Forschung

Anti-Aging: Spermidin mindert Haarausfall und schützt das Herz

MHH-Forschungsgruppe weist kardio-protektive Wirkung und verminderten Telomerabbau nach

Professor Dr. Evgeni Ponimaskin (links) und Dr. Alexander Wirth. Auf dem Monitor ist oben eine gealterte Maus ohne Spermidinzufuhr zu sehen und unten eine altersgleiche mit Spermidin-Zufütterung, Copyright: Karin Kaiser / MHH.

Stand: 22. Februar 2021

Mit Beginn unseres Lebens werden wir jeden Tag ein bisschen älter. Dieser biologische Prozess ist unumkehrbar und geht mit zunehmender Lebensdauer mit einer Vielzahl von krankhaften Veränderungen einher, die etwa zu Herzschwäche (Herzinsuffizienz), dem Verlust von Nervenzellen (Neurodegeneration) oder einer verminderten Stoffwechselaktivität führen können. Ein Faktor für die altersbedingten Veränderungen liegt darin, dass bestimmte zelluläre Reinigungsprozesse nicht mehr gut funktionieren. Die sogenannte Autophagie ist eine Art Recyclingsystem, das überflüssige oder beschädigte Bestandteile der Zelle abbaut und wiederverwertet. Dieser molekulare Aufräummechanismus hält die Zellen fit und schützt vor vielen Krankheiten. Mit zunehmendem Alter gerät die Autophagie ins Stocken. Sie lässt sich jedoch mit der körpereigenen Substanz Spermidin wieder in Schwung bringen. Eine Forschungsgruppe um Professor Dr. Evgeni Ponimaskin vom Institut für Neurophysiologie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) hat jetzt aufgedeckt, zu welchen systemischen Effekten und Auswirkungen der Anti-Aging Effekt von Spermidin führen können. Die Studie in Kooperation mit der Universität Graz ist in der Fachzeitschrift GeroScience veröffentlicht. Erstautoren sind Alexander Wirth und Bettina Wolf.

Weniger Organschäden und Haarverlust bei Mäusen

Spermidin ist eine natürliche (endogene) Substanz, die in jeder Zelle vorkommt. Im Alter nimmt seine Konzentration in den Zellen ab. „In unserer Studie haben wir untersucht, wie sich eine längere Spermidin-Gabe auf häufig vom Alter betroffene Organe auswirkt und auf welchem Wege das geschieht“, erklärt Professor Ponimaskin. Die Forschungsgruppe aus Neurophysiologen, Nuklearmedizinern und Molekularbiologen hat die Effekte an gealterten Mäusen untersucht und den Tieren sechs Monate lang Spermidin über das Trinkwasser zugeführt. Im Vergleich zu nicht-behandelten, altersgleichen Tieren zeigten die Mäuse deutliche Anti-Aging-Effekte. „Die Spermidin-Zufuhr hat dafür gesorgt, dass die Tiere weniger Nieren- und Leberschäden und eine bessere leistungssteigernde Glukoseversorgung im Gehirn entwickelten“, erklärt der Studienleiter. Auch der altersbedingte Haarverlust fiel deutlich geringer aus als bei der Kontrollgruppe. Kahle Stellen auf dem Rücken, wie für ältere Mäuse typisch, zeigten sich Dank der Spermidinversorgung kaum.

Spermidin schützt vor Abbau der Chromosomenenden

Besonders interessant ist für die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler jedoch der herzschützende Effekt von Spermidin. In ihren Untersuchungen stellten sie fest, dass die kardio-protektive Wirkung mit einer verminderten Telomerverkürzung im Herzgewebe in Verbindung steht ist. Telomere schützen die Enden der Chromosomen in unseren Körperzellen vor Abbau. Chromosomen sind Träger unserer genetischen Information. Bei jeder Zellteilung verkürzen sich ihre Enden ein Stück. Bei sich nicht mehr teilenden Zellen – wie hier etwa den Herzmuskelzellen – werden die Telomere weiter verkürzt. Unterhalb einer kritischen Länge der Telomere setzt der sogenannte programmierte Zelltod ein. „Die Telomere waren bei den Spermidin-supplementierten Mäusen ähnlich lang wie bei jungen Tieren“, sagt Professor Ponimaskin. Da die Alterungsprozesse in den Zellen von Mäusen ähnlich wie in unseren Körperzellen ablaufen, könnte eine Spermidin-Zufuhr als Nahrungsergänzung auch beim Menschen vor vielen altersbedingten Krankheiten schützen.

Stichwort Spermidin:

Spermidin ist eine endogene, natürliche Substanz. Es wurde erstmals in der männlichen Samenflüssigkeit entdeckt, was der Substanz ihren Namen gab. Inzwischen ist bekannt, dass Spermidin in allen Körperzellen existiert und bestimmte Darmbakterien in der Lage sind, diesen Stoff zu bilden. Der Hauptanteil muss jedoch über die Nahrung aufgenommen werden. In größeren Mengen kommt Spermidin in Weizenkeimen, Käse, Sojaprodukten und Hülsenfrüchten vor. In unseren Zellen aktiviert die Substanz die Autophagie. Dadurch werden eingedrungene Krankheitserreger, fehlerhafte Proteine oder nicht mehr funktionstüchtige Zellbestandteile abgebaut.

 

SERVICE:

 

Weitere Informationen erhalten Sie bei Professor Evgeni Ponimaskin, ponimaskin.evgeni@mh-hannover.de, Telefon (0511) 532-4858, www.mhh.de/cnp

Die Originalarbeit „Novel aspects of age-protection by spermidine supplementation are associated with preserved telomere length” finden Sie hier.