Das Hannover Herzrhythmus Centrum geht neue Wege, um Ärztinnen in der Schwangerschaft zu unterstützen.
Kündigt sich Nachwuchs an, stellt sich für viele Ärztinnen die Frage, ob sie ihre Arbeit weiter ausüben können und dürfen. Häufig werden für bestimmte Tätigkeiten wie beispielsweise Operationen oder Untersuchungen mit Röntgenstrahlung pauschal Beschäftigungsverbote verhängt, ohne individuell zu prüfen, ob eine Weiterbeschäftigung unter bestimmten Voraussetzungen nicht doch möglich wäre. Für viele Frauen ist mit dem „Stopp“ ein Karriereknick verbunden – besonders während der Facharztweiterbildung. Das Hannover Herzrhythmus Centrum (HHC) der Klinik für Kardiologie und Angiologie geht bei dem Thema neue Wege.
In der invasiven Kardiologie und Rhythmologie arbeiten weniger Ärztinnen als Ärzte. Einen Grund dafür sieht Professor Dr. David Duncker in der Sorge vor erhöhter Strahlenexposition und in der längeren invasiven Ausbildung mit Eingriffen wie Katheterablationen und Implantationen von Herzschrittmachern und Defibrillatoren. „Viele Frauen entscheiden sich gegen die Weiterbildung in diesen Bereichen, weil sie befürchten, diese im Falle einer Schwangerschaft unterbrechen zu müssen“, bedauert der Leiter des Hannover Herzrhythmus Centrum. Als eine von wenigen kardiologischen Weiterbildungsstätten in Deutschland hat das HHC deshalb Strukturen geschaffen, mit denen Ärztinnen trotz Schwangerschaft die invasive Weiterbildung fortsetzen können.
Fachgesellschaften erlauben invasives Arbeiten
„Nach aktuellen Empfehlungen der Fachgesellschaften ist eine Fortführung der invasiven Tätigkeiten unter bestimmten Bedingungen und auf freiwilliger Basis auch schwangeren Ärztinnen erlaubt“, erklärt Professor Duncker. Im HHC wurde das Thema aktuell, weil im vergangenen Jahr zwei Ärztinnen fast gleichzeitig schwanger geworden waren. Fachärztin Dr. Johanna Müller-Leisse und Assistenzärztin Dr. Henrike Hillmann wollten beide weiter im Herzkatheterlabor arbeiten – die eine um noch mehr Routine zu bekommen, die andere, um ihre Facharztweiterbildung fortzusetzen. Dank spezieller zusätzlicher Vorkehrungen zum Schutz vor Strahlung und vor Infektionen konnten beide bis kurz vorm Mutterschutz ihren Job machen. Nach einigen Monaten Mutterschutz kehren demnächst beide als Vollzeitkräfte in die Klinik zurück. Dafür bringen die Väter sich stärker in die Kinderbetreuung ein.
Zu den zusätzlichen Schutzmaßnahmen im HHC gehören beispielsweise der Einsatz von zweiteiligen Röntgenschürzen, sterilen Strahlenschutzdrapes und eines sogenannten Livedosimeters zur Kontrolle der Strahlenexposition während des Eingriffs. Zum Schutz vor Infektionen werden alle Patientinnen und Patienten auf HIV und Hepatitis B getestet. Sind diese ausgeschlossen, können schwangere Ärztinnen die Prozedur grundsätzlich vornehmen. Außerdem unterstützt das gesamte Team die schwangeren Kolleginnen. Alle sind informiert und sensibilisiert – im Bedarfsfall springt jemand ein, der gleichwertig qualifiziert ist.
Individuelle Entscheidung
Für die Ärztinnen war besonders das Livedosimeter wichtig. „Das Gerät wird direkt auf dem Unterleib getragen. Es hat mir gezeigt, dass ich dort keine Strahlung abbekommen habe. Das hat mir sehr viel Sicherheit gegeben“, sagt Dr. Hillmann rückblickend. Auch die Unterstützung durch das Team schätzen die Ärztinnen sehr. „Wir haben gemeinsam besprochen, welche Eingriffe wir vornehmen. Und wäre es körperlich, beispielsweise durch zu langes Stehen am OP-Tisch, zu anstrengend geworden, dann wären wir jederzeit abgelöst worden“, erläutert Dr. Müller-Leisse. Die neuen Strukturen sehen beide als große Verbesserung im Herzkatheterlabor. „Das ist ein wichtiger Schritt, um zu verhindern, dass Ärztinnen während der Familienphase ausgebremst werden“, sagt Dr. Müller Leisse. Das sieht auch Dr. Hillmann so. „Es ist toll, dass jetzt jede Frau selbst entscheiden kann, ob sie auch während der Schwangerschaft im Herzkatheterlabor arbeitet oder nicht.“
Text: Tina Götting