Hintergrund
In der Forschung liegen die Schwerpunkte des Arbeitsbereichs Klinische Psychologie und Sexualmedizin vor allem in den Bereichen Sexualität und Paarbeziehung. Hier wurden in einer inzwischen mehr als drei Jahrzehnte umfassenden Tradition Beiträge zu jeder der drei großen Gruppen sexueller Störungen, den sexuellen Funktionsstörungen, den Paraphilien und den Geschlechtsidentitätsstörungen, geleistet. Dabei war der Fokus auf (psychologische und neurobiologische) Grundlagenforschung ebenso gerichtet wie auf ein breites Spektrum klinischer Fragestellungen.
Übergeordnete Ziele
- Psycho-neuro-immunologische und -endokrinologische Grundlagenforschung zur Psychobiologie gesunder und gestörter sexueller Reaktion
- Klinische Forschung zu neuen medikamentösen und psychotherapeutischen Therapiekonzepten bei sexuellen Funktionsstörungen des Mannes und der Frau sowie zu Paraphilien/ Sexualdelinquenz und Störungen der Geschlechtsidentität
- Forschung zur Dysregulation der sexuellen Impulssteuerung (sog. 'Sexsucht'), vor allem im Bereich der Internetnutzung
- Weitere Forschungsschwerpunkte unseres Arbeitsbereichs liegen – entsprechend den zentralen klinischen Tätigkeitsfeldern – in der Psychotherapieforschung (Prozess- und Outcome-Forschung, speziell zur stationären Psychotherapie) sowie in verhaltenstherapeutischer beziehungsweise verhaltensmedizinischer Forschung
Zur Behandlung der Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS) existieren bereits wirksame psychotherapeutische Behandlungsverfahren. Darüber hinaus werden auch Medikamente zur Behandlung bestimmter Symptome beziehungsweise psychiatrischer Begleiterkrankungen eingesetzt. Jedoch gibt es bis heute keine medikamentöse Therapieform, die für die BPS eine offizielle Zulassung besitzt.
In der klinischen Studie 'Botulinumtoxin zur Behandlung der Borderline-Persönlichkeitsstörung' wird IncobotulinumtoxinA (umgangssprachlich 'Botox') als neues medikamentöses Behandlungsverfahren zur Besserung der Symptome einer BPS erprobt. Dies geschieht im Vergleich zu einer Akkupunkturbehandlung. Bisherige Studien konnten zeigen, dass die Injektion von Botulinumtoxin in der Glabella-Region im Stirnbereich den Ausdruck von negativen Emotionen vermindert. Dadurch werden die eigenen negativen Emotionen als weniger ausgeprägt empfunden. Diese Beobachtungen beruhen auf der 'Facial-Feedback-Hypothese', welcher die Annahme eines Wechselspiels zwischen Mimik und Befinden zugrunde liegt. Dementsprechend kann eine Behandlung der Stirnregion zu einer Linderung der Symptome führen, was sich wiederum positiv auf die Borderline-typischen Verhaltensmuster auswirken kann.
Dieses Projekt wird durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Daraus resultierende Publikationen:
- Kruger THC, Magid M, Wollmer MA. Can Botulinum Toxin Help Patients with Borderline Personality Disorder? American Journal of Psychiatry 2016, 173(9): 940–941. DOI
- Stefanie Jung, M Axel Wollmer and Tillmann HC Kruger. The Hamburg Hannover Agitation Scale (H2A-Scale): Development and validation of a self-assessment tool for symptoms of agitation. Journal of Psychiatric Research, 2015, 69: 158-165. DOI
- Sinke C, Wollmer MA, Kneer J, Kahl KG, Kruger THC. Interaction between behavioral inhibition and emotional processing in borderline personality disorder using a pictorial emotional go/no-go paradigm. Psychiatry Res. 2017 256: 286-289. DOI
Der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Forschungsverbund 'Neurobiologische Grundlagen von Pädophilie und sexuellem Missbrauchsverhalten gegen Kinder' (NeMUP) untersucht Mechanismen, die einerseits sexuellem Kindesmissbrauch und andererseits pädophiler Sexualpräferenz zu Grunde liegen können. Dabei gehen wir davon aus, dass es sich zumindest teilweise um verschiedene Mechanismen für zwei unterschiedliche Phänomene handelt, denn nicht jeder Pädophile begeht sexuellen Kindesmissbrauch und nicht jeder Kindesmissbrauch ist pädophil motiviert. Hierbei kommen bildgebende, psychometrische und physiologische Methoden zum Einsatz. Durch das spezielle Studiendesign soll in der dreijährigen Förderperiode besonders das Verständnis für die Unterscheidung von Sexualpräferenz und sexuellem Verhalten vertieft werden. Die Ergebnisse sollen in Entwicklung und Verbesserung von Therapie- und Präventionsstrategien eingesetzt werden.
