Heute ist Tag der Endometriose. Verena Nabert, wurde in diesem Jahr zwei Mal bei uns an ihrer Endometriose operiert und erzählt, wie es ist, mit dieser Krankheit zu leben.
Stand: 29. September 2022
Was Endometriose ist und welche Auswirkungen diese Krankheit auf Frauen haben kann, erklären Prof. Dr. med. Hermann Hertel, Leitender Oberarzt & Bereichsleitung Allgemeine und Operative Gynäkologie und Dr. Jens Hachenberg, Facharzt für Gynäkologie in unserer Frauenklinik im Interview.
Herr Prof. Hertel, was genau ist Endometriose und wie entsteht die Krankheit?
Prof. Dr. med. Hermann Hertel: Endometriose ist eine sehr häufige, gutartige, oft schmerzhafte sowie chronische Erkrankung. Wie oft Endometriose vorkommt ist nicht genau bekannt. In Deutschland geht man aktuell von ca. 2 Millionen betroffenen Frauen und 40.000 Neuerkrankungen pro Jahr aus. Die WHO bezifffert die Menge auf ca. 190 Millionen Frauen weltweit. Allerdings sind diese Zahlen sehr unsicher. Aufgrund der teils sehr unspezifischen Beschwerden dauert es im Mittel sieben bis zehn Jahre bis eine Endometriose diagnostiziert wird. Wegen der steigenden Sensibilisierung für das Thema scheint diese Zahl jedoch glücklicherweise zu sinken. Obwohl Endometriose nicht vererbbar ist, gibt es zudem eine familiäre Häufung.
Der Begriff stamm vom Wort „Endometrium“ für Gebärmutterschleimhaut mit dem Suffix „-osis“ für Erkrankung ab. Endometriose bedeutet, dass Zellen der Gebärmutterschleimhaut außerhalb der Gebärmutterhöhle vorkommen. Wie die normale Gebärmutterschleimhaut baut sich auch das Endometriosegewebe während des Menstruationszyklus auf und ab. Zudem kommt es zum Abbluten (die Menstruation wie bei der normalen Gebärmutterschleimhaut). Das wiederum führt zu starker Irritation des umliegenden Gewebes mit Entzündungsreaktion und daraus folgend sehr starken Schmerzen während der Regelblutung. Bei fortdauernder Irritation und Entzündungsreaktion (teils über viele Jahre) können sich dann auch Verklebungen (sogenannte Adhäsionen) im Bauch und sogar Narben bilden, welche dann unabhängig von der Menstruation zu permanenten Schmerzen führen können. Zudem machen Endometrioseherde auch lokalisationsabhängig unterschiedliche Beschwerden. Die wichtigsten sind Schmerzen bei der Miktion (Wasserlassen), Schmerzen bei der Defäkation (Stuhlentleerung) und Schmerzen beim Geschlechtsverkehr (Dyspareunie). In den allermeisten Fällen ist Endometriose auf den Unterbauch beschränkt. Nur in sehr seltenen Fällen kann sie auch in anderen Organen vorkommen. Fälle von Endometriose in der weiblichen Brust, der Lunge oder sogar dem Gehirn sind extrem seltene, weltweite Einzelfälle.
Die Ursache für die Entstehung einer Endometriose ist bisher medizinisch noch nicht bekannt. Eine der wichtigsten Theorien ist die Transplantationstheorie von Sampson. Hierbei wird von einer sogenannten retrograden Menstruation, also einer rückwärtsgewandten Menstruation durch die Eileiter in die weibliche Bauchhöhle und somit einer Verschleppung von Endometriumzellen ausgegangen. Es gibt allerdings auch Theorien, die von einer permanenten Mikroschädigung des Endometriums und konsekutiv einer Umwandlung von „normalen“ Endometriumzellen in Endometriosezellen ausgehen.
Frau Nabert, seit wann wissen Sie, dass Sie Endometriose haben?
Verena Nabert: Vermutet habe ich, dass meine Beschwerden mit Endometriose in Verbindung stehen könnten, seit ca. drei Jahren. Ich habe mich häufig in Beiträgen zur Endometriose in den Medien wiedererkannt. Die Diagnose erfolgte dann im April dieses Jahres. Erste Beschwerden der Endometriose hatte ich mit Eintritt der Periode mit 14 Jahren, also vor gut 22 Jahren.
