iCARE - Induced pluripotent stem cells for clinically applicable heart repair
Induzierte pluripotente Stammzellen für die zelluläre Therapie von Herzerkrankungen
Das Verbundprojekt iCARE wird seit dem 01.04.2017 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) für drei Jahre gefördert. Im Rahmen der Ausschreibung „Förderung innovativer Stammzelltechnologien für die individualisierte Medizin“ haben sich die Verbundpartner um den Koordinator Prof. Ulrich Martin mit der Hypothese formiert, dass eine therapeutische Anwendung von auf induzierten pluripotenten Stammzellen (iPS-Zellen) basierenden Kardiomyozyten sicher ist, in einer strukturellen Integration der Zellen resultiert und zu einer funktionellen Verbesserung in geschädigten Herzen führt. Ziel des Verbundprojekts ist daher die Entwicklung einer weltweit ersten klinischen Anwendung von auf iPS-Zellen basierender Herztherapie.
Es handelt sich beim iCARE-Verbund um eines der wenigen Konsortien weltweit, welches die nötige Expertise und innovativen Technologien vereint, die für die klinische Translation iPS-Zell-basierter Therapien von Herzerkrankungen notwendig sind. Neben der Klinik für Herz-, Thorax-, Transplantations- und Gefäßchirurgie (HTTG) und dem Institut für Zelluläre Therapien (IZT) der Medizinischen Hochschule Hannover sind das Fraunhofer Institut für Toxikologie und experimentelle Medizin (ITEM), die Deutsches Primatenzentrum GmbH, das Centre for Ethics and Law in the Life Sciences (CELLS) der Leibniz Universität Hannover (LUH), die Miltenyi Biotec GmbH sowie die corlife oHG an dem mit insgesamt über drei Millionen Euro geförderten Projekt beteiligt.
Mit jährlich 9,4 Millionen Todesfällen sind ischämische Herzerkrankungen die häufigste Todesursache weltweit (Bericht der WHO, 2016). Trotz verschiedener Therapieansätze bleibt eine Herztransplantation häufig die einzige Option für betroffene Patienten. Eine Überbrückung zur Herztransplantation durch einen mechanischen Herzersatz ist inzwischen möglich, stellt jedoch oft nur eine vorrübergehende Lösung dar. Letztendlich können Herztransplantationen aufgrund mangelnder Spenderorgane nur in sehr begrenztem Umfang durchgeführt werden und viele Patienten bleiben ohne adäquate Behandlung.
Zahlreiche Stammzell-basierte Ansätze wurden bereits zur Therapie von Herzerkrankungen untersucht, viele der Studien zeigen aber keine oder eine nur unzureichende Wirkung (Jiang, M., Expert Opinion on Biological Therapy, 2010. 10: 667). Seit einigen Jahren stehen nun patientenspezifische humane induzierte pluripotente Stammzellen (hiPS-Zellen) zur Verfügung, welche erstmalig als Quelle patientenspezifischer Herzmuskelzellen (Kardiomyozyten) für die Herztherapie dienen können. Hierbei werden leicht zugängliche Zellquellen, wie z.B. Zellen aus dem Blut, im Labor in pluripotente Stammzellen reprogrammiert. Die in diesem Zusammenhang verfügbaren Technologien beinhalten neben der hocheffizienten Reprogrammierung in iPS-Zellen (Haase, A., Cell Stem Cell, 2009. 5: 434.; Lachmann, N., Am J Respir Crit Care Med, 2014. 189: 167) auch die effiziente genetische Modifikationen der iPS-Zellen (Merkert, S., Stem Cell Reports, 2014. 2: 107) sowie die Entwicklung von Technologien zur Expansion und Differenzierung der iPS-Zellen in z.B. Kardiomyozyten im großen, für eine klinische Anwendung essenziellen Maßstab (Zweigerdt, R., Nat Protoc, 2011. 6: 689; Olmer, R., Tissue Eng Part C, 2012. 18: 772; Kempf, H., Stem Cell Reports, 2014. 6:1132). Intensive Untersuchungen zur Risikoabschätzung von iPS-Zell-basierten Zelltransplantationen laufen bereits. Die extrem geringe Häufigkeit Kardiomyozyten-basierter Tumoren in humanen Herzen deutet auf einen niedrigen Risikofaktor für eine maligne Transformation differenzierter aus iPS-Zellen gewonnener Kardiomyozyten hin, und potenzielle Arrhythmien könnten mithilfe von technischen Schrittmachern kontrolliert werden.
