MHH-Gastroenterologe Dr. Bernd Heinrich untersucht, wie sich Bakterien und Immunzellen in der Tumorumgebung austauschen. Die Else Kröner-Fresenius-Stiftung zeichnet ihn dafür mit dem mit 250.000 Euro dotierten Memorialstipendium aus.
Gallengangskrebs ist eine seltene, aber schwerwiegende Erkrankung, die meist tödlich endet. In der Fachsprache Cholangiokarzinom (CCA) genannt, kann sie die Gallengänge innerhalb und außerhalb der Leber betreffen. Die Häufigkeit der Fälle nimmt weltweit zu, die Heilungschancen gelten als schlecht. Wird der Tumor mit einer Operation vollständig entfernt, gibt es zwar Aussichten auf eine Genesung; meist wird der Krebs aber erst spät entdeckt. Im fortgeschrittenem Tumorstadium setzt die Krebsmedizin auf Chemotherapie, seit kurzem zusätzlich auch auf Immuntherapien. Doch die Ansprechraten sind nach wie vor gering. Eine wichtige Rolle spielt offenbar der unmittelbare Bereich um den Krebsherd herum, die sogenannte Tumormikroumgebung. Hier wirken Zellen des angeborenen Immunsystems und Bakterien wechselseitig aufeinander ein. Wie dies den Verlauf der Erkrankung beeinflusst, ist noch weitgehend unbekannt.
An diesem Punkt möchte Dr. Bernd Heinrich, Assistenzarzt an der Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie, Infektiologie und Endokrinologie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH), ansetzen. Mit Hilfe moderner Sequenzierungsverfahren wollen er und sein Team das Netzwerk von angeborenen lymphatischen Zellen (ILCs) und Bakterien im Gallengangskrebs und dessen Mikroumgebung untersuchen. Die neuen Erkenntnisse sollen helfen, die Wirkung der Immuntherapien zu verbessern. Die Else Kröner-Fresenius-Stiftung zeichnet den Wissenschaftler dafür mit dem Memorialstipendium für besonders begabte junge Ärztinnen und Ärzte aus und fördert das Projekt über zwei Jahre mit 250.000 Euro.
Drei verschiedene CCA-Untergruppen
Je nach Lage zur Leber wird Gallengangskrebs in drei Untergruppen unterteilt, die sich auch genetisch voneinander unterscheiden. „In verschiedenen Studien haben wir bereits bestimmte Bakterienzusammensetzungen in der Galle oder im Stuhl von Patientinnen und Patienten mit CCA identifiziert“, sagt Dr. Heinrich. „Wir konnten sehen, dass sich die Bakterienzusammensetzung bei den drei Untergruppen unterscheidet, was offenbar den Verlauf und die Prognose der Erkrankung beeinflusst.“ Denn die Bakterien spielen nicht nur eine Rolle bei der Reparatur der Gallenwege, sondern können auch Infektionen auslösen, welche wiederum unkontrolliertes Wachstum der Gallenwege begünstigen. Gleichzeitig befinden sich in der Tumormikroumgebung auch Zellen des angeborenen Immunsystems, der ersten Verteidigungslinie unserer körpereigenen Abwehr. Diese ILCs beeinflussen die Immunantwort gegen Tumore und treten mit den Bakterien in Wechselwirkung.
Bakterienflora bestimmen
In Voruntersuchungen an Patienten mit Leberkrebs stellte Dr. Heinrich bereits fest, dass eine Veränderung des Darmmikrobioms nach der Anwendung von Breitbandantibiotika das Wachstum von Leberkrebs und Lebermetastasen beeinflusst. „Wir gehen davon aus, dass ILCs eine entscheidende Rolle bei der Tumorimmunität spielen und wichtige Regulatoren in der Tumormikroumgebung bei CCA sind“, sagt der Mediziner. „Wir wollen verstehen, wie die ILCs mit den Bakterien innerhalb und außerhalb des Tumors zusammenwirken und welchen Einfluss das auf die Krankheitsentwicklung hat.“ ILCs reagieren sehr schnell, wenn sich ihre Umgebung verändert. Das geschieht möglicherweise auch, wenn zusätzlich zu den ortsständigen Bakterien der Gallenwege andere aus dem angrenzenden Darm in die Leber einwandern.
Die ILCs will Dr. Heinrich aus operativ entferntem CCA-Gewebe der drei Tumor-Untergruppen isolieren. „Daraus fertigen wir Schnitte an, die wir auch auf Bakterien untersuchen und mit gesunden Kontrollen vergleichen.“ Außerdem sollen vor der Operation abgegebene Mund- und Rektalabstriche Aufschluss über die Bakterienflora der Betroffenen und den Zusammenhang zwischen dem Mikrobion im Darm, der Leber und den Gallenwegen geben. Die Analyse der Bakterienzusammensetzung aus den Gewebeproben und den Abstrichen geschieht in Kooperation mit dem Comprehensive Cancer Center Niedersachsen (CCC-N).
Einfluss von Antibiotika untersuchen
„Unser Ziel ist es, bestimmte Untergruppen von ILCs, Bakterien oder deren Stoffwechselprodukte zu identifizieren, welche dann genutzt werden können, um die Immunantwort gegen den Tumor zu verbessern“, erklärt Dr. Heinrich. „Bislang behandeln wir die drei Subtypen gleich, was wahrscheinlich nicht richtig ist Diese neuen therapeutischen Ansätze werden dann in Gewebemodellen getestet und mit der aktuell angewendeten Immuntherapie vergleichen. So sollen neue Behandlungskombinationen für eine optimierte Immuntherapie des Gallengangskrebses entwickelt werden.
Die Forschenden wollen zudem untersuchen, wie sich der Einsatz von Antibiotika auswirkt, die gegen chronische Entzündungen der Gallenwege verordnet werden, welche das Risiko für die Entstehung eines Gallengangskarzinoms vergrößern. „Wir wollen herausfinden, ob starke Breitbandantibiotika die Tumorentwicklung eher verhindern, da sie die Entzündungen bekämpfen oder ob sie den Krebs sogar fördern, indem sie das Mirobiom nachteilig verändern“, sagt der Gastroenterologe. „Am Ende führen unsere Untersuchungen ein Stück weiter Richtung personalisierte Medizin und Präzisionsonkologie.“
Text: Kirsten Pötzke