Die Standorte des Verbundes stellen ein Netzwerk von führenden medizinisch-psychologischen Forschungs- und Versorgungseinrichtungen sowohl für pädophile Männer als auch für Sexualstraftäter gegen Kinder dar. Die Zusammenarbeit von ambulant-klinischen Einrichtungen aus dem Präventionsnetzwerk 'Kein Täter werden' und Einrichtungen des Straf- und Maßregelvollzugs stellt dabei eine weltweit einmalige Konstellation dar.
Weiterführende Informationen finden Sie hier, d.h. auf der offiziellen Homepage des Forschungsverbundes.
Daraus resultierende Publiationen:
- Kruger THC, Sinke Ch, Kneer J, Tenbergen G, Khan AQ, Burkert A, Müller-Engling L, Engler H, Gerwinn H, von Wurmb-Schwark N, Pohl A, Weiß S, Amelung T, Mohnke S, Massau C, Kärgel Ch, Walter M, Beier KM, Ponseti J, Schiffer B, Walter H, Jahn K and Frieling H. Child sexual offenders show prenatal and epigenetic alterations of the androgen system. Translational Psychiatry 2019, 9(1): 28. Epigenetik. DOI
- Kneer J, Borchardt V, Kärgel C, Sinke C, Massau C, Tenbergen G, Ponseti J, Walter H, Beier KM, Schiffer B, Schiltz K, Walter M, Kruger THC. Diminished fronto-limbic functional connectivity in child sexual offenders. J Psychiatric Research 2019, 108: 48–56. (Ruhezustands fMRT: rsFMRT). DOI
- Charlotte Gibbels, Christopher Sinke, Jonas Kneer, Till Amelung, Sebastian Mohnke, Klaus Michael Beier, Henrik Walter, Kolja Schiltz, Hannah Gerwinn, Alexander Pohl, Jorge Ponseti, Carina Foedisch, Inka Ristow, Martin Walter, Christian Kaergel, Claudia Massau, Boris Schiffer 8 and Tillmann H.C. Kruger 1,* Two Sides of One Coin: A Comparison of Clinical and Neurobiological Characteristics of Convicted and Non-Convicted Pedophilic Child Sexual Ofenders. J Clin Med 2019, 8, 947; doi:10.3390/jcm8070947. DOI
Hypersexualität ist gekennzeichnet durch exzessives Sexualverhalten, das immer weiter außer Kontrolle gerät und für Patientinnen und Patienten und Angehörige Probleme verursacht. Dabei gibt es noch immer keine einheitlich anerkannte Diagnose für Hypersexualität und es fehlen grundlegende Daten, die für die diagnostische Einordnung notwendig wären. Um diese Datenlücke zu verkleinern, wurde im Arbeitsbereich klinische Psychologie und Sexualmedizin die 'Sex@Brain-Studie' initiiert. Im Rahmen dieser Studie sollen klinische, neuropsychologische und neurobiologische Grundlagen von Hypersexualität ('Sexsucht') untersucht werden. Dabei soll eine umfangreiche Charakterisierung von Männern mit exzessivem sexuellem Verhalten vorgenommen werden. Hierzu erfolgen Untersuchungen mittels Fragebögen, neuropsychologischen Testverfahren und funktioneller Magnetresonanztomographie (fMRT). Die Erkenntnisse sollen zukünftig die Diagnostik und Behandlung von diesen Störungsbildern verbessern
Daraus resultierende Publikationen:
- Sinke Ch, J.Engel, M. Veit, U Hartman, T. Hillemacher, J.Kneer. Krüger THC. Sexual cues alter working memory performance and brain processing in men with compulsive sexual behavior disorder. NeuroImage: Clinical, available online 10 June 2020, 102308 fMRT. DOI
- Engel J, Veit M, Sinke C, Heitland I, Kneer J, Hillemacher T, Hartmann U, Kruger THC. Same Same but Different: A Clinical Characterization of Men with Hypersexual Disorder in the Sex@Brain Study. Journal of Clinical Medicine 2019 8 (2). pii: E157. doi: 10.3390/jcm8020157. DOI
- Engel J, Kessler A, Veit M, Sinke C, Heitland I, Kneer J, Hartmann U, Kruger THC. Hypersexual behavior in a large online sample: Individual characteristics and signs of coercive sexual behavior. J Behav Addict. 2019 8: 213-222. DOI
Aktuelle Informationen
