Unsere Forschungslabore
Onkologische Grundlagenforschung
„Translationale Medizin“ oder „molekulare Medizin“ sind die Begriffe, die die Aktivitäten im uro-onkologischen Forschungsbereich am besten umschreiben. Dabei steht der Wunsch im Vordergrund, zukünftig molekulare Informationen in klinisch-onkologische Entscheidungsprozesse einbinden zu können. So sind die Verbesserung der Tumorentdeckung (Diagnose), eine optimierte Vorhersage des individuellen Krankheitsverlaufs (Prognose) und schließlich ein möglichst präzise Einschätzung des Therapieansprechens Ziele unserer Forschungsanstrengungen.
Die Grundlage dafür stellt der enorme Zuwachs an molekularen Informationen aus verschiedenen genomweiten, das heißt die gesamte Erbinformation des Menschen umfassenden Analysen dar. Diese erlauben heute eine verfeinerte Beschreibung der molekularen Veränderungen in humanen Tumoren und speziell auch der für die Urologie wichtigen Prostata-, Harnblasen- und Nierenzellkarzinome.
Die Kenntnis von Veränderungen von Gensequenzen, die zur Produktion fehlerhafter Proteine führt, stellt einen wichtigen Bereich in der molekularen Onkologie dar. In jüngster Zeit findet man aber auch zunehmend Veränderungen, die die korrekte Regulation der Herstellung an sich richtiger Proteine betreffen. Hierbei kann es trotz intakter Gensequenzen, nicht zur Produktion einer ausreichenden Menge des jeweiligen Proteins und damit zu Funktionsverlusten kommen.Die Ausbildung von Tumorerkrankungen stellt vereinfachend ausgedrückt die Konsequenz solcher und anderer molekularer Abweichungen dar. Insgesamt nehmen diese wahrscheinlich in Art, Umfang und zeitlicher Abfolge eine für spezifische Tumore charakteristische Ausprägung an und könnten somit die Basis für eine zukünftige personalisierte Uro-onkologie darstellen.
Die uro-onkologische Arbeitsgruppe befasst sich im Schwerpunkt damit, Informationen über eine veränderte Steuerung der Genexpression, im Fachjargon als "Epigenetik" bezeichnet, in urologischen Tumoren zu erfassen und auf ihren tranlationalen Nutzen hin zu überprüfen.
„Epigenetik“ ist ein Sammelbegriff, der all diejenigen Vorgänge einschließt, die es Körperzellen ermöglichen auf äußerliche, also z.B. Umwelteinflüsse zu reagieren. Eine solche Reaktion einer Zelle kann z.B. in einer veränderte Ablesung der Erbsubstanz und Umsetzung (Genexpression) in die Proteinprodukte bestehen. Interessanterweise kann ein neues Ableseprogramm auf Tochterzellen weitergegeben, also innerhalb eines Gewebes vererbt werden, aber auch bei Bedarf rückgängig gemacht werden. Die Weitergabe der Information des Ablese und Umsetzungsprogramms wird dabei auch mittels chemischer Markierung der DNA gewährleistet, die durch das Anheften kleiner Molekülgruppen, den sog. Methylresten erfolgt. Diese Methylierung findet in der Regel an bestimmten Markierungsstellen statt und kann dann die Expression des betroffenen Gens beeinflussen.
Ein gutes Beispiel für die Wichtigkeit epigenetischer Prozesse in der Biologie lässt sich an Hand von Honigbienen anführen. So verursacht die Umstellung der Ernährung von Bienenlarven auf „Gele royal“ bekanntermaßen das Heranwachsen von Bienenköniginnen an Stelle der bei normaler Ernährung entstehenden Arbeiterinnen. Der Ausgangsorganismus ist in beiden Fällen genetisch d.h. in Bezug auf die Erbinformation die als Sequenz in der DNA festgeschrieben ähnlich, trotzdem kann ein Organismus mit auffällig unterschiedlicher Erscheinung und Fähigkeiten, die dieser zudem bis zu seinem Tod aufrecht erhalten kann, erzeugt werden. Wie man heute weiß, sind hierfür die von außen durch die spezifische Ernährung verursachten epigenetischen Veränderungen verantwortlich.
