Urogynäkologie / Norddtsch. Beckenbodenzentrum
Leitung: Hr. Prof. Dr. med. Hermann Hertel
Plötzlicher Harndrang, Inkontinenz oder Gebärmuttersenkung – jede dritte Frau leidet laut aktueller Studien an mindestens einer dieser Störungen. Viele Frauen glauben, dieser Zustand sei unabwendbar und sie könnten nichts dagegen tun, häufig ist das Thema ein Tabu.
Aufgrund der deutlichen Nachfrage nach Behandlungsoptionen bei Beckenbodenproblemen und der weit reichenden Bedeutung urogynäkologischer Krankheitsbilder für die Gesundheit der Frau, ist es uns ein Anliegen, Sie umfassend und mit besonderer Sorgfalt zu betreuen.
Inhalt
- Termine/Anmeldung
- Unser Aufgabenbereich
- Genitalsenkung/Harninkontinenz
- Leistungen
- Unterstützende Angebote
Unser Aufgabenbereich
Schon im Jahr 2009 haben die Kliniken für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Neurologie, Rehabilitationsmedizin, Urologie und Viszeralchirurgie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) das „Norddeutsche Beckenbodenzentrum“ gegründet. Das Ziel ist es, Beckenbodenprobleme der Frau in einem interdisziplinären Ansatz umfassend zu behandeln.
Die Ursachen für Beckenbodenprobleme sind vielfältig und können konstitutionell, urologisch, gynäkologisch, geburtshilflich, proktologisch und altersbedingte Störungen bzw. Erkrankungen des Beckenbodens umfassen. Sie benötigen eine spezialisierte Diagnostik und Therapie. Die Behandlungsmethoden umfassen viele Möglichkeiten wie zum Beispiel konservative Therapieansätze durch die Klinik für Rehabilitätionsmedizin bis hin zu minimal-invasiven, vaginalen oder proktologischen Operationen. Die systematische Diagnostik gibt betroffenen Frauen Sicherheit. Mit der Kombination aus interdisziplinärer Versorgung und der Anwendung neuester Therapiemöglichkeiten werden auch komplexe Probleme bewältigt werden. Unterstützende Angebote runden unser Behandlungsangebot ab.
Die Gynäkologische Urologie ist ein wichtiger Teilbereich unserer Tätigkeit. Sie umfasst die Behandlung der verschiedenen Inkontinenzformen und der Senkungszustände des inneren Genitales.
Unter Genitalsenkung oder Descensus uteri et vaginae versteht man eine Senkung der inneren weiblichen Genitalorgane im kleinen Becken. Durch deren enge Verbindung mit den benachbarten Organen Blase und Rektum sind diese nahezu immer mitbetroffen. Das Tiefertreten von Uterus und Scheide bis zum Hymenalsaum als Deszensus und Senkungen darüber hinaus als Prolaps bezeichnet.
In den letzten 10 Jahren stieg die ICD-Diagnose Genitalprolaps in deutschen Krankenhäusern stetig an. Deszensus-Operationen sind somit eine der am häufigsten durchgeführten gynäkologischen Operationen.
Der Beckenboden bildet im kleinen Becken einen tragfähigen, unteren Abschluss. Die Beckenorgane werden über bindegewebige und muskuläre Verbindungen mit den Beckenknochen in ihrer physiologischen Lage gehalten, ohne dass dabei ihre Beweglichkeit eingeschränkt wird.
Generell sind Senkungsschäden die Folge eines Ungleichgewichtes zwischen Belastung und Belastbarkeit des Beckenbodens. Meistens handelt es sich um ein multifaktorielles, zeitlich voranschreitendes Geschehen. Wichtigste Risikofaktoren sind: Schwangerschaft durch hormonelle Veränderungen des Beckenbodenbindegewebes, Geburten welche Beckenbodenschwäche bedingen, Traumata mit Muskel-/ Nervenverletzungen durch übermäßige Dehnung/Kompression (z.B. Zangengeburt), Alter durch Östrogenspiegelsenkungen mit Atrophie des Gewebes und die Bindegewebsschwäche als genetisch bedingte Anlage. Alltagsfaktoren sind Übergewicht, chronischer Husten bei Raucherinnen oder Bronchitis, Obstipation, schwere körperliche Arbeit. Häufige Symptome einer Senkung sind: Harnentleerungsstörungen, Druck- oder Schweregefühl im Unterleib, ziehende Unterbauch- und Rückenschmerzen, Aufwölbungsgefühl in der Scheide, Obstipation, Harninkontinenz, Entzündungen. Diese vielseitige Symptomatik schränkt die Betroffenen teilweise erheblich sowohl körperlich als auch psychosozial ein.
Ein weiterer Hauptbereich der Urogynäkologie ist die Harninkontinenz. Das Thema wird leider von den Betroffenen viel zu oft verschwiegen. Geringere Probleme werden verschwiegen, schwerere Ausprägungen leider aus Scham tabuisiert.