In den Forschungsschwerpunkten des Arbeitsbereichs Klinische Psychologie und Sexualmedizin bestehen verschiedene Möglichkeiten für Doktor- und Studiumsabschlussarbeiten. Zum einen können innerhalb größerer Forschungsvorhaben, sowohl im grundlagenwissenschaftlichen als auch im klinisch-therapeutischen Bereich, bestimmte Fragestellungen als Dissertationsthema vergeben werden. Darüber hinaus besteht gelegentlich die Möglichkeit, die Auswertung vorhandener Datenbestände zum Gegenstand einer Doktorarbeit zu machen. Grundsätzlich können interessierte Doktorandinnen und Doktoranden auch mit eigenen Themenvorschlägen – soweit sie in das Forschungsportfolio des Arbeitsbereichs passen – zu uns kommen, um zu überprüfen, ob die entsprechende Arbeit realisierbar ist. Auch für Studierende der Psychologie (Schwerpunkt Klinische Psychologie) bestehen Möglichkeiten zur Durchführung von Studiumsabschlussarbeiten.
Wissenschaftliche Kollaborationen
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Prof.Dr Florian Beissner, Institut für diagnostische und interventionelle Neuroradiologie
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PD Dr. Cordula Schippert, Gynakologische Endokrinologie und Reproduktionmedizin
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Prof. Dr. Matthias Karst, Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin
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Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Charité Berlin
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Institut für Sexualwissenschaft und Sexualmedizin, Charité Berlin
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Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatische Medizin, Otto-von-Guericke Universität Magdeburg
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Institut für Sexualmedizin und Forensische Psychiatrie und Psychotherapie, Universitätsklinikum Kiel
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Forensische Psychiatrie, LWL-Universitätsklinikum Bochum
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Informatik und Angewandte Kognitionswissenschaft,Universität Duisburg-Essen
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Klinik für Gerontopsychiatrie, Asklepios Kliniken Ochsenzoll, Hamburg
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Institut für Musikphysiologie und Musikermedizin, Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover
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School of Health Sciences - Geneva, University of Applied Sciences and Arts Western Switzerland
Ausstattung
Der Arbeitsbereich für klinische Psychologie und Sexualmedizin ist ausgestattet mit moderner Computertechnik und Software (Presentation, e-Prime), die es ermöglicht zeitkritische psychophysische Experimente an Patienten und gesunden Kontrollprobanden durchzuführen. Darüber hinaus ist der Arbeitsbereich mit einem SKYRA 3T Kernspintomographen (MRT) ausgestattet. Dies ermöglicht es uns hochauflösende Aufnahmen der Gehirnaktiviät bei der Durchführung von Verhaltenexperimenten (fMRT) und im Ruhezustand (rsMRT) sowie strukturelle Aufnahmen zu erstellen und zwischen Probandengruppen zu vergleichen. Außerdem ist der Fachbereich mit zahlreichen pschyologischen Testverfahren ("Testothek") ausgestattet, die auch im Rahmen der klinischen Diagnotik und in Beguatchtungsverfahren eingesetzt werden.
Forschungsgruppenmitglieder
Forschungsgruppenleitung
Prof. Dr. med. Tillmann Krüger
Geschäftsführender Oberarzt
Telefon: +49 511 532 2407
Telefax: +49 511 532-8407
Krueger.Tillmann@mh-hannover.de
Publikationen: ResearchGate
Weitere Informationen finden Sie hier: https://www.mhh.de/sexualmedizin