Studierende für gesellschaftspolitisches Engagement ausgezeichnet
Stand: 04. Juli 2023
Wer krank ist, geht zum Arzt. Doch was machen Menschen, die keine Krankenversicherung haben und damit keinen Zugang zu Arztpraxen und Krankenhäusern? In Hannover können sich Hilfesuchende an den Verein MediNetz e.V. wenden. Hier engagieren sich Studierende der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) und anderer hannoverscher Hochschulen sowie Ärztinnen und Ärzten dafür, Termine zur medizinischen Versorgung für die Anfragenden zu organisieren, wenn diese keinen Zugang zum Gesundheitssystem haben. Für dieses Gesellschaftspolitische Engagement hat das Studentenwerk Hannover am Montagabend (3. Juli 2022) dem Verein MediNetz einen Preis verliehen, das Preisgeld beträgt 1.000 Euro.
Die beiden MHH-Studentinnen Orkide Taghawi und Svenja Wöhler sowie Josephine Lütke Börding von der Leibniz Universität Hannover (LUH) freuen sich über die Anerkennung ihrer Arbeit, sagen aber auch deutlich: „Wir springen ein, weil das System an dieser Stelle versagt. Unser Ziel ist es, dass von staatlicher Seite eine Versorgungsstruktur etabliert wird, die unsere Arbeit überflüssig macht und jedem Menschen einen Zugang zur Gesundheitsversorgung ermöglicht.“ Bei den Hilfesuchenden handelt es sich häufig um Menschen ohne geregelten Aufenthaltsstatus, die zwar formal einen Anspruch auf medizinische Versorgung im Rahmen des Asylbewerberleistungsgesetzes haben, diesen aufgrund der Gefahr einer Abschiebung jedoch nicht wahrnehmen können.
Die medizinischen Anliegen sind vielfältig: Sie reichen von Schwangerschaftsabbrüchen, Magenspiegelungen und HIV-Medikamenten bis hin zu Entbindungen. Mit der Zeit hat sich MediNetz e.V. ein Netz aus engagierten Ärztinnen und Ärzten, Hilfsorganisationen und Verbänden aufgebaut, so dass sie meistens weiterhelfen können. „Wir sind den Ärztinnen und Ärzten in Hannover sehr dankbar, die sich bereit erklären, uns zu unterstützen und gelegentlich einen Menschen kostenlos zu behandeln“, betont Svenja Wöhler. Weiterhin bietet die Gruppe Telefonbegleitungen und finanzielle Unterstützung beispielsweise für Medikamente oder spezielle Behandlungen an. Häufig benötigen die Menschen auch soziale oder rechtliche Beratung, auch die vermittelt der Verein.
Um die aktuellen Fälle zu besprechen und Hilfe zu organisieren, treffen sich die Studierenden einmal wöchentlich. Bis zu fünf Fälle zählen sie pro Woche, insgesamt betreuen sie ungefähr 120 Patientinnen und Patienten im Jahr. Dazu übernehmen die engagierten Helferinnen und Helfer abwechselnd wochenweise die Bereitschaft am Handy und beantworten Anfragen von Hilfesuchenden, die sich an die Telefonnummer des Vereins wenden. „Wer hier anruft, braucht dringend Hilfe. Die meisten versuchen sich vorher so lange selbst zu helfen, bis es einfach nicht mehr geht“, sagt Orkide Taghawi. „Wenn diese Menschen eher einen Arzt aufsuchen könnten ohne Angst zu haben, aufzufallen, würden sie oft erst gar nicht so schwer erkranken.“ Dann wird es häufig kompliziert und auch teuer.
Der Verein MediNetz e.V. wurde 1998 gegründet, um ein lokales medizinisches Versorgungsnetz für Menschen ohne Papiere aufzubauen. Er ist unabhängig und finanziert sich aus Spenden. Um an den gesellschaftspolitischen Grundbedingungen etwas zu ändern, engagieren sich die Studierenden auch politisch. So setzten sie sich vor einigen Jahren dafür ein, dass bei den caritativen Verbänden in Hannover eine Klärungsstelle mit einem Gesundheitsfonds eingerichtet wurde, die in Grenzfällen einspringt und klärt, ob es nicht doch Anspruch auf eine Versicherung gibt.
Über neue Mitglieder und Unterstützung – mit oder ohne medizinische Ausbildung – freut sich MediNetz e.V., Kontakt: medinetz-hannover@posteo.de.
Persönliche Termine für Hilfesuchende können unter der Mobilfunknummer 0176 / 81 119 654 vereinbart werden.