Das PPZ testet den Assistenzroboter Lio, der sprechen, Türen öffnen und Personen erkennen kann.
Stand: 24. April 2023
Waren Roboter früher hauptsächlich in der Industrie tätig, rücken sie inzwischen bis in die häusliche Umgebung vor. So mähen sie beispielsweise Rasen oder saugen Fußböden. Aber sind Roboter auch in der Pflege einsetzbar? Könnten sie Aufgaben auf einer Station übernehmen? Und wenn ja, welche? Diese Fragen werden angesichts des Mangels an Pflegefachpersonen immer drängender. Daher beschäftigt sich auch das Pflegepraxiszentrum (PPZ) Hannover, bei dem die MHH Partner ist, mit Robotik und deren Möglichkeiten. In Kooperation mit der Stiftung Robokind veranstaltete das PPZ drei Workshops zu dem Thema. Viel Aufmerksamkeit bekam dabei eine Apparatur namens Lio: Der mobile Assistenzroboter wird derzeit im PPZ getestet.
Mit Künstlicher Intelligenz lernt Lio stetig dazu
Lio ist etwa 1,20 Meter groß und besteht aus einem fahrbaren Unterbau und einem funktionalen Greifarm. Er hat einen vogelähnlichen Kopf mit Kulleraugen, einen Greifschnabel und eine freundliche Stimme. „Hallo Jörn, wie geht es dir?“, fragt Lio, nachdem er sensorgesteuert durch den Raum gefahren ist und vor Dr. Jörn Krückeberg vom PPZ-Projektteam stehen bleibt. „Gut“, antwortet Dr. Krückeberg und bittet Lio, einen Witz zu erzählen. Er könnte ihn auch auffordern, Musik abzuspielen, Bewegungsübungen vorzumachen oder eine Tür zu öffnen. Lio hat ein wenig Entertainment und einige praktische Fähigkeiten parat. Sein Potenzial ist weitaus größer. Mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) lernen Roboter wie Lio stetig dazu. Sie sammeln Daten, erkennen Verhaltensmuster, interpretieren diese und passen so ihr eigenes Verhalten an. „In Deutschland sind Roboter in Kliniken noch eine absolute Seltenheit. Doch die Entwicklung schreitet schnell voran“, sagt Dr. Krückeberg. KI sei in der Pflege ein wichtiges Zukunftsthema.
Im PPZ und auf der chirurgischen Partnerstation 17 ist Roboter-Technik nicht neu. Dort wurden schon die Robbe Paro und die JustoCat getestet. Die Kuscheltiere gehören zur sogenannten emotionalen Robotik. Sie reagieren auf Berührung und dienen vor allem zur Beruhigung ängstlicher und unruhiger Patientinnen und Patienten. Doch bei Robotern wie Lio handelt es sich um eine andere Größenordnung. Die Fachwelt diskutiert nicht nur über die technischen Möglichkeiten solcher Geräte, sondern beispielsweise auch über die ethischen Grenzen ihres Einsatzes auf Stationen.
Ersatz für Pflegekräfte?
Die Befürchtung, dass Roboter Pflegekräfte ersetzen könnten, wird ebenfalls geäußert. Und nicht zuletzt wird die Problematik des Datenschutzes angesprochen. Das Interesse an dem Thema ist bei den Teilnehmenden unterschiedlicher Berufsfelder groß, die Workshops waren schnell ausgebucht. Daher sind weitere Workshops geplant. „Unser Ziel ist es, in der MHH eine Diskussion über Robotik im Pflegealltag anzustoßen“, erklärt Dr. Krückeberg. „Einerseits wollen wir den Pflegefachpersonen zeigen, welche technischen Möglichkeiten Assistenzroboter haben, andererseits interessiert uns, wie sie zum Thema Robotik stehen.“
Bei den Veranstaltungen wurde deutlich, dass die Pflegekräfte Roboter wie Lio ausschließlich in unterstützender Funktion sehen. Sie möchten im Berufsalltag entlastet werden – nicht bei ihren pflegerischen Tätigkeiten am Patientenbett, sondern bei logistischen Aufgaben. Beispiele sind der Transport von Getränkekisten, das Befüllen von Medikamentenschränken, die Verteilung von Mahlzeiten und die Rücknahme von Tabletts. Im PPZ, genauer im Peter L. Reichertz Institut für Medizinische Informatik, versuchen die Fachleute nun, Lio diese Fähigkeiten anzutrainieren. Eventuell werden im PPZ auch noch andere Assistenzroboter getestet.
Ob und wann Lio oder ein anderes Robotermodell jemals den Weg auf eine MHH-Station schafft, steht in den Sternen. „Wir bleiben offen und sind an den aktuellen Entwicklungen dran“, sagt Dr. Regina Schmeer. Eines steht für die Leiterin des PPZ aber fest: „Assistenzroboter wie Lio sind zur Unterstützung der Pflegefachpersonen bei logistischen Aufgaben gedacht“, sagt Dr. Schmeer. „Sie sind nicht annähernd in der Lage, pflegerische Tätigkeiten auszuüben oder zwischenmenschliche Beziehungen aufzubauen“.
Text: Tina Götting