Verbrennungschirurgie
Die MHH als Klinik der Supramaximalversorgung stellt auch die regionale und überregionale Versorgung schwerbrandverletzter Patienten im Raum Niedersachsen und Norddeutschland sicher. Auf unserer Intensivstation für Schwerbrandverletzte, die nach den modernsten Standards neu eingerichtet wurde, stehen sechs Betten mit Beatmungsmöglichkeit zur Verfügung (Abbildung 1, Patientenzimmer). Zur optimalen Versorgung steht außerdem ein direkt angeschlossener Erstversorgungsraum (Schockraum) zur Verfügung, wo Basismaßnahmen der Erstversorgung unter spezieller Berücksichtigung einzelner Aspekte des schweren Krankheitsbildes (Anhebung der Umgebungstemperatur, Luftfeuchtigkeit zur Verhinderung der Auskühlung des Patienten, Spezialwanne zur keimfreien, schonenden Hydrotherapie, voll ausgerüsteter Anästhesie-Arbeitsplatz mit Narkosemöglichkeit, Patientenlifter zur schonenden Umlagerung etc.) durchgeführt werden können.
Neben Verbrennungen werden Elektrounfälle, Chemieunfälle sowie lebensbedrohende Erkrankungen der Haut wie z.B. die toxisch-epidermale Nekrolyse (TEN), nekrotisierende Fasziitiden (z.B. Fournier-Gangrän) in dem Brandverletztenzentrums der MHH behandelt.
Versorgung Schwerbrandverletzter
Verbrennungen zählen zu den schwersten Verletzungen, die einen Menschen treffen können.
Durch die großflächige Hautzerstörung wird zum einen die gesamte biologische Balance des Organismus gestört, zum anderen führen ausgedehnte Narbenbildungen zu sichtbaren Entstellungen.
Daher sollten brandverletzte Patientinnen und Patienten aller Alterstufen für eine optimale Behandlung in einem Zentrum für Brandverletzungen vorgestellt werden. Mit der dort vorhandenen fachärztlichen und pflegerischen Expertise, hochmoderner Ausstattung, Technik, Intensivmedizin und allen Möglichkeiten zum Hautersatz ist es möglich, die Folgen schwerer Verbrennungen zu mildern und bestmögliche funktionelle und kosmetische Ergebnisse zu erzielen.
Indikationen zur Verlegung in ein Brandverletztenzentrum nach den international vereinbarten Kriterien (entsprechend auch den Leitlinien der DGV)
- Alle Patienten mit Verbrennungen an Gesicht/Hals, Händen, Füßen, Anogenitalregion, Achselhöhlen, Bereichen über großen Gelenken oder an sonstiger komplizierter Lokalisation
- Patienten mit >15% zweitgradig verbrannter Körperoberfläche
- Patienten mit >10% drittgradig verbrannter Körperoberfläche
- Patienten mit mechanischen Begleitverletzungen
- Alle Patienten mit Inhalationsschaden
- Patienten mit Vorerkrankungen oder Alter <8 Jahren oder >60 Jahren
- Alle Patienten mit elektrischen Verletzungen
Brandverletztenzentrum
Bereits zu Beginn ist die richtige Einschätzung des Ausmaßes der Brandverletzung Voraussetzung für die erfolgreiche Behandlung. Brandverletztenzentren verfügen über einen klimatisierten Schockraum, in dem eine aseptische (keimfreie) Erstversorgung durchgeführt wird.
Die korrekte Einschätzung der Verbrennungstiefe entscheidet über die weitere Behandlung, insbesondere ob operiert werden muss um die verbrannte Haut zu entfernen und durch Hauttransplantate zu ersetzen. In der akuten Frühphase ist eine Intensivtherapie zur Erhaltung der Vitalfunktionen erforderlich, vor allem aber zum Ersatz der enormen Flüssigkeitsverluste.
Nach Stabilisierung werden dann phasengerecht Operationen durchgeführt, um Haut zu ersetzen um ein möglichst optimales Ergebnis zu erzielen.
Eine qualifizierte Rehabilitionsbehandlung ist unerlässlich für die Wiedererlangung der Körperfunktion, vor allem aber für die Wiederherstellung des seelischen Gleichgewichtes. Hierzu arbeiten wir eng mit spezialisierten Rehabilitationseinrichtungen zusammen. Bereits dort kann dann auch über weiterführende Maßnahmen, wie zum Beispiel notwendige plastisch-chirurgische Korrekturoperationen, entschieden werden.