Was kann die Epigenetik für die Uro-Onkologie leisten?
Für die Tumorbiologie war es von höchstem Interesse als eine Vielzahl von Studien in den letzten Jahren nachweisen konnte, dass neben genetischen Änderungen, wie z.B. den Genmutationen sehr oft auch epigenetische Änderungen in Tumorzellen nachweisbar sind. Nachfolgende Arbeiten haben dann gezeigt, dass auch Prostata-, Nierenzell- und Harnblasenkarzinome solche Veränderungen mit großer Häufigkeit zeigen.
Eine zentrale Frage für die translationale Forschung ist nun, ob epigenetische Markierungen in nutzbare Informationen für den Patienten übersetzt werden können (translationale Medizin) und somit in der Zukunft zur Verbesserung von Diagnose, Prognose oder dem Therapieansprechen beitragen könnte.
Die uro-onkologische Forschung hat auf der Grundlage von genomweiten Datenbankvergleichen sowie der Messung an Tumorzellen und -geweben eine Reihe von epigenetischen Markierungen mit möglicher Bedeutung für urologische Tumore identifizieren können. Erste Ergebnisse dieser aktuellen Untersuchungsreihen wurden kürzlich publiziert oder befinden sich noch im Publikationsverfahren.
Aus Vergleichen von epigenetischen Messungen aus Tumorgeweben und dem klinischen Verlauf der betroffenen Patienten lässt sich beispielsweise schon jetzt ableiten, dass der Nachweis bestimmter Methylierungsveränderungen eine sehr vielversprechende Möglichkeit darstellen könnte, die Prognose von Patienten mit Nierenzellkarzinomen einzuschätzen. Vor einer möglichen klinischen Anwendung wird es aber notwendig sein, unabhängige Daten in sogenannten prospektiven Studien und in Zusammenarbeit mit anderen medizinischen Zentren zu erheben.
Weitere aktuelle Projekte beinhalten die Erfassung gleich mehrerer DNA-Methylierungsmarker, die zusammengefasst sogenannte Methylierungsprofile darstellen. Diese sollen anhand von Zellmaterial, das Urinproben isoliert wird, erfasst werden. Ziel dieser Untersuchungen ist es, zu überprüfen, ob die Erstellung von Methylierungsprofilen aus nicht invasivem Probenmaterial eine verbesserte diagnostische bzw. prognostische Beurteilung von Harnblasen- sowie Prostatakarzinomen erlauben könnte.
In der uro-onkologischen Forschung wird auch die Frage verfolgt, ob epigenetische Veränderungen in Form von DNA-Methylierungen messbar das Risiko für eine Tumorerkrankung erhöhen könnten.
Interessanterweise konnte unsere Arbeitsgruppe kürzlich zum ersten Mal für solide Tumore überhaupt ein epigenetisches Tumorrisiko messen. So konnten wir zeigen, dass die Methylierung in einem bestimmten Abschnitt des SFRP1-Gens statistisch mit einem deutlich erhöhten Risiko für die Ausbildung eines Nierenzellkarzinoms verbunden ist.
Abgesehen von der Bedeutung für das grundlegende tumorbiologische Verständnis der Krebsentstehung, könnte somit die Identifizierung und größenmäßige Erfassung des epigenetischen Risikobeitrags die Grundlage einer zukünftigen individuellen Tumorrisikovorhersage darstellen.
Der Frage, ob bestimmte Genvarianten - also Veränderungen in der DNA Sequenz des Menschen - mit einem erhöhten Risiko an einem Prostatakarzinom zu erkranken, verknüpft sind, wird oft in großangelegten internationalen Studienkonsortien nachgegangen.