Im Jahr 2014 konnte in einer vielversprechenden Studie mit sechs Tieren erstmals die Bildung und funktionelle Kopplung großer kontraktiler Bereiche von humanen Herzmuskelzellen, in diesem Fall allerdings nicht aus hiPS-Zellen gewonnen sondern aus humanen embryonalen Stammzellen, in einem Myokardinfarkt-Modell in Schweinsaffen (Macaca nemestrina) beobachten werden (Chong, J.J., Nature, 2014. 510: 273). Im iCARE-Verbund werden nun - in enger Zusammenarbeit zwischen Grundlagenforschern, Klinikern, Tierärzten und Experten des Deutschen Primatenzentrums – auch menschliche Herzmuskelzellen aus iPS-Zellen in nicht-humane Primaten (Javaneraffen; Macaca fascicularis) transplantiert, um ihren Einfluss auf das geschädigte Herz zu untersuchen. Javaneraffen gehören zu den Altweltaffen. Sie werden häufig in der pharmazeutischen Industrie verwendet, u. a. im Rahmen von Sicherheits- und Wirksamkeitsprüfungen für Zulassung bestimmter Arzneimittel.
Die aus ethischen Erwägungen und rechtlichen Aspekten notwendige präklinische Testung unseres Zelltherapiekonzeptes kann nach dem derzeitigen Stand der Forschung nicht in Kleintieren wie Maus oder Ratte erfolgen. Für viele andere tierexperimentelle Studien sind Mäuse und Ratten als Kleintiermodelle prinzipiell geeignet; ihre Herzen unterscheiden sich jedoch entscheidend vom menschlichen Herzen. Vor allem haben diese Nagermodelle gegenüber dem Menschen eine etwa 5-8fach höhere Schlagfrequenz. Daher erscheint eine funktionelle Integration von menschlichen Herzmuskelzellen, einschließlich der therapeutisch notwendigen elektrischen und mechanischen Integration, im Maus- oder Rattenherz ausgeschlossen (Mummery, C.L., Sci Transl Med 2, 2010. 27: 29ps17; Garbern J.C., Cold Spring Harb Perspect Med 3, 2013. 4:a014019).
Großtiere wie das Schwein, dessen Herzgröße und Physiologie einschließlich der Schlagfrequenz dem Menschen deutlich ähnlicher sind (Garbern J.C., Cold Spring Harb Perspect Med 3, 2013. 4:a014019), erscheinen daher für die präklinische Testung von Zelltherapiekonzepten zur Behandlung von Herzerkrankungen besser geeignet. Leider ist es jedoch bisher nicht gelungen, qualitativ hochwertige iPS-Zellen (bzw. daraus abgeleitete Herzmuskelzellen) aus Tierarten wie Schwein oder Schaf herzustellen; Spezies-eigene Herzmuskelzellen können daher in solchen Modellen nicht untersucht werden. Eigene sowie publizierte Daten anderer Gruppen unterstreichen außerdem, dass das Überleben von transplantierten menschlichen Zellen im Schwein durch eine außerordentliche immunologische Barriere beschränkt wird (Templin, C., Circulation 126, 2012. 4: 430; Kawamura, M., Circulation 127, 2012. 11 Suppl 1: S29).
Im Gegensatz dazu zeigen kürzlich publizierte Daten (Chong, J.J., Nature, 2014. 510: 273), dass das Überleben und die funktionelle Integration menschlicher Herzmuskelzellen in nicht-humanen Primaten möglich ist und entscheidende Hinweise nicht nur zur Funktion der angestrebten Therapie liefern kann, sondern vor allem auch mögliche Risiken in einem menschennahen Tiermodell aufzeigt.
Zusammenfassend, unter Berücksichtigung des derzeitigen Stands der weltweiten Forschung, ist die Verwendung von nicht-humanen Primaten sowohl aus wissenschaftlicher als auch aus praktisch klinischer Sicht absolut notwendig und im Sinne dringend benötigter neuer Therapieansätze auch sinnvoll.
Aus ethischer Sicht sind die bei den Versuchen für die Tiere auftretenden Belastungen abzuwägen mit dem außerordentlich wichtigen, klinisch-praktischen Erkenntnisgewinn für die Behandlung von Menschen mit schweren ischämischen, häufig tödlichen Herzerkrankungen. Vor diesem Hintergrund halten wir die Tierversuche für ethisch vertretbar. Hohen Stellenwert haben dabei die 3R Prinzipien (Replacement, Reduction, Refinement), die wir in alle Überlegungen zu den Versuchen einfließen lassen.
Weitere allgemeine Informationen zur Notwendigkeit von Tierversuchen mit Affen finden Sie hier: Tierversuche mit Affen – wichtige Fragen und Antworten.