Höchste Behandlungsstandards sowie eine frühzeitige Umsetzung verbessernder Forschungsergebnisse zeichnen unser Brandverletztenzentrum aus.
So führten wir weltweit erstmals die medizinische Mikronadeltherapie zur Verbesserung von Verbrennungsnarben ein und arbeiten weiter stetig an verbessertem Hautersatz zur Milderung von Folgeerscheinungen bei Brandverletzungen.
Die European Burns Association hat das Brandverletztenzentrum der MHH aufgrund der anerkannt hohen Behandlungsstandards und Forschungsleistungen als eines der ersten in Europa zertifiziert.
Hauttransplantationen
Oberflächliche Verbrennungen mit Blasenbildung heilen bei fachgerechter Behandlung spontan ab und hinterlassen meistens keine sichtbaren Narben. Ein Ziel der Behandlung ist es, ein sogenanntes Nachtiefen mit ausbleibender Selbstheilung zu verhindern. Dazu wird eine intensive keimfreie Wundbehandlung mittels spezieller Gele, Fremdhaut oder Membranen durchgeführt.
Sind die Verbrennungen tiefer oder sind sie nachgetieft (tief 2.gradig oder 3.gradig), d.h. ist eine spontane Eigenheilung durch Regeneration der Oberhaut (Epidermis) nicht mehr möglich, muss eine Hauttransplantation durchgeführt werden. Diese erfolgt in der Regel aus körpereigenen Entnahmen, z.B. vom Oberschenkel. Dazu werden dünne Schichten aus dem Spende-Areal entnommen und auf die gereinigten Verbrennungsareale verpflanzt. Die Entnahmestellen heilen innerhalb von 10 Tagen ab.
Wichtig ist eine qualifizierte Pflege und rückfettende Salbenbehandlung von Transplantaten wie Entnahmezonen.
Hautersatz
Steht bei ausgedehnen Verbrennungen nicht ausreichend patienteneigene Spendehaut zur Verfügung, muss auf die Verwendung von Hautersatz zurückgegiffen werden.
Man unterscheidet zwischen temporärem und dauerhaftem Hautersatz. Temporäre Materialien bestehen aus biologischem oder synthetischem Material und werden nur überbrückend verwendet. Alleine biologischer und dauerhaft in den Körper integrierter Hautersatz vermag die speziellen Eigenschaften menschlicher Haut (Sensibilität, Elastizitätät, Textur etc.) zu ersetzen. Wir arbeiten selbst wissenschaftlich intensiv an diesen Fragestellungen.
Nachsorge
Eine tiefe Verbrennungswunde heilt leider nie ohne Narbenbildung ab. Dieses kann zu funktionellen oder ästhetischen Problemen führen. Die Narben können farblich auffällig, erhaben sein (hypertroph) oder als Narbenstränge imponieren. Die Pflege der Haut mit Salben sowie das Tragen von Kompressionswäsche und silikonhaltigen Auflagen sind konservative Behandlungsmaßnahmen zur Vermindung oder Besserung von Narben.
In der Verbrennungsnachsorgesprechstunde werden alle Patienten (Erwachsene und Kinder), die eine Verbrennung erlitten haben nachbehandelt. In dieser Spezialsprechstunde werden in Zusammenarbeit mit dem Patienten Möglichkeiten für die konservative und operative Behandlung ihrer Narben eingehend besprochen und ggf. festgelegt. In aller Regel sind mehrfache Vorstellungen notwendig.
Viele der Verbrennungsnarben können durch spezielle plastisch-chirurgische Operationstechniken verbessert werden. Zu den operativen Therapieverfahren gehören die Exzision, d.h. das Ausschneiden der Narbe (ggf mehrfach als sogenannte serielle Ausschneidung notwendig), die Hautexpanderbehandlung, Z-Plastiken, der Gewebetransfer und das Medical needling.
Korrektur von Verbrennungsfolgen
Brandverletzte Patienten sind nach ausgedehnten Verbrennungen aufgrund der flächenhaften Ausdehnungen, ästhetischen Entstellungen an sichtbaren Körperpartien und funktionellen Einschränkungen betroffen.
Korrekturen können entweder unter alleiniger Anwendung konservativer Verfahren, Operationen oder Kombinationen aus beiden erfolgen.
