Forschungsschwerpunkte
Als wichtige Voraussetzung für neue Entwicklungsansätze in der translationalen Allergieprävention und der individualisierten Asthmatherapie, fokussieren wir uns in unserer Forschung auf die Aufklärung der zu Grunde liegenden immunologischen Mechanismen von atopischen Erkrankung wie der atopische Dermatitis, Heuschnupfen und allergischem Asthma. Ein besonderes Augenmerk legen wir auf die frühe Entstehung und Persistenz von Allergie und Toleranz.
Bei fast jedem vierten Kind zwischen 0 und 17 Jahren in Deutschland wird eine medizinisch bestätigte atopische Erkrankung wie z.B. eine atopische Dermatitis, Heuschnupfen oder allergisches Asthma diagnostiziert. Atopische Erkrankungen entstehen meist in der frühen Kindheit. Die Maturation des kindlichen Immunsystems in den ersten Lebensjahren ist eine kritische Phase für die Entwicklung einer effektiven, spezifischen Immunabwehr und die gleichzeitige Toleranzprägung gegen harmlose Bestandteile der Umwelt, wie z.B. Allergene. Fehlentwicklungen können zu Sensibilisierung sowie Allergie- und Asthmaentstehung führen.
Klinische Forschung:
Unsere Arbeitsgruppe ist Teil einer Forscherkooperation innerhalb des Deutschen Zentrums für Lungenforschung (DZL), die sich zum Ziel gesetzt hat unterschiedliche Asthma-Endotypen und deren pathobiologische Grundlage zu erforschen, sowie prädiktive Biomarker für den Krankheitsverlauf zu finden. Im Rahmen der ALL AGE ASTHMA COHORT (ALLIANCE) werden Kinder und Erwachsene ab einem Alter von 6 Monaten mit Asthma und obstruktiver Bronchitis (Kinder < 6 Jahre) rekrutiert und langfristig nachverfolgt. In regelmäßigen Visiten am Studienzentrum werden umfangreiche Untersuchungen zur Lungenfunktion und Atemwegsentzündung durchgeführt und geprüft, inwieweit sie gegen bestimmte Allergene sensibilisiert sind. Dabei werden neben Biomaterialien (wie z.B. Blut, mikrobielle Proben, Atemwegssekrete) Daten zu Symptomen, Krankheitsverläufen, Lebensumständen und Umweltfaktoren gesammelt.
Mithilfe diverser molekularbiologischen Analysemethoden („Deep Phenotyping“) sollen Mechanismen der verschiedenen Krankheitsverläufe aufgeklärt werden.
Zudem sollen Biomarker identifiziert werden, mit deren Hilfe zukünftig die jeweilige Unterform der Erkrankung möglichst früh zu erkannt und die Behandlung auf den einzelnen Patienten besser abgestimmt werden soll.
Des Weiteren arbeitet die Arbeitsgruppe daran, neben Asthma auch die Pathogenese von Allergien sowie die Toleranz gegenüber beider zu verstehen, um neue Therapieansätze zur Prävention und Behandlung zu finden. Als Teilnehmer am wissenschaftliche Programm TITUS „The First Thousand Days of Life“ des Else Kröner-Fresenius Forschungskollegs fokussieren sich junge Ärztinnen und Ärzte in unserer Arbeitsgruppe auf die perinatale Prägung von Asthma und Allergien, um präventive Ansätze für die Kinder von heute und damit für die Gesellschaft von morgen zu finden.
Grundlagenforschung
Allergische Erkrankungen, wie Asthma bronchiale, Nahrungsmittelallergie und atopische Dermatitis und die genauen zugrundeliegenden molekularen/immunologischen Mechanismen in der frühen Entstehung von Allergie und Toleranz sind noch immer wenig verstanden, repräsentieren jedoch eine wichtige Voraussetzung für neue Entwicklungsansätze in der translationalen Allergieprävention.
Unter der Hypothese, dass die Toleranzentwicklung zwischen verschiedenen atopischen Erkrankungen über gemeinsame Mechanismen gesteuert wird, deren Identifikation zu neuen präventiven Strategien führen kann, sollen mit Hilfe eines experimentellen Toleranz-Modells frühe immunologische Mechanismen und Schlüsselfaktoren identifiziert und funktionell analysiert werden. Als Mitglied des CHAMP (CHildhood Allergy and tolerance: bioMarkers and Predictors) Konsortiums trägt die Arbeitsgruppe zusammen mit Kooperationspartnern maßgeblich dazu bei diesen immunologischen Mechanismen und Faktoren, die diesen allergischen Erkrankungen gemeinsam zugrunde liegen, zu identifizieren und zu charakterisieren. Im Rahmen dieser Untersuchungen wird außerdem der Einfluss mikrobieller Komponenten bezüglich der transmaternalen Allergieprävention analysiert.