Hatten Sie Symptome, Beschwerden im Alltag?
Verena Nabert: Ja, zyklische und nicht zyklische Beschwerden, die ich nun, dank der Diagnose der Endometriose zuordnen kann. Dazu gehören z. B.:
- sehr starker und teils wehenartiger Regelschmerz
- Kreislaufprobleme und Erschöpfung während der Periode
- ein unregelmäßiger Zyklus
- Verstopfungen und Darmbeschwerden
- Schmerzen im rechten Arm
- Harnwegsinfekte
Herr Dr. Hachenberg, ist es für Endometriose-Patientinnen möglich schwanger zu werden?
Dr. Jens Hachenberg: Obwohl die Endometriose die Fortpflanzung beeinträchtigt, können Endometriose-Patientinnen trotz dessen schwanger werden. Bei einem „gesunden“ Paar besteht die Chance eine Schwangerschaft bei ca. 15-20 Prozent pro Monat. Bei Frauen mit Endometriose sinkt diese Wahrscheinlichkeit auf ungefähr 5-10 Prozent. Die Fruchtbarkeit einer Frau (Fertilität) ist bei Endometriose also um etwa 50 Prozent reduziert, wobei das Risiko vom Schweregrad der Endometriose abhängt.
Frau Nabert, wussten Sie, bereits als Ihr Kinderwunsch aufkam, dass es schwierig wird schwanger zu werden?
Verena Nabert: Mein Mann und ich haben das große Glück, ein Kind auf ganz normalen Weg mit spontaner Geburt bekommen zu haben. Abgesehen von Blutungen zu Beginn der Schwangerschaft verlief diese nahezu beschwerdefrei. Die Schwangerschaft fühlte sich für mich etwas wie ein Pausenknopf für meine bisherigen Beschwerden an. Heute weiß ich, dass das für Endometriose-Betroffene ohne ärztliche Hilfe keineswegs selbstverständlich ist. Wir sind sehr dankbar dafür, dass wir dieses Glück hatten!
Herr Dr. Hachenberg, wie beeinflusst die Krankheit die Möglichkeit einer Schwangerschaft?
Dr. med. Jens Hachenberg: Endometriose kann eine Ursache von Unfruchtbarkeit bei Frauen sein. Grundsätzlich ist aber eine Schwangerschaft trotz einer diagnostizierten Endometriose möglich. Ursachen hinsichtlich der verminderten Fekundabilität, der „Fähigkeit“ lebendige Kinder zur Welt zu bringen, sind vielfältig. Neben den bereits erwähnten Verklebungen und Vernarbungen können beispielsweise auch Schmerzen bei Geschlechtsverkehr Gründe für die verminderte Fertilität sein. Darüber hinaus scheinen Endometrioseherde auch das Abwehrsystem des Körpers zu beeinflussen. Unterschiedliche Schätzungen gehen davon aus, dass bis zu 50 Prozent der Frauen, die (ohne medizinische Unterstützung) keine Kinder kriegen können, an Endometriose leiden.
Herr Prof. Hertel, was kann getan werden, um den Patientinnen Ihren Kinderwunsch zu erfüllen?
Prof. Dr. med. Hermann Hertel: Eine Kombination aus chirurgischen Eingriffen und speziellen Behandlungen in einem Kinderwunschzentrum wie beispielsweise die künstliche Befruchtung kann diesen Frauen helfen, schwanger zu werden. Grundsätzlich sollte bei ausbleibendem Kinderwunsch eine Anbindung an ein Kinderwunschzentrum erfolgen. Wichtig ist, dass - generell betrachtet - die Ursachen des unerfüllten Kinderwunsches genauso oft beim Mann liegen wie bei der Frau. Da Endometriose eine sehr häufige Ursache für weibliche Infertilität darstellt, ist eine Bauchspiegelung (Laparoskopie) der Frau ein Standartvorgehen zur Abklärung der Ursachen. Die operative Entfernung von Endometrioseherden wird bei unerfülltem Kinderwunsch empfohlen. Es wurde gezeigt, dass allein durch eine Operation eine Verbesserung der Fruchtbarkeit erzielt werden kann, wenn die Eileiter intakt und das Spermiogramm des Mannes unauffällig waren. Da solche Operationen sehr komplex sein können, gehört die Behandlung dieser Patientinnen in erfahrene Hände.
