Deutsche Forschungsgemeinschaft fördert Präventionsverbund HELICAP für weitere drei Jahre mit 3,8 Millionen Euro.
Mehr als die Hälfte der Deutschen hat nach eigener Einschätzung Schwierigkeiten, mit der Flut an Gesundheitsinformationen umzugehen und sich im Gesundheitssystem zurechtzufinden. Das ist problematisch, stehen doch die Gesundheitskompetenz und die individuelle Gesundheit in unmittelbarem Zusammenhang. Welche Bedingungen im Einzelnen dafür sorgen, ob Menschen gut und richtig informiert sind, untersucht die Forschungsgruppe HELICAP (Health literacy in early childhood allergy prevention) am Beispiel frühkindlicher Allergieprävention. Dabei setzt HELICAP mit 20 Expertinnen und Experten aus den Bereichen Gesellschafts-, Gesundheitswissenschaften und Medizin an insgesamt sechs deutschen Hochschulstandorten – darunter auch die Medizinische Hochschule Hannover (MHH) – auf eine interdisziplinäre Herangehensweise. Koordiniert wird HELICAP von der Universitätsmedizin Magdeburg in Kooperation mit der Pädagogischen Hochschule Freiburg. Ziel ist es, die wissenschaftlichen Grundlagen für ein umfassenderes Verständnis von Gesundheitsentscheidungen zu verbessern und die Gesundheitskompetenz von Eltern nachhaltig zu fördern. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) hat die Förderung jetzt um weitere drei Jahre verlängert und unterstützt das Projekt mit insgesamt 3,8 Millionen Euro. Davon gehen rund 560.000 Euro an die MHH.
Das Teilprojekt „Nutzerbedürfnisse“ unter der Leitung von Dr. Jonas Lander, Public-Health-Experte am MHH-Institut für Epidemiologie, Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung, beschäftigt sich mit der Frage, wie das vorhandene Angebot an Informationen die Eltern besser erreicht. Außerdem wollen die Forschenden Empfehlungen für geeignete Informationsmaterialien entwickeln, um die elterliche Gesundheitskompetenz zu fördern. Während sich das Teilprojekt in Hannover um die elterlichen Sichtweisen kümmert, entwickeln die anderen Teams Konzepte, mit denen Gesundheitsexpertinnen und -experten Eltern besser beraten können, analysieren das elterliche Präventionsverhalten im Alltag und bewerten, welche Präventionsmaßnahmen aus wissenschaftlicher Sicht effektiv sind.
Verlässliche Informationen sind für Eltern nicht einfach zu finden
Das Thema Prävention werde immer wichtiger, betont Dr. Lander. „Immer mehr Kinder leiden unter Allergien – mit hoch bleibender und teils steigender Tendenz“, sagt er. Dabei sei es für betroffene Eltern nicht einfach, sich zu informieren. Mangelnde Qualität vor allem von digitalen Quellen, Missverständnisse und Mythen erschwerten richtige Entscheidungen zur Vorbeugung. Gerade die ersten drei Lebensjahre seien jedoch prägend für die Entwicklung des kindlichen Immunsystems. „Beim Thema Allergieprävention kommt hinzu, dass sich die wissenschaftlichen Empfehlungen schnell ändern. Gute Informationen können aber nur entwickelt werden, wenn wir wissen, wie Eltern mit Empfehlungen umgehen und welchen Ressourcen sie vertrauen“, gibt der Gesundheitswissenschaftler zu bedenken. So ging man früher davon aus, dass allergieauslösende Stoffe bei Kindern vermieden werden sollten, während mittlerweile klar ist, dass die frühzeitige Konfrontation mit Allergenen wie etwa Tierhaaren, Nüssen oder Gräserpollen einer Allergie vorbeugt.
Ansprechpersonen oft mit anderen Aufgaben ausgelastet
Anhand von Interviews haben die MHH-Forschenden der Arbeitsgruppe Patientenorientierung und Gesundheitsbildung in der ersten Förderphase bereits ermittelt, dass sich Eltern in der Regel weniger über digitale Angebote aus dem Internet informieren. Vielmehr sehen sie Einrichtungen im Gesundheits- und Sozialwesen aufgrund ihres Vertrauensverhältnisses und ihres regelmäßigen persönlichen Kontakts zu Erzieherinnen und Erziehern, Kinderärztinnen und -ärzten oder Hebammen als wichtige Informationsquelle an. „Die Ergebnisse sind aussagekräftig, da wir mit 144 Eltern aus unterschiedlichen sozialen, sprachlichen und kulturellen Bevölkerungsgruppen gesprochen haben, wie sie Informationen für die Gesundheit ihrer Kinder finden, verstehen, bewerten und im Alltag nutzen“, betont Dr. Lander. Das Problem: Die von den Eltern bevorzugten Ansprechpersonen sind oft mit anderen Aufgaben ausgelastet und haben daher selten Zeit für Allergieberatung. „Jüngste Forschungsergebnisse zeigen zudem, dass wissenschaftliche Erkenntnisse zur Allergieprävention Gesundheitsfachkräften zwar häufig bekannt sind, aber nicht aktiv weitergegeben werden“, sagt der Public-Health-Forscher.
In den nächsten drei Jahren wollen Dr. Lander und sein Team nun untersuchen, wie die bestehenden Angebote möglichst unkompliziert an die Eltern weitergegeben werden können. „Wir testen den Prozess der Informationsvermittlung über verschiedene Einrichtungen und überprüfen dann, was funktioniert und was nicht und unter welchen Bedingungen.“ Nach drei Jahren soll es dann konkrete Empfehlungen geben, wie das am besten klappen kann.
Text: Kirsten Pötzke