Besondere Aufmerksamkeit wird auf die funktionelle Rolle des Inflammasoms NLRP3 bei der perinatalen Toleranzentwicklung gelegt. Dieser Multiproteinkomplex des angeborenen Immunsystems, welcher die Aktivierung von Entzündungsreaktionen steuert, wurde in ersten Untersuchungen eines CHAMP-Kooperationspartners (AG Schaub, München) bei Neugeborenen mit erhöhtem Allergierisiko unterschiedlich im Nabelschnurblut reguliert gefunden. Ferner soll das Projekt als Plattform genutzt werden, um neue Ziele der Toleranzentwicklung, welche in den klinischen Studien des Konsortiums für Kinder identifiziert wurden, im experimentellen Allergiemodel zu analysieren und die Mechanismen auf zellulärer Ebene zu verstehen. Umgekehrt sollen identifizierte Toleranzsignaturen in menschlichen Biomaterialien der CHAMP-Kohorten getestet werden.
Ein weiterer wichtiger Fokus der Arbeitsgruppe sind Faktoren, die regulatorisch auf Entstehung und Persistenz der für das allergische Asthma typischen T2-Inflammation einwirken. Forschungsprojekte beschäftigen sich hier mit der Rolle von regulatorischen B-Zellen, den immunmodulatorischen Eigenschaften von TLR-Agonisten (wie z.B. Resiquimod), sowie der Bedeutung von IL-17 für Aktivierung und Migration von myeloiden antigenpräsentierenden Zellen in der frühen Phase der Asthmaentstehung und seiner Persistenz.
Die Immunphänotypisierung von Zellen und Geweben stellt eine besondere Expertise in der Arbeitsgruppe dar. Die mittels verschiedener Methoden (Zell und Gewebe Chipzytometrie) generierten Daten werden genutzt, um bioinformatische multidimensionale Analysemethoden in Zusammenarbeit mit der bioinformatischen Arbeitsgruppe innerhalb des DZLs und der MHH zu entwickeln und Zellen und Gewebe in der Tiefe zu charakterisieren.
Respiratorisches Synzytial-Virus Infektionen im frühen Kindesalter
Die Infektion mit dem Respiratorischen Synzytial-Virus (RSV) ist die häufigste Ursache für Infektionen der unteren Atemwege bei Kleinkindern und sie ist für eine signifikante Morbidität und Mortalität in dieser Altersgruppe verantwortlich. Der Verlauf der RSV-Primärinfektion ist hoch variabel. Impfstoffe und antiviral wirkende Medikamente stehen nicht zur Verfügung. Global betrachtet verursachen die schwersten RSV-Fälle bei Kleinkindern jährlich mehr als drei Millionen stationäre Krankenhausaufenthalte sowie 59.600 Todesfälle. Die Faktoren, welche schwere Primärinfektionen bei Kleinkindern verursachen sind nur schlecht definiert.
In einer Kooperation mit der Arbeitsgruppe von Prof. Pietschmann (Twincore) konnte unsere Arbeitsgruppe in einer Kohorte von 160 Kindern unter 2 Jahren mittels Exom-Sequenzierung 346 Polymorphismen (SNPs) detektieren, die mit schweren RSV-Infektion assoziiert sind (Patentanmeldung, Hansen, Wetzke, Pietschmann EP17195522.2). Anknüpfend an diesem Projekt arbeitet die Arbeitsgruppe als Kooperationspartner des INDIRA Verbundprojekts daran, mit Hilfe von multi-dimensionaler OMICs-Daten und mit maschinellen Lernverfahren weitere genetische Marker sowie Biomarker für die Prognose von schweren RSV-Infektionen zu identifizieren und deren Rolle im Infektionsverlauf aufzuklären. Diese neu identifizierten Biomarker sollen in virologischen, immunologischen und zellbiologischen Versuchen validiert werden. Des Weiteren untersucht die Arbeitsgruppe mit Hilfe von aus ausgewählten Spendermaterialien angezüchtete Organoid-Kulturen die Folgen der RSV Infektion mit modernsten Techniken auf Einzelzell-Ebene. Als Teil des Exzellenzcluster RESIST, soll schließlich eine Replika-Kohorte aufgebaut werden, um die bereits identifizierten Biomarker zu verifizieren und die Entdeckung neuer genetischer Marker auf das gesamte humane Genom auszudehnen. Auf diese Weise arbeitet die Arbeitsgruppe daran, die Determinanten der schweren RSV-Infektion aufzuklären und dieses Wissen zur Entwicklung von Diagnostika für eine personalisierte Prophylaxe der empfindlichsten Kinder einzusetzen.
