Internationale Studie zeigt Auswirkungen von Genmutation auf Schweregrad beim myelodysplastischen Syndrom
Stand: 31. August 2020
Genetische Defekte sind die Ursache von Krebserkrankungen. Eine Schlüsselrolle spielt das Gen TP53, das als Mutation in vielen Tumoren nachzuweisen ist. Jetzt haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in einer weltweiten Kooperation aus 25 Forschungszentren in zwölf Ländern herausgefunden, dass je nach Stärke und Art der Veränderung der Erbsubstanz von TP53 die Krankheitsentwicklung sehr unterschiedlich voranschreiten kann. Sie analysierten genetische und klinische Daten von mehreren tausend Patientinnen und Patienten mit myelodysplastischem Syndrom (MDS), einer bestimmten Form von Blutkrebs und Vorstufe der akuten myeloischen Leukämie (AML). „Die Ergebnisse haben unmittelbare Auswirkungen für die Risikoabschätzung und Behandlung von MDS und der Entwicklung einer AML“, sagt Professorin Dr. Felicitas Thol, Oberärztin an der Klinik für Hämatologie, Hämostaseologie, Onkologie und Stammzelltransplantation der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH). Gemeinsam mit ihrem Kollegen, Professor Dr. Michael Heuser, hat sie an der internationalen Studie teilgenommen, die jetzt in der renommierten Zeitschrift „Nature Medicine“ veröffentlicht worden ist.
Genmutation verschlechtert Krebsprognose
Das Gen TP53 gilt in der Wissenschaft als „Hüter des Genoms“. Seine Aufgabe ist, Schäden an der DNA zu erkennen und zu verhindern, dass betroffene Zellen diese Mutationen bei der Teilung an ihre Tochterzellen weitergeben. „Wenn TP53 selbst mutiert ist, kann es diese Schutzfunktion nicht mehr ausüben, und als Folge kann sich Krebs entwickeln“, erklärt Professorin Thol. Bei vielen Krebserkrankungen bedeuten Mutationen an TP53, dass die Tumore nach einer Behandlung wieder auftreten, sich Metastasen bilden und die Patienten schneller sterben. Doch bislang konnten behandelnde Ärztinnen und Ärzte nicht genau vorhersagen, wie sich die Erkrankung bei jedem Betroffenen im Einzelnen entwickelt.
Beide TP53-Genkopien müssen ausfallen
Wie alle Gene kommt auch TP53 in unseren Zellen doppelt vor – eine Erbanlage stammt dabei vom Vater und eine von der Mutter. „Bislang war nicht bekannt, ob eine Mutation in einem Gen ausreicht, um die Prognose für den Patienten zu verschlechtern oder ob beide Kopien betroffen sein müssen“, sagt Professor Heuser. Die Studie beantwortet diese Frage nun zumindest für MDS: Aus den Ergebnissen geht hervor, dass beide Genkopien ausfallen müssen, damit die Patienten ein hohes Risiko haben, eine akute Leukämie zu entwickeln. Das ist wichtig für die Diagnostik. „Indem wir zum Zeitpunkt der Krebsdiagnose mit einem molekularen Profil den TP53-Status eines Patienten feststellen, können wir nun genauer vorhersagen, ob und wie die Erkrankung fortschreiten wird“, sagt Professor Heuser. Dadurch könnten Ärzte MDS-Betroffene besser beraten, gezielter therapieren und etwa bei schweren Fällen rechtzeitig eine Stammzelltransplantation empfehlen.
Auch für andere Krebsformen kann die Studie eine entscheidende Wende in Diagnose und Therapie bedeuten. Dafür muss in weiteren Untersuchungen geklärt werden, ob der Ausfall einer oder beider Kopien von TP53 ähnlich gravierende Unterschiede für das Fortschreiten der Erkrankung bedeutet, wie bei MDS.
Weitere Informationen erhalten Sie bei Professorin Dr. Felicitas Thol unter Telefon (0511) 532-4081 oder thol.felicitas@mh-hannover.de.
Die Originalpublikation „Implications of TP53 allelic state for genome stability, clinical presentation and outcomes in myelodysplastic syndromes ” ist online verfügbar auf der Seite der Fachzeitschrift Nature Medicine unter https://www.nature.com/articles/s41591-020-1008-z.