Weichteiltumoren und Sarkome
Weichteiltumore leiten sich embryologisch (Embryologie: Entwicklung der befruchteten Eizelle und des daraus entstehenden Embryos) von einem bestimmten Ursprungsgewebe, dem sog. Mesoderm ab. Hieraus wiederum bestehen die Stütz- und Füllgewebe, der Bewegungsapparat und die glatte Muskulatur der Hohlorgane. Das bedeutet, dass Weichteiltumore fast überall im Körper auftreten können, wo sie entweder gutartig, gering bösartig oder sehr bösartig sein können.
In den gutartigen Varianten findet man Fett (z.B. Lipome, Angiomyolipome), Knorpel (z.B. Chondrome) und andere Gewebe. Es gibt einen fließenden Übergang zu den geringbösartigen Formen wie Liposarkomen und dann zu den verschiedenen Weichgewebstumoren höherer Bösartigkeit. Diese Tumore sind im feingeweblichen Bild und im klinischen Verhalten sehr unterschiedlich und werden als Sarkome bezeichnet. Im frühen Kindesalter kommt eine bestimmte Unterform der Sarkome, die Rhabdomyosarkome häufig vor. Sie wachsen rund um die Blase und die benachbarten Strukturen im kleinen Becken. Die sog. Nicht-Rabdomyosarkome, wie z. B. die Synovialsarkome, infantilen Fibrosarkome etc. werden eher an den Armen u. Beinen und Bereich des Stamms (Hals, Brustkorb, Bauch, Becken) beobachtet.
Leider werden diese Tumore oft sehr spät entdeckt. Sie fallen durch zunächst unauffällige, oft schmerzlose Schwellungen im Bauch/Beckenbereich oder an den Armen / Beinen auf.
Die Diagnose wird immer an Hand der feingeweblichen Untersuchung gestellt. Der Gewebsspezialist (Pathologe) sieht unter dem Mikroskop die Anfärbung der typischen „kleinen blauen Zellen“, die er dann anhand von Gewebsmarkern und Zellgenetik näher untersuchen muss. Rhabdomyosarkome etwa teilt er grob in embryonale, alveoläre und pleomorphe Subtypen ein, die alle eine unterschiedliche Behandlung erfordern und sich auch hinsichtlich ihrer Prognose unterscheiden.
Die Behandlung kindlicher Tumore ist an der MHH seit den 1980er Jahren ein Schwerpunkt der Klinik für Kinderchirurgie. Damals wie heute bieten wir eine hohe Kompetenz in der pädiatrischen Tumorchirurgie, ausgewiesen durch die Benennung als chirurgisches Referenzzentrum in Behandlungsprotokollen der GPOH (Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie)
Die Behandlung bösartiger Erkrankungen erfolgt bei Kindern immer multidisziplinär und richtet sich nach den Vorgaben der jeweiligen Therapieprotokolle. Das gilt selbstverständlich auch für die Behandlung der Weichteiltumore. Jede diagnostische und therapeutische Maßnahme folgt den Empfehlungen der Behandlungsstudie oder in speziellen Fällen der ausdrücklichen Empfehlung der Studienleitung der kooperativen Weichgewebsstudie (CWS).
Beim Verdacht auf einen solchen Tumor erfolgt nach einem ersten Ultraschall meist eine weitere Bildgebung (Kernspintomographie („MRT“), Röntgen, Computertomographie). Bei kleinen Kindern werden diese Untersuchungen oft in Narkose durchgeführt, da man „scharfe“ Bilder nur erhält, wenn die Kinder ganz ruhig liegen, ohne sich zu bewegen. Um die Diagnose zu bestätigen, wird ist die Entnahme einer Tumorprobe in Vollnarkose unerlässlich. Diese erfolgt in der Regel über eine offene Operation oder über einen minimal-invasiven Zugang. Gewebepunktionen sind die Ausnahme, um eine Tumorzellverschleppung entlang des Stichkanals zu vermeiden.
Nach dem Vorliegen der feingeweblichen Diagnose erfolgten die sog. Umfelddiagnostik mit Untersuchung der Lunge und des übrigen Skelettes. Die Therapieplanung wird zusammen mit unseren Kinderonkologen an Hand der CWS-Studie erstellt.
Die weitere Therapie richtet sich immer nach den Vorgaben der CWS-Protokolle, die für jede Tumorart ein spezielles Behandlungsschema vorsieht, die an dieser Stelle nicht im Detail dargestellt werden können.
Die meisten Behandlungen folgen einem ähnlichen Schema: Für die medikamentöse Therapie wird häufig ein sog. Portkatheter (ein unter der Haut liegender, dauerhafter Zugang zum venösen Blutkreislauf) bzw. ein anderer zentralvenöser Katheter (z.B. „Broviak-Katheter“) implantiert, wobei für Babys spezielle Systeme vorgehalten werden. Wir implantieren ca. 130 solcher Systeme im Jahr.
Dann wird mit den ersten Zyklen der Chemotherapie begonnen. Wenn der Tumor auf diese Behandlung gut anspricht und kleiner wird, kann dessen operative Entfernung oder Verkleinerung geplant werden. Danach erfolgt in der Regel eine weitere Nachbehandlung mit Zytostatika. Tumoren, die bereits Tochtergeschwülste (Metastasen) gestreut haben, können unter Umständen ebenfalls erfolgreich behandelt werden. In diesen fällen sind allerdings mehrere operative Eingriffe notwendig.
Die Prognose einer solchen Tumorerkrankung hängt von zahlreichen Faktoren ab und kann nicht allgemeingültig definiert werden. Eine Einschätzung des individuellen Behandlungserfolgs erfolgt sowohl zu Beginn der Therapie und wird dem weiteren Verlauf angepasst. Diese Informationen können nur im persönlichen Gespräch vorgetragen und besprochen werden. In jedem Fall ist es notwendig, dass Kinder mit onkologischen Erkrankungen nur in solchen Zentren behandelt werden, die in jeder Hinsicht dafür ausgewiesen sind. Der Behandlungserfolg hängt auch bei diesen Erkrankungen von der Erfahrung der beteiligten Abteilungen ab und ist dort am höchsten, wo die meisten Patienten betreut werden. Die Kindermedizin der MHH steht hier im Verbund aller beteiligten Disziplinen für eine langjährige und erfolgreiche Erfahrung.
Nach der Operation folgt oft noch ein weiterer Zyklus mit Chemotherapie, bevor das implantierte Port-System wieder entfernt werden kann. Die Nachsorge erfolgt ebenfalls nach den Vorgaben der Studienprotokolle und in der Regel durch die Kollegen der pädiatrischen Onkologie.