Dies führt mehr und mehr zu Einschränkungen im alltäglichen Leben, Verzicht auf körperliche Betätigung und Aufgabe von Hobbys. Jedoch ist nach entsprechender Diagnostik eine deutliche Linderung der Beschwerden möglich und damit ein deutlicher Gewinn an Lebensqualität. Wir unterscheiden grundsätzlich zwei Inkontinenzformen, die am häufigsten sind. Bei der „überaktiven Blase“ (Synonym: Reizblase, Drangblase, Urgeinkontinenz, OAB; overactive bladder) verspüren die Patientinnen starken Harndrang mit häufigen Toilettengängen zur Nacht und am Tage mit nur geringen Urinmengen oder sie verlieren nach kurzen heftigen Drang ungewollt und unaufhaltbar Urin. Die Ursache liegt in einem überaktiven Blasenmuskel, der Drang verursacht und sich ggf. unabhängig vom Willen der Patientinnen zusammenzieht und den Urin aus der Blase entleert. Die Lebensqualität ist erheblich eingeschränkt, eine Verringerung der Trinkmengen verstärkt die Symptome zusätzlich.
Die Belastungsinkontinenz ist die zweithäufigste Inkontinenzart. Hierbei kommt es bei körperlicher Belastung wie Husten, Lachen, Niesen, Heben zu Urinabgängen. Die Ursache liegt in einem schwachen Blasenverschlussmuskel um die Harnröhre. Ausschlaggebend können Geburten, Bindegewebsschwäche, Übergewicht, chronische Lungenerkrankungen und Hormonmangel sein.
Wir bieten Ihnen ein breites Spektrum an innovativen und bewährten Untersuchungs- und Behandlungsverfahren für Genitalsenkung und/oder Harninkontinenz an
Ob Inkontinenz oder Senkungsbeschwerden, oft gibt es Übergänge und Gemeinsamkeiten bei den Beschwerden und Diagnosen, so dass unser diagnostisches Spektrum zunächst der Erfassung des gesamten urogynäkologischen Status dient.
Das diagnostische Spektrum der Urogynäkologie bei Senkungs- und Inkontinenzbeschwerden umfasst:
- Inkontinenzfragebogen,
- Miktionsprotokoll,
- gynäkologischen Status,
- Beckenbodenbeurteilung,
- Urogenital- und Perinealsonographie,
- Urethrozystoskopie,
- Urodynamik mit Zystotonometrie,
- Urethradruckprofil und Uroflow
Nach ausführlichem Gespräch, Untersuchung und Diagnostik steht uns ein breites konservatives, aber auch operatives Behandlungsspektrum zur Verfügung.
Das therapeutische Spektrum der Deszensusbehandlung:
Zunächst konservative Therapie bei beginnendem Descensus:
- Biofeedback,
- Elektrostimulation,
- Beckenbodenschulung in enger Zusammenarbeit mit der Klinik für Rehabilitationsmedizin,
- vaginale Rekonstruktionen bei Zystocele/Blasensenkung (zentraler Defekt) und/oder Rektocele/hintere Senkung,
- vaginale Sacrokolporektopexie (vaginale Fixation bei Uterus- und/oder Scheidensenkung) als schonende OP Methode, auch in Spinalanästhäsie (Abb.:2),
- die vaginale Uterosakropexie (Gebärmuttererhalt bei Gebärmuttersenkung) und
- laparoskopisches laterales repair ohne die Scheide von vaginal zu tangieren (Scheidenfixation minimalinvasiv bei seitlichem Scheidenausriss/Zystocele/Blasensenkung/lateraler Defekt (Abb.:3)), hier auch mit Hilfe des da Vinci OP-Roboter-Systems.
Mit einem stabilen Faden wird das Scheidenende (oder die Gebärmutter) in Richtung Kreuzbein fixiert. Bauchspiegelung oder Leibschnitt sind nicht nötig, Netze werden nicht eingesetzt.
Das therapeutische Spektrum bei Inkontinenz:
Bei beginnender Inkontinenz halten wir folgende intensive konservative Therapien vor:
- Biofeedback,
- Elektrostimulation,
- Beckenbodenschulung in Zusammenarbeit mit der Klinik für Rehabilitationsmedizin,
- spannungsfreie Polypropylenebänder (TVT-Band, retropubisch), auch in Spinalanästhäsie und die
- Kolposuspension nach BURCH (laparoskopisch, offen chirurgisch) insbesondere in der Rezidivsituation oder bei jüngeren Patientinnen, hier mit Hilfe des da Vinci OP-Roboter-Systems (Abb.: 3/4).
- Alternativ kommt die minimalinvasive Umspritzung der Harnröhre mit einem speziellen Kunststoffdepot in Frage. Dies bietet sich an, wenn eine Narkose nicht in Frage kommt, ein größerer Eingriff vermieden werden soll oder in der Rezidivsituation bei mehrfachen Vortherapien.
Für die Dranginkontinez ist die medikamentöse, neben der Physiotherapie, die führende Behandlungsmethode.