Frau Nabert, wie sind Sie zur MHH gekommen?
Verena Nabert: Durch eigene Nachforschungen zur Erkrankung bin ich auf die Endometriose Vereinigung Deutschland aufmerksam geworden. Diese listet alle in Deutschland zertifizierten Endometriosezentren. Die MHH hat aus meiner Sicht in Forschung und Aktualität einen sehr guten Ruf. Damit war für mich klar, dass ich für die Bauchspiegelungen zu den Endometriosespezialisten der MHH möchte.
Wie ging es Ihnen, als Sie wussten, dass Sie operiert werden mussten?
Verena Nabert: Ich wurde wegen der Endometriose in diesem Jahr zwei Mal operiert. Es war ein Wechselbad der Emotionen. Einerseits war ich nach der ersten OP erleichtert zu wissen, was ich habe. Anderseits wurde eine Darmbeteiligung festgestellt. Es bestand der Verdacht, dass die Endometriose in den Darm hineingewachsen ist und zu einem Darmverschluss führen kann. Die Perspektive, einen Teil meines Darms in einer zweiten, computergestützten OP entfernen zu lassen, war natürlich nicht schön.
Herr Prof. Hertel, wie läuft eine Endometriose-OP ab?
Prof. Dr. med. Hermann Hertel: Wir verwenden bei Patientinnen mit tief infiltrierender Endometriose eine hochmoderne Operationstechnik, das Da-Vinci-Operationssystem. Dies ist ein roboter-assistiertes Chirurgiesystem, mit dem minimalinvasive Operationen durchgeführt werden können. Bei der Operation werden in der Regel im Bauchnabelbereich sowie im Mittel- und Unterbauch kleinste OP-Schnitte gesetzt. Diese sind 8mm groß. Die Bauchdecke wird dann mittels CO2 angehoben. Anschließend geht man mit einer Kamera in den Bauch rein und operiert auf einem Bildschirm mit exzellenter 3D-Visualisierung des Bauchraumes mit feinsten Instrumenten über die übrigen Einstichstellen. Bei einem komplexen Eingriff erfolgt die Entfernung der gesamten sichtbaren Endometriose. Da die Endometriose nicht nur das Bauchfell im Becken, die Eierstöcke, den Halteapparat der Gebärmutter, sondern auch den Enddarm oder die Blase betreffen kann, arbeiten wir in diesen Fällen eng mit den Kolleginnen und Kollegen des urologischen und chirurgischen Roboterteams zusammen. Ziel der Operation ist die vollständige, aber schonendste Entfernung der sichtbaren Endometrioseknoten, um eine möglichst große Minderung der Beschwerden und/oder eine verbesserte Fertilität zu erreichen.
Frau Nabert, wie geht es Ihnen heute, wenn Sie in die Zukunft blicken?
Verena Nabert: Die Diagnose Endometriose fügt für mich meine Beschwerden endlich zu einem Gesamtbild zusammen. Ich freue mich darüber, dass ich nun zielgerichtet meine Beschwerden therapieren kann und auch unnötige Antibiotika wegen Zuordnung falscher Ursachen vermeiden kann. Um zusätzlich zu meinen eigenen Recherchen mehr über die Erkrankung zu erfahren, werde ich zudem an einer Anschlussheilbehandlung teilnehmen. Ich bin zuversichtlich, trotz der Erkrankung voll leistungsfähig zu sein und dass zusammen mit der passenden Therapie und Ernährung auch intensiver sportlicher Betätigung nichts im Wege steht. Für die Bauchspiegelung mit Verdacht auf Endometriose die MHH gewählt zu haben, war für mich die absolut richtige Entscheidung. Ich hatte das Gefühl, auch als Mensch und nicht als reiner Patient wahrgenommen zu werden. Dafür möchte ich mich bei allen Ärzt_innen und dem Pflegepersonal, das mir in dieser Zeit geholfen hat, herzlich bedanken!