Während konservative Therapien in der Regel möglichst frühzeitig angewendet werden sollten, gilt für operative Verfahren, diese erst nach Narbenausreifung durchzuführen. Ausnahmen sind besonders starke funktionelle Behinderungen, die auch frühzeitige chirurgische Interventionen rechtfertigen.
Starke Narbenbildungen können, besonders im Kindes- und Adoleszentenalter, Wachstums- und Entwicklungsstörungen herbeiführen, sodass hier eine frühzeitige Vorstellung beim Plastischen Chirurgen mit der Frage korrigierender Eingriffe zu empfehlen ist.
Narbenbehandlung
Die Wundheilung und damit die Narbenbildung ist individuell und von den Voraussetzungen abhängig, in der die Entwicklung der Wundheilung zur narbigen Abheilung entsteht. Beispielsweise sind Erkrankungen wie Diabetes, das Rauchen (verschlechterte Durchblutung der Wundränder) oder eine Cortisontherapie ungünstig für eine komplikationslose und rasche Narbenbildung. Weiterhin können Wunden, die unter Spannung vernäht werden in der Narbenheilung zu verbreiterten Narben führen. Neueste Studien konnten u. a. einen genetischen Defekt in der Narbenbildung nachweisen, wobei "weiches" Kollagen (Bindegewebe) nicht zum definitiven "harten" Kollagen umgewandelt werden kann.
Wir empfehlen die Narbenkorrektur frühestens nach etwa einem Jahr nach Verletzung oder Naht. Es wird jedoch in jedem Fall individuell mit dem Patienten entschieden, ob und wann der richtige Zeitpunkt zur Narbenkorrektur erreicht ist. Eine Operation ist zu vermeiden, wenn die Narbenbildung noch nicht abgeschlossen ist, was beispielsweise durch eine gerötete Narbe erkennbar ist. Bei wuchernden Narben ist zunächst eine konservative Therapie mittels spezieller Verbände oder Injectionen (Volon A) in das Narbenareal sinnvoll.
Eine Operation kann je nach Lokalisation und Ausdehnung der Narbe in lokaler Betäubung oder in Vollnarkose durchgeführt werden. In jedem Fall sollte die Narbe komplett ausgeschnitten werden. In der Regel kann danach ein direkter Wundverschluss spannungsfrei erreicht werden. In Einzelfällen sind lokale Hautplastiken oder Voroperationen (Expander) notwendig, um den Defekt zu verschließen.
Eine große Bedeutung hat die Technik des Medical Needling erlangt, mit der über eine schonende und nur minimal traumatisierende Technik oft eindrückliche Verbesserungen des Narbenbildes erzielbar sind. Zu dieser Methode, die wir als erste in die Behandlung komplizierter Narben anhand von gründlichen Forschungen eingeführt haben, können Sie sich hier informieren: "Therapie von hypertrophen Narben und Keloiden"
Wir beraten Sie gerne ausführlich und entwickeln mit Ihnen ein Konzept zur sinnvollen Therapie Ihrer Narben.
Zur Behandlung von sonnengealteter, runzliger Haut oder zur Behandlung störender Narben (z. B. Schwangerschaftstreifen oder Verbrennungsnarben), gelten die Gewebeablation (Laser-Resurfacing, Dermabrasion) oder chemische Peelings als Methoden der Wahl. Jedoch handelt es sich bei ablativen chirurgischen Verfahren oder den Peelings um abtragende oder „abschleifende“ Verfahren, die die Oberhaut verletzen und die Basalmembran der Haut schädigen können. Durch die entstandene oberflächliche Wunde wird die Wundheilungskaskade induziert. Nacheinander, aber auch überlappend werden eine Exudations- (Entzündungs-) phase, Granulations- (Proliferation) und Epithelisierungsphase durchlaufen. Die durch die Gewebeablation induzierte Entzündung stimuliert bestimmte Hautzellen (Fibroblasten) zur Produktion von Narbenkollagen anstelle einer normalen Haut (Kollagen-Elastin-Matrix). Durch die daraus resultierende Narbe in der Lederhaut kommt es zur Hautstraffung oder Narbenglättung. Histologisch betrachtet ist die regenerierte Oberhaut jedoch ausgedünnt und die Verbindeschicht zwischen Oberhaut und Lederhaut abgeflacht. Die Haut wird anfälliger gegenüber UV-Strahlen und gerade bei dunkleren Hauttypen besteht eine höhere Gefahr von Pigmentverschiebungen. Als größter Nachteil ist jedoch die Gefahr einer erneuten Narbenbildung zu nennen.
