COVID-19 Forschungsnetzwerk Niedersachsen (COFONI) unter Koordination der Unimedizin Göttingen (UMG) zieht erstes Resumee.
Hochkarätige Expert:innen aus Wissenschaft, Gesundheit, Politik und Presse berichten und diskutieren über neueste Forschungsergebnisse und Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie-Langzeitfolgen. Niedersachsens Wissenschaftsminister Falko Mohrs: „Wir brauchen noch mehr Wissen, denn zu befürchten ist, dass nach der Pandemie vor der Pandemie ist.“ Das Netzwerktreffen mit über 170 Teilnehmenden fand am 5. Oktober 2023 in der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) statt.
Das Land Niedersachsen hat sehr früh in der Corona-Pandemie einen beispielhaften Weg eingeschlagen und mit dem COVID-19 Forschungsnetzwerk Niedersachsen (COFONI) Strukturen geschaffen, die dazu beitragen, die Langzeitfolgen der Pandemie zu bekämpfen, aber auch besser auf künftige Pandemien vorbereitet zu sein. Eine wichtige Rolle spielt dabei die bisher bundesweit einzigartige Kooperation zwischen biomedizinischer Forschung und den Gesellschafts- und Sozialwissenschaften sowie Praktiker:innen aus dem Gesundheitswesen. Diese enge Verzahnung verschiedener Fachdiziplinen stand nun auch im Vordergrund des COFONI-Netzwerktreffens in der MHH am 5. Oktober 2023. Rund 170 Teilnehmende – Expert:innen aus Wissenschaft, Gesundheitswirtschaft und -versorgung, Politik und Medien – tauschten sich über neue Erkenntnisse aus mehr als drei Jahren gemeinsamer Corona-Forschung aus und gaben einen Ausblick auf die in diesem Sommer gestarteten Projekte zur Bekämpfung der Pandemie-Langzeitfolgen.
Interdisziplinärer Forschungsansatz macht ganzheitliche Betrachtung möglich
Falko Mohrs, Niedersächsischer Minister für Wissenschaft und Kultur, sagte zu Beginn des Netzwerktreffens: „Wir brauchen noch mehr Wissen über Long COVID und – insbesondere mit Blick auf die Gesellschaft – die langfristigen Folgen der Corona-Pandemie. Denn zu befürchten ist, dass nach der Pandemie vor der Pandemie ist. In Niedersachsen haben Forschung, Versorgung und Verwaltung ressort- und disziplinübergreifend schnell zueinander gefunden, gemeinsam relevante Fragestellungen identifiziert und Erkenntnisse zügig untereinander ausgetauscht. Als Land haben wir dafür rund 19 Millionen Euro bereitgestellt. Der interdisziplinäre Forschungsansatz ist ein besonderes Leistungsmerkmal des COFONI-Netzwerks. So erkannten die über COFONI vernetzten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nicht nur sehr früh die Relevanz von Langfristwirkungen der Pandemie, sondern sorgten durch die Einbeziehung der Gesellschafts- und Sozialwissenschaften dafür, dass den Langzeitfolgen in all ihren Facetten begegnet werden kann.“
Prof. Dr. Michael P. Manns, Präsident der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH), begrüßte zusammen mit Prof. Dr. Wolfgang Brück, Sprecher des Vorstands und Vorstand Forschung und Lehre der Universitätsmedizin Göttingen (UMG), zu Beginn der Veranstaltung die Anwesenden: „Ausgehend von der SARS-CoV-2 Pandemie bündelt das COFONI-Netzwerk die Kompetenzen in Niedersachsen und stärkt den Infektionsschwerpunkt an der Medizinischen Hochschule Hannover.“
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„COFONI at a Glance“
Prof. Dr. Jürgen Wienands, Sprecher des COFONI-Netzwerkes und Forschungsdekan der UMG, und Prof. Dr. Maren von Köckritz-Blickwede, stellvertretende COFONI-Sprecherin von der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover, gaben einen Überblick über die Entwicklung und Strukturen des Netzwerkes mit den verschiedenen Forschungsbereichen und der zentralen Technologieplattform. „Wir decken von der Wirkstoffforschung über digitale Formate einer individuellen Patient:innenversorgung bis hin zur Erforschung der Krankheitsmechanismen alle relevanten Bereiche ab, um die vielfältigen Symptomatiken der COVID-19-Erkrankung in ihrer Ganzheit zu verstehen“, sagte Prof. Wienands: „Durch die neuen Projekte zur Erforschung der Pandemie-Langzeitfolgen, die im Sommer 2023 gestartet sind, werden wir jetzt auch Erkenntnisse zu den Langzeitfolgen Long- und Post COVID gewinnen und somit zu einer besseren Versorgung der Betroffenen beitragen können. Zudem wird die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen als Folge der Corona-Pandemie untersucht und Maßnahmen entwickelt, um die Versorgung auch auf diesem Gebiet zu verbessern. Unternehmen und Arbeitnehmende sollen durch die neuen Forschungsvorhaben zudem Instrumente an die Hand bekommen, um den Umgang mit der Pandemie im Berufsalltag zu erleichtern.“ Prof. von Köckritz-Blickwede ergänzte: „Die erhobenen Daten und Ergebnisse, aber auch biologische Proben von Patient:innen und aus experimentellen Versuchen werden in einrichtungsübergreifenden zentralen Technologieplattformen gesammelt und stehen allen Kooperationspartner:innen für weitere Forschungs- und Analysezwecke zur Verfügung.“
