nicht völlig vor einer Infektion schützt. Alternativ kann man auch ohne Prophylaxe verfahren, obwohl die Urinkontrollen dann engmaschiger erfolgen müssen, um einen beginnenden Infekt rechtzeitig zu erfassen und behandeln zu können.
• Als wenig invasiver Schritt kann man den vesikoureteralen Reflux heute mittels einer Unterspritzung der Mündung des Harnleiters in die Blase (Ostium) behandeln. Dieser Eingriff erfolgt immer in Vollnarkose. Über die Harnröhre wird eine spezielle Kamera (Zystoskop) die Harnblase eingeführt und anschließend ein aushärtendes Gel unter das Ostium gespritzt. Der Erfolg dieser Maßnahme, die man auch wiederholen kann, hängt u. a. vom Ausmaß des Refluxes ab.
• Für die chirurgische Antirefluxplastik (Ureterneueinpflanzung in die Blase) stehen mehrere Techniken zur Verfügung, die offen oder minimalinvasiv durchgeführt werden können (z,.B. nach Politano-Leadbetter, Lich-Gregoir, Cohen). Die Wahl des jeweiligen Verfahrens richtet sich nach der speziellen Situation und liegt auch im Ermessen des Operateurs. Letztendlich bleibt die Entscheidung einem ausführlichen Informationsgespräch vorbehalten.
Unser diagnostisches und therapeutisches Vorgehen entspricht dem oben dargestellten Konzept. Selbstverständlich versuchen wir Doppeluntersuchungen zu vermeiden und sichten darum zunächst Befunde, die andernorts bereits erstellt wurden. Der weitere Diagnostik- und Therapieplan ist individuell angepasst und kann nicht im Detail vorgezeichnet werden. Es gilt aber nach wie vor, dass wir uns bemühen, mit einem Minimum an Belastung für Ihr Kind ein Optimum an Informationen zu erlangen.
Patienten, bei denen wir eine Unterspritzung des Ostiums vornehmen, bleiben nach dem Eingriff nur bis zum nächsten Tag unter stationärer Beobachtung. Der stationäre Aufenthalt nach einer chirurgischen Antirefluxplastik richtet sich nach Art und Dauer des Eingriffs. Allerdings gilt auch hier das Prinzip der Fast-track-Chirurgie. Patienten, die sich von der Operation gut erholt und deren Eltern den Umgang mit noch liegenden Splints und Drainagen gelernt haben, können auf Wunsch zwischenzeitlich auch nach Hause entlassen werden.
Die Nachbetreuung dieser Patienten erfolgt in enger Zusammenarbeit mit dem behandelnden Kinderarzt und orientiert sich an den jeweiligen Untersuchungsergebnissen. Im Regelfall beschränken wir uns auf Urinkontrollen und Ultraschall von Nieren und Harnwegen im Rahmen der Nachsorgeuntersuchungen; invasive Untersuchungen (MCU, ING, etc.) sind nicht generell vorgesehen