Klingt paradox: Das Varizella-Zoster-Virus breitet sich im Körper besser aus, indem es die Immunabwehr verstärkt, wie MHH-Forschende jetzt herausfanden.
Das Varizella-Zoster-Virus (VZV) kann Windpocken, aber auch Gürtelrose und schwere Komplikationen verursachen. Wenn jemand zum ersten Mal mit dem VZV in Kontakt kommt, gelangt das Virus über die Atemwege zu den Schleimhäuten im Nasen-Rachen-Raum und das angrenzende lymphatische Gewebe, von wo aus es die T-Lymphozyten infiziert. In diesen Abwehrzellen breitet sich das VZV im ganzen Körper aus und erreicht so auch die Hautzellen – was zu Windpocken führt – und die Nervenzellen, wo es dauerhaft bleibt. Wenn VZV später im Leben wieder aktiv wird, verursacht es Gürtelrose.
Um sich gegen VZV zu wehren, bildet der Körper unter anderem Interferone. Doch die Abwehr funktioniert nur begrenzt. Forschende unter der Leitung von Professor Dr. Abel Viejo-Borbolla am Institut für Virologie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) haben nun analysiert, wie es dem Virus gelingt, diesem Abwehrmechanismus zu entkommen. Das Ergebnis klingt paradox: Das Virus schwächt die Immunantwort nicht ab, sondern verstärkt sie gezielt – zu seinem eigenen Vorteil. Das Forschungsteam veröffentlichte seine Ergebnisse in der Fachzeitschrift Nature Communications.
Virus nutzt Abwehr als trojanisches Pferd
„Das Glykoprotein C von VZV bindet insbesondere an Interferon gamma. Das führt zu einer Modulation der von diesem Interferon ausgelösten Signale, was zu einer erhöhten Produktion bestimmter Proteine führt, beispielsweise des interzellulären Adhäsionsmoleküls 1“, erläutert Dr. Carina Jacobsen, Erstautorin des Artikels, den Mechanismus. Dieses Molekül fördert die Haftung, so dass T-Zellen leichter an die infizierten Hautzellen binden und mehr Virionen von den Hautzellen auf die Immunzellen übertragen werden können. Gewissermaßen hat das Virus es dann geschafft, das trojanische Pferd zu besteigen – um sich im ganzen Körper auszubreiten.
Die Forschungsergebnisse bilden die Grundlage für die Entwicklung neuer Medikamente gegen diese und möglicherweise andere Viren.
Text: Bettina Bandel