Perkutane Collagentherapie zur Behandlung komplexer Narben

Chirurg mit Mikroskop schaut in den Spiegel
Copyright: Martin Bargiel

Zur Behandlung von sonnengealteter, runzliger Haut oder zur Behandlung störender Narben (z. B. Schwangerschaftstreifen oder Verbrennungsnarben), gelten die Gewebeablation (Laser-Resurfacing, Dermabrasion) oder chemische Peelings als Methoden der Wahl. Jedoch handelt es sich bei ablativen chirurgischen Verfahren oder den Peelings um abtragende oder „abschleifende“ Verfahren, die die Oberhaut verletzen und die Basalmembran der Haut schädigen können. Durch die entstandene oberflächliche Wunde wird die Wundheilungskaskade induziert. Nacheinander, aber auch überlappend werden eine Exudations- (Entzündungs-) phase, Granulations- (Proliferation) und Epithelisierungsphase durchlaufen. Die durch die Gewebeablation induzierte Entzündung stimuliert bestimmte Hautzellen (Fibroblasten) zur Produktion von Narbenkollagen anstelle einer normalen Haut (Kollagen-Elastin-Matrix). Durch die daraus resultierende Narbe in der Lederhaut kommt es zur Hautstraffung oder Narbenglättung. Histologisch betrachtet ist die regenerierte Oberhaut jedoch ausgedünnt und die Verbindeschicht zwischen Oberhaut und Lederhaut abgeflacht. Die Haut wird anfälliger gegenüber UV-Strahlen und gerade bei dunkleren Hauttypen besteht eine höhere Gefahr von Pigmentverschiebungen. Als größter Nachteil ist jedoch die Gefahr einer erneuten Narbenbildung zu nennen.
Die ideale Therapie jeglicher Art von Falten oder Narben sollte daher die Selbsterneuerung der Haut durch regenerierende Botenstoffe steigern, ohne dabei die Haut signifikant zu verletzen. Vor kurzem wurde im Labor für experimentelle Plastische Chirurgie in der Medizinischen Hochschule Hannover nachgewiesen, dass die perkutane Kollageninduktions¬therapie oder Mikronadel-Methode uns diesem Ideal näher bringt.

 

Indikationen:

  • Falten
  • Sonnengeschädigte Haut
  • Schwangerschaftsstreifen
  • Narben
  • Verbrennungsnarben

 

Technik

Die natürliche Entzündungsreaktion in der Haut wird durch einen mit 3 mm langen Nadeln besetzten Roller induziert. Während der Operation fährt der Plastische Chirurg mit dem Instrument unter kontrolliertem Druck vertikal, horizontal und diagonal über die Haut des zu behandelnden Areals. Die Nadelstiche erzeugen Tausende von Mikrowunden in der Lederhaut und regen so Hautzellen (Fibroblasten) zur Kollagenproduktion an. Das Medical Needling kann an allen Körperregionen und bei allen Hauttypen angewandt werden. Der Eingriff kann entweder unter Lokalanästhesie oder in Kurznarkose durchgeführt werden.

 

Vorgehen nach der Operation

Direkt nach der perkutanen Kollageninduktion ist das behandelte Gebiet geschwollen und wie bei einem blauen Fleck verfärbt. Nach wenigen Minuten ist die Blutung spontan gestoppt. Über die Stichkanäle sondert die Haut binnen der ersten Stunden Wundflüssigkeit ab. In der Zeit sollten feuchte Kompressen auf die Haut gelegt werden, um eine Krustenbildung zu vermeiden. Ca. eine Stunde nach der Operation wird die Haut mit einer antiseptische Waschlotion gereinigt. Bewährt hat sich hier Teebaumöl-Waschgel. Um eine Maximierung der Kollagenproduktion und die Freisetzung von Wachstumsfaktoren zu initiieren, empfehlen wir eine lokale Vitamin A- und Vitamin C-Therapie. Der Eingriff ist für den Patienten äußerst schmerzarm. Nach ca. einer Woche ist die Schwellung kaum noch zu sehen.

 

Vorteile/Nachteile

Ein Vorteil des Medical Needlings liegt darin, dass die Patienten, nachdem lediglich die Oberhaut und die Basalmembran durchstochen werden, schon nach wenigen Stunden wieder geschlossene Wundverhältnisse aufweisen. Dies minimiert das Risiko einer Infektion und verkürzt die Heilungsphase erheblich. Dadurch ist der Eingriff oft ambulant durchführbar. Dies ist, insbesondere bei Patienten die traumatische Erlebnisse ihrer Verbrennung mit dem Krankenhaus assoziieren, von Vorteil. Nicht zuletzt werden hierdurch auch die sozioökonomischen Aspekte wie geringe Behandlungskosten erreicht. Im Vergleich zu den anderen oben erwähnten Verfahren, ist die sogenannte Rekonvaleszenz des Patienten äußerst gering. In Laborversuchen konnte nachgewiesen werden, dass direkt nach der Operation ein Gewebestoff (TGF β 3) freigesetzt wird, welcher zur narbenfreien Abheilung der Haut führt. Nachdem die auf der Basalmembran verankerten Zellen, die für die Pigmentierung der Haut verantwortlich sind (Melanozyten), nicht verletzt werden, besteht kein Risiko einer postoperativen Pigmentverschiebung. Daher gilt das Minimieren des Risikos einer erneuten Narbentriggerung als einer der wichtigsten erzielten klinischen Vorteile. Nach dem Medical Needling werden in den ersten Monaten nach der Operation bestimmte, körpereigene Wachstumsfaktoren freigesetzt, die zu einer Regeneration der Oberhaut und Lederhaut führen. Als Nachteil gilt, dass die Operationen nur unter Anästhesie durchführbar sind und sich die Schwellung in den ersten vier bis sieben Tagen nach dem Eingriff als erheblich darstellt.
Nach entsprechender Begutachtung durch die gesetzlichen Krankenkassen können die Kosten des Medical Needlings zur Behandlung von Verbrennungsnarben übernommen werden.