- Generierung und Charakterisierung genetisch angereicherter, aus humanen iPS-Zellen generierter Kardiomyozyten und Transplantation im präklinischen nicht-humanen Primatenmodell
- Entwicklung GMP (Gute Herstellungspraxis)-konformer Prozesse für die Reprogrammierung und genetische Modifikation von iPS-Zellen sowie das Upscaling der Zell-Produktion zur klinischen Anwendung
- Anreicherung der Kardiomyozyten-Subtypen
- Entwicklung eines in vitro Potency Assays
- Diskussion und Entwicklung der regulatorischen Rahmenbedingungen für eine intramyokardiale Transplantation autologer hiPS-Zell-basierter Kardiomyozyten in Patienten mit rechtsseitigem Herzversagen als langfristige Folge einer Mustard-Operation und Einreichung eines ersten Entwurfs eines Applikationsprotokolls beim Paul-Ehrlich-Institut
- Aktualisierung der Schutzrechtanalyse (freedom to operate, FtO) sowie des Business- und Verwertungsplans
- Erfüllung der für eine klinische und kommerzielle Translation notwendigen regulatorischen Erfordernisse, Klärung ethischer Fragestellungen und Entwicklung eines Rahmenplans für eine klinische und kommerzielle Translation
Der Verbund wird koordiniert von Prof. Dr. Ulrich Martin (Leibniz Forschungslaboratorien für Biotechnologie und künstliche Organe, LEBAO) und Prof. Dr. Axel Haverich, beide Klinik für Herz-, Thorax-, Transplantations- und Gefäßchirurgie (HTTG). Als weitere Teilprojektleiter der MHH sind PD Dr. Ina Gruh und Dr. Robert Zweigerdt aus dem LEBAO sowie PD Dr. Serghei Cebotari und Prof. Dr. Samir Sarikouch aus der HTTG sowie Prof. Dr. Ulrike Köhl vom Institut für Zelluläre Therapien (ICT) an dem Verbundprojekt beteiligt. Prof. Dr. Braun ist als Teilprojektleiter vom Fraunhofer Institut für Toxikologie und experimentelle Medizin (ITEM) involviert, vom Deutschen Primatenzentrum sind Prof. Dr. Susann Boretius und Prof. Dr. Franz-Josef Kaup an dem Verbund beteiligt. Des Weiteren werden auch Prof. Dr. Nils Hoppe vom Centre for Ethics and Law in the Life Sciences (CELLS) der Leibniz Universität Hannover (LUH), Dr. Sebastian Knöbel und Dr. Dominik Eckardt von der Miltenyi Biotec GmbH sowie Dr. Michael Harder von corlife maßgeblich zum Erfolg des Projekts beitragen.
Die Primatenversuche werden am Deutschen Primatenzentrum (DPZ) in Göttingen in enger Zusammenarbeit mit den dortigen Wissenschaftlern, Tierärzten und Tierpflegern unter strikter Einhaltung gesetzlicher Vorgaben und tierschutzrechtlicher Rahmenbedingungen durchgeführt. Am DPZ etablierte Narkoseverfahren für Primaten werden zudem von einem Facharzt für Anästhesiologie (Humanmediziner) angewendet. Auch die Explantationen und Vorbereitung der Proben für anschließende Methoden wie Elektronenmikroskopie, Immunhistologie an Gefrier- oder Paraffinschnitten und molekulare Nachweismethoden sind gut etabliert und werden durch Experten auf diesen Gebieten durchgeführt. Die ins Projekt involvierten klinisch und experimentell tägigen Mitarbeiter der Klinik für Herz-, Thorax-, Transplantations- und Gefäßchirurgie (HTTG) der Medizinischen Hochschule Hannover verfügen über langjährige Erfahrungen im Bereich der Transplantation von Organen wie Lunge und Herz, sowie der Implantation von bioartifiziellen Geweben wie Blutgefäßen oder Herzklappen. Trans- und Implantationen von Geweben werden routinemäßig im Großtiermodell durchgeführt.
- Teilprojekt 1 (MHH: Cebotari, Martin; DPZ, ITEM): hiPS-Zell-basierte Therapie des Myokardinfarktes im nicht-humanen Primatenmodell
- Teilprojekt 2 (MHH: Köhl, Martin; Miltenyi): GMP-konforme Reprogrammierung und Genmodifikation von iPS-Zellen
- Teilprojekt 3 (MHH: Köhl, Zweigerdt; Miltenyi): Klinisches Upscaling der Zellproduktion
- Teilprojekt 4 (MHH: Zweigerdt; Miltenyi): Anreicherung von aus pluripotenten Stammzellen abgeleiteten Kardiomyozyten-Subtypen
- Teilprojekt 5 (MHH: Gruh): Entwicklung eines Potency Assays für iPS-Zell-basierte Kardiomyozyten
- Teilprojekt 6 (MHH: Haverich, Sarikouch): Entwicklung eines Protokolls zur klinischen Anwendung autologer humaner iPS-Zell-basierter Kardiomyozyten
- Teilprojekt 7 (corlife, CELLS): Entwicklung von Marketingstrategien unter Berücksichtigung ethischer und rechtlicher Fragen
- Teilprojekt C (MHH: Martin, Haverich): Koordination des iCARE-Verbundes
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