Pandemie-Langzeitfolgen zeigen sich nicht nur in Krankheitsbildern
Prof. Dr. Tobias Welte, Direktor der Klinik für Pneumologie und Infektiologie der MHH, gab in seinem anschließenden Impulsvortrag einen Überblick über die Long- und Post COVID-Forschung auf nationaler und internationaler Ebene: „Wir müssen ganzheitlich denken und über den Tellerrand schauen. Nur durch die enge Verzahnung verschiedener Fachdiziplinen und die Einbindung internationaler Forschung können wir neue Erkenntnisse gewinnen und eine zufriedenstellende Versorgungssituation für alle schaffen.“ Prof. Dr. Berthold Vogel, Geschäftsführender Direktor des Soziologischen Forschungsinstituts Göttingen (SOFI), fokussierte in einem weiteren Impulsvortrag auf die Nachwirkungen der Pandemie auf die Gesellschaft: „Die Langzeitfolgen der Pandemie können nicht alleine in Krankheitsbildern beschrieben werden, die spezifische Therapien erfordern. Die gesellschaftlichen Effekte werden erst allmählich sichtbar – in den Schulen beim Leistungsstand der Schüler:innen, in den Betrieben bei der Arbeitsorganisation und der Gesundheitsprävention, in den Erwerbsbiographien bei der Wahl von Beruf und Arbeitsort, aber auch bezüglich der Frage, ob der gesellschaftspolitische Wille bleibt, unsere öffentlichen Infrastrukturen und unsere Daseinsvorsorge resilienter und zukunftssicher zu machen.“
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Seriöse Wissenschaftler:innen mit mehr Medienkompetenz ausstatten
In einer Keynote legte Dr. Christina Berndt, Wissenschaftsredakteurin der Süddeutschen Zeitung, die mediale Sicht auf die vergangene und aktuelle Situation der Pandemie dar: „Krisenzeiten sind immer Zeiten großen medialen Interesses. Bürgerinnen und Bürger konsumieren dann deutlich mehr Medieninhalte als in ruhigen Zeiten, der Bedarf an Einordnung ist groß. Diese Einordnung zu bieten, ist für seriöse Medien in Zeiten von Unwissenheit allerdings besonders schwer. Es ist eine Herausforderung, in der Uneinigkeit der verschiedenen Stimmen, Sichtweisen und Interessen, die es nicht nur auf seiten der Politik, sondern auch in der Wissenschaft gibt, die validen herauzufiltern. Das ist uns Medien in der Pandemie oft, aber nicht immer gelungen. Für die Zukunft gilt es, seriöse Wissenschaftler:innen mit mehr Medienkompetenz auszustatten und, natürlich, das Wissen um die Pandemie, ihre Folgen und die Möglichkeiten zur Prävention künftiger Pandemien und ihrer Auswirkungen mit Hilfe validierter Forschung zu mehren. Das Corona-Forschungsnetzwerk Niedersachsen leistet dazu einen sehr wertvollen Beitrag.“
In Vorträgen und Posterpräsentationen stellten die Forschenden ihre Ergebnisse der vergangen drei Jahre vor und gaben einen Ausblick auf die zukünftigen Projektziele. Das Forschungsnetzwerk umfasst insgesamt 38 Projekte, die bis Ende 2025 abgeschlossen sein werden.
In einer Podiumsdiskussion wurde abschließend die Frage diskutiert: „Was brauchen wir für den Umgang mit den Langzeitfolgen der Corona-Pandemie?“ In der einstündigen Gesprächsrunde diskutierten auf dem Podium Dr. Martina Wenker, Präsidentin der Ärztekammer Niedersachsen, Dr. Jürgen Peter, Vorstandsvorsitzender der AOK Niedersachsen, Dr. Thela Wernstedt, ehemalige gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im Niedersächsischen Landtag, Prof. Berthold Vogel, Prof. Tobias Welte und Dr. Christina Berndt. Das gemeinsame Fazit lautete: Nur gemeinsam und mit politischer Unterstützung kann die Versorgungssituation in Niedersachsen und bundesweit effektiv und nachhaltig verbessert und können neue Therapien auf den Weg gebracht werden.
COFONI - COVID-19 Forschungsnetzwerk Niedersachsen
Das Netzwerk wurde im Oktober 2020 auf Initiative von Universitätsmedizin Göttingen, Georg-August-Universität Göttingen, Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung, Medizinischer Hochschule Hannover und Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover gegründet. Darüber hinaus gehören dem Netzwerk das TWINCORE, Zentrum für Experimentelle und Klinische Infektionsforschung und das Deutsche Primatenzentrum – Leibniz-Institut für Primatenforschung an. Die besondere Strategie des Forschungsverbundes ist es, die niedersächsischen Kompetenzen in der Pandemie-Forschung zusammenzuführen, um die vorhandenen interdisziplinären und komplementären Expertisen optimal nutzen zu können. Die nötigen technischen Kompetenzen werden mit einer zentralen Technologieplattform gebündelt. Sie stellt allen Netzwerk-Beteiligten Daten und Biobanken sowie übergreifende Methoden und Tiermodelle zur Verfügung. Mit der aktuellen Förderrunde hat das Forschungsnetzwerk durch das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur bisher rund 19 Millionen Euro zur Erforschung der SARS-CoV-2-Pandemie und seiner Langzeitfolgen erhalten.
Weitere Informationen: https://www.umg.eu/cofoni/