Forschung

Maßgeschneiderte Implantate: MHH plant Translationszentrum für Präzisionsmedizin

Bundesweit einzigartig: MHH plant mit NIFE und Medizintech-Firmen ein Translations-Hub, das Kliniken umfassend mit Grundlagenforschung und Herstellung von Implantaten verbindet.

Frank Doods (3. v.r.), Theodor Doll, Prof. Nils-Claudius Gellrich, Christian Leibinger, Frank Reinauer, MHH-Professorin Meike Stiesch und MHH-Präsident Prof. Michael P. Manns stehen um eine großen Tisch, auf dem Skizzen für den Translations-Hub liegen.

Staatssekretär Frank Doods aus dem Niedersächsischen Wirtschafts-Ministerium (3. v.r.) hört sich die Pläne der MHH zu einem bundesweit einzigartigen Translationszentrum an. Die MHH-Professoren Theodor Doll (v.l.) und Prof. Nils-Claudius Gellrich präsentieren gemeinsam mit Christian Leibinger und Frank Reinauer vom Medizintechnikhersteller KLS Martin aus Tuttlingen, MHH-Professorin Meike Stiesch und MHH-Präsident Prof. Michael P. Manns das Vorhaben. Copyright: Daniela Beyer/MHH

Geschätzt eine Million Menschen erhalten allein in Deutschland jedes Jahr ein Implantat zur Funktionswiederherstellung oder als Organersatz – künstliche Knie- oder Hüftgelenke, neue Linsen bei grauem Star, Zahnimplantate oder implantierbare Hörsysteme. Und der Bedarf steigt im Zuge des demografischen Wandels. Dabei setzt sich die Entwicklung hin zur Präzisionsmedizin fort, denn durch die Personalisierung, also die perfekte Anpassung von Implantaten an die individuelle Anatomie der Patientin oder des Patienten, verlängern sich die Implantatstandzeiten, verkürzt sich die Rehabilitationszeit, steigt die Lebensqualität und die Leistungsfähigkeit – im Beruf, im Ehrenamt, in der (schulischen) Ausbildung. Personalisierte Medizin erweist sich in allen medizinischen Abläufen als großer Faktor bei Kostenersparnis.

Möglich wird dies durch die rasanten Fortschritte auf dem Gebiet der Biomaterialien und der additiven Fertigung, also dem 3-D-Druck, der die Personalisierung von Implantatdesigns und -funktionen erlaubt. Implantate lassen sich bei Bedarf mit Medikamenten „beladen“, die dann nach und nach im Körper freigesetzt werden und genau dort ihre heilende Wirkung erzielen, wo es notwendig ist. Parallel dazu schickt sich die digitale Präzisionschirurgie an, diese Entwicklung in einen ganzheitlichen IT-getriebenen Prozess zu integrieren: Klinische Daten und die Bildgebung bilden die Basis für die Modellbildung der Implantate, die anschließend durch geeignete additive Fertigungsverfahren patientenspezifisch sowohl prä- als auch intraoperativ hergestellt werden können. Notwendige Designkorrekturen könnten sogar noch intraoperativ ausgeführt werden. Das verkürzt Wege und Herstellungszeiten.

Klinik- und Industrieplattform für alle chirurgischen Disziplinen

Mit der Umsetzung ergeben sich neue Herausforderungen im Bereich der Interaktion von Medizinerinnen und Medizinern und Ingenieurinnen und Ingenieuren, in der Regulatorik und nicht zuletzt in einer Notwendigkeit zu völlig neuartigen Ausbildungsgegenständen.

Der Standort Hannover hat gute Chancen, dies als Vorreiter abzudecken: Hier gibt es das NIFE (Niedersächsisches Zentrum für Biomedizintechnik, Implantatforschung und Entwicklung), das mit den Partnern Medizinische Hochschule Hannover (MHH), Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover (TiHo) und der Leibniz Universität Hannover (LUH) eines der weltweit größten Forschungszentren der Implantat-Grundlagenforschung ist. Die klinischen Prozessdigitalisierungen sind weit fortgeschritten. Start-Ups und der Zuzug namhafter Medizintechnikunternehmen wie KLS Martin aus Tuttlingen sorgen durch physische Klinikanbindung dafür, das dieser Digitalisierungs- und Personalisierungs-Hub aufgebaut werden kann.

Dieser Schulterschluss von Wirtschaft und Wissenschaft, der von der Wirtschaftsentwicklungsgesellschaft hannoverimpuls unterstützt wird, kann Leuchtturm von internationaler Strahlkraft für die Medizintechnik der Zukunft werden. Es soll nicht weniger als eine Klinik- und Industrieplattform entstehen, die in Privat-Public-Partnership allen chirurgischen Disziplinen mit übergreifender Kompetenz zur Verfügung steht. Hierfür nötig wären die Einrichtung vorwettbewerblicher Translations-Labore, Anschubmaßnahmen sowie der Ausbau zielgerichteter Qualifizierungsmaßnahmen für eine neue Generation von Spezialistinnen und Spezialisten. Vor allem aber wäre eine ressortübergreifende Unterstützung nötig, um den „Digital Health“-Standort Niedersachsens zeit- und damit wirtschaftsnah in die digitalisierte, personalisierte Präzisionsmedizin zu führen.

Text: Daniela Beyer