Gesundheit

Die Rolle der sechs Varianten

Neue Forschung zur Vermehrung von Adenoviren

Prof. Schreiner und Dr. Mai im Institut für Virologie. Prof. Schreiner hält einen Röntgenfilm in der Hand, auf den Dr. Mai zeigt. Auf dem Röntgenfilm sind Proteine dargestellt. Dafür wurde vorher mit dem Wet Tank“ das „Western Blot Verfahren“ durchgeführt, mit dem man Proteine anhand von spezifischen Antikörpern nachweisen kann. Der „Wet Tank“ ist auf dem Foto ebenfalls zu sehen.

Prof. Schreiner (links) und Dr. Mai: Sie stehen vor einem „Wet Tank“, mit dem sie das „Western Blot Verfahren“ durchführen, um Proteine mit spezifischen Antikörpern nachzuweisen. Anschließend sind die Proteine auf Röntgenfilmen darstellbar. Copyright: Karin Kaiser / MHH.

Stand: 18. Oktober 2022

Entzündungen des Magen-Darm-Trakts und der Bindehaut, aber auch der Leber, des Gehirns, der Harnwege und der Lunge – die Liste der Erkrankungen, die eine Infektion mit humanen Adenoviren verursachen kann, ist lang. Hinzu kommt, dass es die Viren weltweit häufig gibt, diese Infektionen immer häufiger vorkommen und auch latent werden können. Dann überdauern sie in den Zellen, haben zeitweise keine nachweisbare Wirkung, können aber wieder reaktivieren.

Bei gesunden Erwachsenen verlaufen Adenovirus-Infektionen meist ohne oder mit milden Symptomen. Doch bei Menschen mit einem geschwächten Immunsystem können sie lebensbedrohlich werden und nicht selten tödlich verlaufen. Darüber hinaus gibt es auch bestimmte Adenovirus-Typen, die selbst bei gesunden Personen zu lebensgefährlichen Lungenentzündungen führen können. Bisher gibt es weder spezifische antivirale Therapien noch eine Impfung für die breite Normalbevölkerung.

Auf der Suche nach antiviralen Therapieansätzen konnte das interdisziplinäre Team von Prof. Dr. Sabrina Schreiner aus dem MHH-Institut für Virologie – allen voran Dr. Julia Mai – nun zeigen, dass bestimmte Faktoren in den Zellen verschiedener Gewebe des Menschen dafür ausschlaggebend sind, ob sich die Viren dort vermehren oder nicht. Zum Team gehören Forschende der Technischen Universität München und des Projekts „Hannover-Glasgow Infection Strategy“ (HAGIS) des Exzellenzclusters RESIST und des „MRC-University of Glasgow Centre for Virus Research“. Die Ergebnisse veröffentlichte die wissenschaftliche Fachzeitschrift Microbiology Spectrum.

Das Team ging bei seinen Forschungen dem Verdacht nach, dass die sogenannten PML-Kernkörperchen in den menschlichen Zellen sehr wahrscheinlich der Vermehrung der Adenoviren entgegenwirken. Die Hauptkomponente der PML-Kernkörperchen ist das sogenannte PML-Protein, das von der menschlichen Zelle in sechs verschiedenen Varianten produziert wird. In den meisten bisherigen Studien untersucht, inwiefern alle PML-Varianten gemeinsam auf die Virusvermehrung einwirken. „Wir haben nun geprüft, welche Rolle die sechs einzelnen PML-Varianten während der Adenovirusinfektion spielen – und zwar in verschiedenen Geweben und Zelltypen“, erläutert Prof. Schreiner. Dafür hat das Team Zelllinien aus Lungen- und Lebergewebe hergestellt, die je nur eine der sechs PML-Varianten produzieren. „So konnten wir in verschiedenen Geweben und Zelltypen genau die PML-Varianten identifizieren, deren Kernkörperchen die Infektion unterdrücken können“, führt Dr. Mai aus.

Basierend auf die Ergebnisse dieser Studie und durch das bessere Verständnis der wirtseigenen Abwehrmechanismen können nun im Rahmen des Exzellenzclusters RESIST weiter neue Behandlungsmöglichkeiten gegen humane Adenoviren entwickelt werden.

Konsiliarlabor für Adenoviren

Am Institut für Virologie der MHH befindet sich das deutsche Konsiliarlabor für Adenoviren. Hier können alle humanen Adenovirustypen nachgewiesen, genomisch sequenziert und in klinischen Proben quantifziert werden. Das spielt vor allem bei der Diagnostik lebensbedrohlicher Infektionen von immunsupprimierten Patientinnen und Patienten eine Rolle, insbesondere bei Kindern nach Knochenmarkstransplantation. Das Team des Labors steht außerdem bei Fragen zur Verfügung, die über die Routine hinausgehen, und es stellt Zellkulturen bereit, um Forschende bei ihren Arbeiten zu unterstützen. Auch die Mitarbeit an epidemiologischen Studien und die Beratung zu Anforderungen an das Untersuchungsmaterial und Versandbedingungen gehören zum Repertoire.

Link zur Publikation:
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/35699431/