Die urologisch-onkologische Arbeitsgruppe hat bislang an zwei Großstudien, die die Untersuchung von über 50.000 Personen beinhalteten, teilgenommen und so an der Identifizierung mehrerer, bisher unbekannter Sequenzorte mit Bedeutung für die Ausbildung des Prostatakarzinoms mitgewirkt.
Die in der uro-onkologischen Forschung verfügbaren modernen Analyseverfahren ermöglichen es aus verschiedenen Untersuchungsmaterialien Information über Veränderungen der Genexpression, der DNA-Methylierung sowie dem Nachweis von Sequenzänderungen der Erbsubstanz zu erhalten.
Isolierung von Probenmaterialien
Robotter-basierte automatisierte Isolierung von DNA aus Frischgewebeproben, Archivmaterialien sowie Körperflüssigkeiten.
Automatisierung der Messverfahren
Robotter-gestützte Vorbereitung von Sequenzvervielfältigungsreaktionen (Polymerasekettenreaktion, PCR) im Hochdurchsatzverfahren.
Messung der Genexpression
PCR-, Westernblotting- und Doppelimmunfloureszensverfahren
Methylierungsanalysen
DNA-Methylierungsanalysen mit Hilfe von Pyrosequenzierungen, quantitativen Real time PCRs im Hochdurchsatzformat oder Ultra-deep Bisulfitsequenzierung mit Nächstgenerations-Hochdurchsatzsequenzierern.
Funktionelle Analysen
Echtzeiterfassung von genspezifisch vermittelten Funktionsänderungen durch Messung des Wachstums-, Mobilitäts- und Invasionsverhaltens urologischer Tumorzellen durch eine spezifische Manipulation der Genexpression.
Physiologisch-Pharmakologische Grundlagenforschung
Wir betreiben Grundlagenforschung mit dem Ziel der Charakterisierung von Signalübertragungswegen und zellulären Rezeptoren, die die normale Funktion der Organe des unteren Harntrakts (Harnblase, Prostata, Harnröhre) und wesentlicher anatomischer Strukturen des männlichen und weiblichen Reproduktionsapparats (Penis, Samenblasen, Vagina, Clitoris) kontrollieren.
Diese Arbeiten ermöglichen die Identifizierung neuer Strategien und Wirkstoffe zur Behandlung von Erkrankungen des unteren Harntrakts (überaktive Blase, Benigne Prostatahyperplasie, Lower Urinary Tract Symptomatology) und sexueller Funktionsstörungen des Mannes und der Frau (Erektile Dysfunktion, Ejaculatio praecox, Female Sexual Dysfunction). Mögliche Ziele einer pharmakologischen Beeinflussung sind intrazelluläre Proteine (z.B. Enzyme wie die Fatty Acid Amide Hydrolase (FAAH) oder die Gruppe der Phosphodiesterasen), Membrankanäle wie der Transient Receptor Potential Cationic Channel A1 (TRPA1) und endogene (körpereigene) Peptide (vasoaktives intestinales Polypeptid, C-Typ Natriuretisches Peptid, Calcitonin Gene-related Peptide).
Zum Spektrum der verwendeten Methoden zählen molekularbiologische Protokolle (Real Time Polymerase Chain Reaction), Immunhistochemie, radioimmunometrische Verfahren (RIA) und Experimente mit isolierter glatter Muskulatur der Harnblase, Prostata, Harnröhre (Urethra) und Samenblasen und sowie des Corpus cavernosum penis. Die Projektarbeiten werden in Kooperation mit dem Institut für Biochemische Forschung & Analytik (IBFA, Barsinghausen), dem Urological Research Institute der Katholischen Universität Vita Salute San Raffaele (Mailand, Italien) und der Abteilung Klinische Pharmakologie der Universität Linköping (Schweden) durchgeführt.