Die ideale Therapie jeglicher Art von Falten oder Narben sollte daher die Selbsterneuerung der Haut durch regenerierende Botenstoffe steigern, ohne dabei die Haut signifikant zu verletzen. Vor kurzem wurde im Labor für experimentelle Plastische Chirurgie in der Medizinischen Hochschule Hannover nachgewiesen, dass die perkutane Kollageninduktions¬therapie oder Mikronadel-Methode uns diesem Ideal näher bringt.
Indikationen:
- Falten
- Sonnengeschädigte Haut
- Schwangerschaftsstreifen
- Narben
- Verbrennungsnarben
Technik
Die natürliche Entzündungsreaktion in der Haut wird durch einen mit 3 mm langen Nadeln besetzten Roller induziert. Während der Operation fährt der Plastische Chirurg mit dem Instrument unter kontrolliertem Druck vertikal, horizontal und diagonal über die Haut des zu behandelnden Areals. Die Nadelstiche erzeugen Tausende von Mikrowunden in der Lederhaut und regen so Hautzellen (Fibroblasten) zur Kollagenproduktion an. Das Medical Needling kann an allen Körperregionen und bei allen Hauttypen angewandt werden. Der Eingriff kann entweder unter Lokalanästhesie oder in Kurznarkose durchgeführt werden.
Vorgehen nach der Operation
Direkt nach der perkutanen Kollageninduktion ist das behandelte Gebiet geschwollen und wie bei einem blauen Fleck verfärbt. Nach wenigen Minuten ist die Blutung spontan gestoppt. Über die Stichkanäle sondert die Haut binnen der ersten Stunden Wundflüssigkeit ab. In der Zeit sollten feuchte Kompressen auf die Haut gelegt werden, um eine Krustenbildung zu vermeiden. Ca. eine Stunde nach der Operation wird die Haut mit einer antiseptische Waschlotion gereinigt. Bewährt hat sich hier Teebaumöl-Waschgel. Um eine Maximierung der Kollagenproduktion und die Freisetzung von Wachstumsfaktoren zu initiieren, empfehlen wir eine lokale Vitamin A- und Vitamin C-Therapie. Der Eingriff ist für den Patienten äußerst schmerzarm. Nach ca. einer Woche ist die Schwellung kaum noch zu sehen.
Vorteile/Nachteile
Ein Vorteil des Medical Needlings liegt darin, dass die Patienten, nachdem lediglich die Oberhaut und die Basalmembran durchstochen werden, schon nach wenigen Stunden wieder geschlossene Wundverhältnisse aufweisen. Dies minimiert das Risiko einer Infektion und verkürzt die Heilungsphase erheblich. Dadurch ist der Eingriff oft ambulant durchführbar. Dies ist, insbesondere bei Patienten die traumatische Erlebnisse ihrer Verbrennung mit dem Krankenhaus assoziieren, von Vorteil. Nicht zuletzt werden hierdurch auch die sozio¬ökonomischen Aspekte wie geringe Behandlungskosten erreicht. Im Vergleich zu den anderen oben erwähnten Verfahren, ist die sogenannte Rekonvaleszenz des Patienten äußerst gering. In Laborversuchen konnte nachgewiesen werden, dass direkt nach der Operation ein Gewebestoff (TGF β 3) freigesetzt wird, welcher zur narbenfreien Abheilung der Haut führt. Nachdem die auf der Basalmembran verankerten Zellen, die für die Pigmentierung der Haut verantwortlich sind (Melanozyten), nicht verletzt werden, besteht kein Risiko einer postoperativen Pigmentverschiebung. Daher gilt das Minimieren des Risikos einer erneuten Narbentriggerung als einer der wichtigsten erzielten klinischen Vorteile. Nach dem Medical Needling werden in den ersten Monaten nach der Operation bestimmte, körpereigene Wachstumsfaktoren freigesetzt, die zu einer Regeneration der Oberhaut und Lederhaut führen. Als Nachteil gilt, dass die Operationen nur unter Anästhesie durchführbar sind und sich die Schwellung in den ersten vier bis sieben Tagen nach dem Eingriff als erheblich darstellt.
Nach entsprechender Begutachtung durch die gesetzlichen Krankenkassen können die Kosten des Medical Needlings zur Behandlung von Verbrennungsnarben übernommen werden.