Ambulant erworbene Pneumonie
Die ambulant erworbene Pneumonie im Kindesalter (pediatric community acquired pneumonia, pedCAP) gehört zu den führenden Infektionserkrankungen in Mitteleuropa. Die geschätzte Inzidenz hospitalisierungspflichtiger Pneumonien bei Kindern im Alter bis zu fünf Jahren liegt bei bis zu 90 Fällen/1.000 Kinder. Trotz der epidemiologischen Relevanz der Erkrankung liegen keine aktuellen Daten zur Ätiologie der pedCAP in Deutschland vor.
In Kooperation mit der CAPNETZ STIFTUNG, deren CAPNETZ Kohorte eine der größten und am besten charakterisierten Lungenentzündungskohorten der Welt im Erwachsenenalter darstellt, arbeitet unsere Gruppe an dem Verbundprojekt pedCAPNETZ. Dieses hat den Aufbau und die wissenschaftliche Auswertung einer vergleichbaren nationalen Kohorte zur ambulant erworbenen Pneumonie im Kindes- und Jugendalter zum Ziel. Hierzu erfolgt eine multizentrische Rekrutierung unter Gewinnung eines umfassenden Datensatzes aus klinischen Parametern und Biomaterialien. Dieser wird umfassend klinisch und molekularbiologisch charakterisiert. Unsere wissenschaftliche Arbeit fokussiert sich darauf, alle relevanten Aspekte der CAP im Kindesalter zu erfassen. Diese reichen von der Epidemiologie über die Risikostratifizierung (Biomarker, klinischer Score), Erregerverteilung, Erregerresistenz, Therapiemanagement und Prävention bis hin zur Versorgungsforschung mit dem Ziel einer Verbesserung der Versorgungsqualität von Kindern mit einer ambulant erworbenen Pneumonie.
Die pulmonale Alveolarproteinose (PAP) ist eine Gruppe heterogener, lebensbedrohlicher Erkrankungen der Lunge, bei der es zu einer massiven Anreicherung von Surfacant, einer grenzflächenaktiven Substanz, in den Alveolen kommt. Die erbliche Form der PAP (herPAP) wird durch eine Genmutation (CSF2RA oder CSF2RB) in der α- oder β-Untereinheit des Rezeptors für den Granulozyten-Makrophagen-Kolonie-stimulierenden Faktor (GM-CSF) verursacht. Die dadurch bedingte Störung der GM-CSF abhängigen Reifung und Funktion von Alveolarmakrophagen führt zu einer Akkumulation von Surfactantmaterial in den Alveolen und konsekutiv zu einer Störung des Gasaustausches, die oft bereits im Kindesalter zu lebensbedrohlicher respiratorischer Insuffizienz und teils frühem Tod führt. Häufig treten Symptome der herPAP im Vorschulalter auf, wobei die betroffenen Kinder an fortschreitender Dyspnoe, Husten, Lungeninfektionen und Gedeihstörungen leiden. Die bislang einzige wirksame Behandlung ist die wiederholte Ganzlungenlavage unter Vollnarkose, ein symptomatisches und hoch invasives Verfahren.
Auf der Suche nach neuen therapeutischen Ansätzen untersuchte die Arbeitsgruppe die Eignung einer organotropen Transplantation von myeloiden Vorläuferzellen. Im Mausmodell führten intrapulmonal transplantierte Makrophagen-Vorläufer zu einem selektiven, langfristigen, pulmonalen Anwachsen und Differenzierung in funktionelle Alveolarmakrophagen. Eine einzige Transplantation führte zu einer Verbesserung des herPAP-Phänotyps für mindestens 9 Monate sowie zu einer signifikant reduzierten alveolären Proteinose, normalisierten Lungendichten in der Brustkorb-Computertomographie und verbesserten Lungenfunktion. Diese signifikante und anhaltende Verbesserung von Krankheitssymptomen konnte auch nach intrapulmonaler Transplantation von menschlichen Makrophagenvorläufern im Mausmodell beobachtet werden. Der therapeutische Effekt wurde durch langlebige, lungenresidente Makrophagen vermittelt, die funktionelle und phänotypische Merkmale primärer humaner Alveolarmakrophagen zeigten. Diese vielversprechenden Ergebnisse aus dem Tiermodell lassen darauf schließen, dass eine pulmonale Transplantation von Makrophagen-Vorläufern eine wirksame und lang anhaltende Therapie für Kinder und Erwachsene mit herPAP darstellen könnte und deren Lebensqualität und Lebenserwartung enorm verbessern könnte.
Gemeinsam mit Kooperationspartnern soll dieser neue therapeutische Ansatz in die Klinik gebracht werden. Aktuell wird unter Leitung von Prof. Bruce Trapnell, Cincinnati in Kooperation mit den Antragstellern eine Phase I Studie der intrapulmonalen Zelltherapie bei herPAP vorbereitet, bei der die MHH der einzige europäischer Partner und damit zukünftiger europäischer Standort für die geplante Phase I Studie ist.