MHH-Forscherin koordiniert Verbundprojekt: Welche Rolle spielt Sialinsäure als Regulator bei Entwicklung und Krankheitsabwehr?
Bei vielen biologischen Prozessen in unserem Körper übernehmen Zuckerverbindungen eine wichtige Aufgabe. Indem sie sich chemisch mit Proteinen und Lipiden verbinden und diese dadurch verändern, regulieren sie viele entscheidende biologische Prozesse wie etwa die Reifung der Nieren, die richtige Vernetzung von Nervenbahnen im Gehirn oder die Funktion des Immunsystems.
Die genauen biochemischen Abläufe dieser sogenannten Glykosylierung sind sehr komplex und daher bislang noch weitgehend unerforscht. Diese Wissenslücke soll jetzt ein neues, überregionales Forschungsnetz schließen, das die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) auf drei Jahre mit insgesamt rund vier Millionen Euro fördert. Zehn Forschungsteams aus Hannover, Erlangen, Tübingen und Bonn nehmen dabei die Sialinsäure in den Fokus.
„Dieser Zucker spielt eine bedeutende Rolle für viele Abläufe und Krankheitsprozesse“, sagt PD Dr. Martina Mühlenhoff, Wissenschaftlerin am Institut für Klinische Biochemie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) und Sprecherin der DFG-Forschungsgruppe. An der MHH sind neben der Sprecherin noch fünf weitere Forscherinnen und Forscher vom Institut für Klinische Biochemie beteiligt. Gemeinsam erhalten sie mit 2,3 Millionen Euro mehr als die Hälfte der Fördersumme.
„Sialinsäure ist ein ganz ungewöhnlicher Zuckerrest und offenbar extrem wichtig für die ungestörte Entwicklung und die funktionierende Immunabwehr in unserem ganzen Körper“, erklärt die Biochemikerin. So helfen die Sialinsäure-tragenden Zuckerstrukturen dem Immunsystem, körpereigene Zellen zu erkennen – und zwar ein Leben lang. Ein verändertes Sialinsäuremuster kann demnach dazu führen, dass die Immunabwehr die eigenen Zellen nicht mehr toleriert, sondern attackiert — was etwa bei Autoimmunerkrankungen der Fall ist. Auch an der Ausbildung der schützenden Isolierschicht von Nervenzellen, der Regulation von Immunzellen des Gehirns und der frühen Embryonalentwicklung hat Sialinsäure maßgeblichen Anteil.
Am Institut für Klinische Biochemie wollen die Forschungsteams nun am Maus-Modell herausfinden, welche Sialinsäure-Modifikationen es im Einzelnen gibt und wie sie sich jeweils genau auswirken. „Die Basis dieser biochemischen Prozesse ist bis heute noch nicht annähernd aufgeklärt“, sagt Dr. Mühlenhoff. „In unserer Arbeit bringen wir jetzt erstmals das nötige Werkzeug ein, um die Strukturen sichtbar machen und ihre Funktion erkennen zu können“, betont sie. Dieses Wissen ist die Grundlage dafür, Entwicklungsstörungen und Krankheitsprozesse besser zu verstehen und dadurch auch besser behandeln zu können.
Weitere Informationen erhalten Sie bei PD Dr. Martina Mühlenhoff, Muehlenhoff.Martina@mh-hannover.de, Telefon (0511) 532-9807.