Forschung

MHH-Chirurgie testet „natürlichste Form der mechanischen Herzunterstützung“

Weltpremiere: Neues, für Patienten schonenderes System erhält den Pulsschlag.

Dr. Schmack hält den Kunststoffbeutel des reBEAT-Systems in der Hand, während Professor Ruhparwar ein Herzmodell mit einem implantierten, herkömmlichen Linksherzunterstützungssystem zeigt.

Dr. Schmack (links) hält den Kunststoffbeutel des reBEAT-Systems in der Hand, während Professor Ruhparwar (rechts) ein Herzmodell mit einem implantierten, herkömmlichen Linksherzunterstützungssystem zeigt. Copyright: Karin Kaiser / MHH

Auf dem Weg zu einer schonenderen mechanischen Herzunterstützung haben die Herzchirurgischen Kliniken der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) und des Freeman Hospital in Newcastle upon Tyne (Großbritannien) weltweit den ersten fünf Menschen mit fortgeschrittener Herzinsuffizienz ein neuartiges, bahnbrechendes System zur Kreislaufunterstützung kurzzeitig eingesetzt. Bei der reBEAT genannten Herzunterstützungstechnologie handelt es sich um eine Neuentwicklung des Münchener Start up-Unternehmens AdjuCor. Es besteht aus einem extrem dünnen, für jede Herzgröße individuell gefertigten Kunststoffbeutel, der von unten über den Herzmuskel geschoben wird. Der Beutel ist separiert in drei Luftkammern, die sich rhythmisch ausdehnen können und somit Druck von außen auf den geschwächten Herzmuskel ausüben. „Das ist eine Art sanfte, permanente Herzdruckmassage“, erläutert Professor Dr. Arjang Ruhparwar, Direktor der Klinik für Herz-, Thorax-, Transplantations- und Gefäßchirurgie, der mit seinem Team in Hannover dieses System weltweit erstmals einsetzt hat. Die zum Betrieb notwendige Druckluft liefert eine etwa 1,5 Kilogramm leichte, tragbare Pumpe außerhalb des Körpers.

Viele Vorteile: Puls bleibt erhalten bei geringerem Thrombose- sowie Blutungsrisiko

Die Vorteile von reBEAT gegenüber den bislang eingesetzten Linksherzunterstützungssystemen (auch Kunstherzen genannt) – winzige Pumpen, die in die linke Herzkammer chirurgisch eingesetzt werden müssen – sind enorm. „Während Patienten mit den bisherigen Systemen wegen der gleichmäßig laufenden Pumpen keinen Puls mehr haben, bleibt die Pulsatilität bei dem neuen Gerät erhalten“, erläutert Professor Ruhparwar, „zudem kommt es nicht mit dem Blut des Patienten in Berührung. Die Betroffenen müssen keine Medikamente zur Blutverdünnung nehmen, das Thromboserisiko sinkt, und die Funktion der Blutbestandteile bleibt erhalten.“ Ein weiterer Vorteil: Während die mechanischen Pumpen nur in die linke Herzkammer eingesetzt werden können, unterstützt reBEAT von außen beide Kammern. „Für die Betroffenen heißt das, dass ihr Herz weiter schlägt, das System diese Funktion aber maßgeblich unterstützt.“

Ein einfaches und sicheres Verfahren

Zulassungsbehörden in Deutschland und Großbritannien hatten die klinische Machbarkeitsstudie gefordert, in der die Chirurginnen und Chirurgen nachweisen müssen, dass das neue System sowohl sicher eingesetzt werden kann als auch die vorgesehene Funktion aufnimmt. Dafür wird Patienten, die ein herkömmliches Linksherzunterstützungssystem erhalten, während der Operation zuvor für 45 Minuten das neue System implantiert. Zur ersten Operation dieser Art weltweit war auch das Team aus Großbritannien um Professor Stephan Schueler nach Hannover gekommen. Mittlerweile ist reBEAT fünf Mal bei Menschen getestet worden. „Es gab keinerlei Komplikationen, das System hat hervorragend gearbeitet, und alle Patienten sind wohlauf“, sagt PD Dr. Bastian Schmack, Studienleiter von der MHH. Er ist von der Einfachheit und Sicherheit des Verfahrens überzeugt. „reBEAT sehen wir als die derzeit natürlichste Form der mechanischen Herzunterstützung an. Wir müssen nichts mehr in den Herzmuskel implantieren, sondern ziehen den Hightech-Beutel wie eine zweite Haut über das Herz.“ Geplant ist, das neue System später minimal-invasiv einzusetzen. „Für die Patientinnen und Patienten ist das Verfahren wesentlich schonender und wird aller Voraussicht nach zu deutlich kürzeren Erholungszeiten führen. Außerdem können wir mit diesem System auch Patientinnen und Patienten versorgen, für die aus bestimmten Gründen ein klassisches Linksherzunterstützungssystem nicht in Frage kommt.“

Dauerhafter Einsatz ab 2025?

Professor Stephen Wildhirt, CEO der Herstellerfirma AdjuCor, ist stolz auf die Zusammenarbeit mit der MHH und Newcastle. Er betonte die zentrale Rolle der gewonnenen Daten für die weitere Optimierung des Geräts. Die Studie ist noch nicht abgeschlossen, weitere Patienten sollen eingeschlossen werden. Die MHH-Chirurginnen und Chirurgen rechnen damit, dass das System mutmaßlich Anfang 2025 erstmals dauerhafte Anwendung finden wird. „Wir forschen an der MHH seit mehr als zehn Jahren an Systemen zur Herzunterstützung“, betont Professor Ruhparwar In seiner Arbeitsgruppe im Niedersächsischen Zentrum für Biomedizintechnik, Implantatforschung und Entwicklung (NIFE) gleich neben dem MHH-Campus denkt man schon einen Schritt weiter. „Dort forschen wir daran, die pneumatische Kontraktion durch eine elektrische zu ersetzen.“

Autor: Stefan Zorn