Mit dem Programm Erasmus+ lernte Birgit Proietto in Wien die österreichische Palliativversorgung kennen.
Stand: 12. Januar 2022
Beruflich mal für eine gewisse Zeit ins Ausland? Früher konnte sich Birgit Proietto (58) das gut vorstellen. Doch dann kamen erst mal die Kinder und außerdem entwickelte sich das Berufsleben für sie in Hannover auch ganz interessant. „Den Gedanken an einen Auslandsaufenthalt hatte ich eigentlich abgehakt“, sagt die Krankenpflegerin vom Palliativmedizinischen Konsiliardienst (PMK). Bis sie vom EU-Programm Erasmus+ hörte. Im Herbst 2018 bewarb sie sich und im Mai 2019 absolvierte sie ein zweiwöchiges Lernpraktikum im Krankenhaus „Barmherzige Brüder“ in Wien.
Palliativversorgung ganz anders organisiert
Birgit Proietto arbeitet schon viele Jahre in der MHH. 1996 fing sie auf der damaligen „Aufnahmestation“ an. Dort betreute sie manchmal auch sterbende Menschen. So wurde ihr Interesse an der Palliativpflege geweckt. 2004 machte sie eine Weiterbildung in Palliative Care. Als 2008 die Palliativstation aufgebaut wurde, war sie mit von der Partie. 2016 wechselte sie von der Palliativstation in den Konsiliardienst, zu dem seit 2018 neben ärztlichem und pflegerischem Personal auch Mitarbeitende aus der PsychoOnkologie, dem Sozialdienst und der Seelsorge gehören.
„Zu einem würdevollen Leben gehört unbedingt auch ein würdevolles Sterben“, erklärt Birgit Proietto. Palliativpflege beginne optimaler Weise nicht erst mit dem Sterben, sondern schon viel früher – nämlich dann, wenn eine unheilbare Erkrankung diagnostiziert werde. „Leider lernen wir die Patientinnen und Patienten aber oft erst kennen, wenn sie schon sehr schwach sind“, bedauert die Fachpflegerin.
Und in Wien? Setzt die Palliativbegleitung bei den Barmherzigen Brüdern früher ein? „Ja, das tut sie“, sagt Birgit Proietto, merkt aber an, dass die Palliativversorgung in Österreich auch ganz anders organisiert ist als in Deutschland. So gebe es beispielsweise in Wien kein einziges Hospiz, in ganz Österreich insgesamt nur sieben. Dafür seien aber in jedem Pflegeheim mindestens zwei Palliative Care Pflegekräfte tätig, um die Versorgung dort direkt leisten zu können.
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Dokumentationssystem beeindruckt
Bei den Barmherzigen Brüdern werden unheilbar kranke Patientinnen und Patienten schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt in eine kontinuierliche Palliativbetreuung eingeschlossen. „Bei jeder erneuten Aufnahme ins Krankenhaus nimmt der Konsiliardienst wieder Kontakt auf. So lernt man sich mit der Zeit kennen und kann eine gute Vertrauensbasis schaffen, die Begleitung der Patienten erfolgt teilweise über Jahre“, erklärt Birgit Proietto. Begeistert hat sie in Österreich neben der elektronischen Krankenakte, aus der die komplette Krankheitsgeschichte, aktuelle Diagnosen und Untersuchungsergebnisse ersichtlich sind, auch das dortige Dokumentationssystem. Mithilfe dieses Systems sind alle geplanten Untersuchungen, Transporte und vieles mehr mit Uhrzeiten hinterlegt. „Das ist unglaublich hilfreich, spart Zeit und unnötige Wege“, schwärmt sie. Darüber hinaus hat sie auch ein menschliches Ritual beeindruckt. „Nach dem Tod einer Patientin oder eines Patienten setzt sich das ganze Konsiliarteam zu einer Gedenkzeit zusammen. Man tauscht seine Gedanken über den Menschen aus und schreibt eine Beileidskarte an die Angehörigen. Das ist ein sehr schöner Brauch, der dem Team zur Selbstpflege dient und auch den Angehörigen hilft“, sagt Birgit Proietto.
Das Lernpraktikum bot für sie viele neue Eindrücke sowie berufliche und persönliche Anregungen. Und auch die Stadt gefällt Ihr: „Wien ist charmant und wunderschön!“ Gleichzeitig war der Blick über den Tellerrand auch eine Bestätigung ihrer Arbeit in der MHH: „Wir sind trotz mancher Widrigkeiten ein guter Konsiliardienst“, stellt Birgit Proietto fest.
Wer mehr über das EU-Programm Erasmus+ oder die Möglichkeit eines Auslandspraktikums wissen möchte, erfährt Näheres unter www.mhh.de/pflege/erasmus. Die Ansprechpartnerin ist Gabriele Bledsoe, interne Telefondurchwahl -6540, bledsoe.gabriele@mh-hannover.de.
Autorin: Tina Götting