Forschung

Mehr Sicherheit für Medikamente

MHH-Professor erhält „ERC Proof of Concept Grant“, um die Sicherheit von Arzneimittel zu revolutionieren / Neuartige Immunzellen sollen Millionen Menschen zu Gute kommen

Zu sehen ist eine Flasche Natriumchlorid-Infusionslösung, die von Professor Lachmann in Richtung Kamera gezeigt wird. Professor Lachmann will die Sicherheit von Medikamenten, die durch eine Injektion parenteral verabreicht werden, revolutionieren

Professor Lachmann mit einer Flasche Natriumchlorid-Infusionslösung. Professor Lachmann will die Sicherheit von Medikamenten, die durch eine Injektion parenteral verabreicht werden, revolutionieren Copyright: Karin Kaiser/MHH

Stand: 07.09.2022

Arzneimittel, die gespritzt werden, müssen im Rahmen ihrer Herstellung und Freigabe kontinuierlich auf Verunreinigungen getestet werden, da diese Fieber oder sogar eine Blutvergiftung verursachen können. Bisher geschieht dies meist mit Tierversuchen, Tierprodukten oder mit dem sogenannten Monozyten-Aktivierungstest (MAT). Doch den Einsatz von Tierversuchen und -produkten gilt es zu vermeiden – auch, weil sie die menschliche Physiologie zum Teil nicht ausreichend widerspiegeln und weil die europäischen Behörden sie ab 2026 nicht mehr akzeptieren.

Der auf gespendeten Blutzellen basierende MAT spiegelt die menschliche Physiologie zwar besser wider, wird jedoch von der Industrie nicht ausreichend akzeptiert, weil Blutspenden knapp sind und die Blutzellen stark variieren. Bisher gibt es als einzige Alternative nur künstliche, aus Krebsgewebe gewonnenen Zellen, mit denen jedoch nicht alle Verunreinigung detektiert werden können. Daher werden dringend neue Ansätze gesucht. Die Lösung könnte sein, innovative Zellprodukte, die für neuartige Therapien entwickelt werden, auch zur Sicherheitsbewertung von Medikamenten einzusetzen.

„Die iPYRO-Methode wird die Sicherheit der Medikamente revolutionieren“

Professor Dr. Nico Lachmann, Klinik für Pädiatrische Pneumologie, Allergologie und Neonatologie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) und Forscher des Exzellenzclusters RESIST, entwickelt aus diesen Gründen die sogenannte iPYRO-Methode. Dabei werden neuartige, künstlich erzeugte Immunzellen eingesetzt, um Verunreinigungen in Medikamenten aufzuspüren. Dafür hat ihn der Europäische Forschungsrat (European Research Council, ERC) nun mit dem „ERC Proof of Concept Grant“ ausgezeichnet. „Unsere iPYRO-Methode wird die Sicherheit der Medikamente revolutionieren, die durch eine Injektion parenteral verabreicht werden – also alle Injektionslösungen, Infusionen sowie Impfstoffe“, sagt Professor Lachmann.

Ein „ERC Proof of Concept Grant“ soll dazu dienen, das kommerzielle oder gesellschaftliche Innovationspotenzial eines ERC-Forschungsprojekts zu erkunden. Die Auszeichnung können ausschließlich Forscherinnen oder Forscher erhalten, die bereits zuvor vom ERC ausgezeichnet worden sind. Professor Lachmann hatte im Jahr 2019 den renommierten „ERC Starting Grant“ erhalten und damit eine Förderung seiner Forschung zu humanen Makrophagen in Höhe von 1,5 Millionen Euro über fünf Jahre.

Menschliche Immunzellen – im Labor hergestellt

Die Methode von Professor Lachmann basiert auf menschlichen Zellen des Immunsystems, welche voll definiert und ohne Spenderin oder Spender im Labor hergestellt werden können. Dabei handelt es sich um Makrophagen (Fresszellen), die von so genannten induzierten pluripotenten Stammzellen (iPS-Zellen) abstammen und in industrietauglichen Bioreaktoren gezüchtet werden.

„Die Zellen werden schon im Rahmen der Entwicklung Zell-basierter Therapien eingesetzt und werden nun zusätzlich Millionen Menschen zu Gute kommen, da mit ihnen sichere Arzneimittel hergestellt werden können“, meint Professor Lachmann. Die neuen Immunzellen ermöglichen es auch, weitere zukunftsweisende Testverfahren zu entwickeln, um die Gesundheitsforschung in Deutschland voranzubringen. Die Innovation konnte dank der interdisziplinären Zusammenarbeit der Bereiche Regenerativen Medizin (REBIRTH-Forschungszentrum für Translationale und Regenerative Medizin) sowie der Infektionsforschung (RESIST) an der MHH vorangetrieben werden.

Thümler: Transfer hat an Hochschulen hohen Stellenwert

Professor Lachmann ist nicht der einzige niedersächsische Forscher, der so ausgezeichnet worden ist. Auch Dr. Stefan Gloeggler von der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften hat einen „ERC Proof of Concept Grant“ erhalten. „Dass mit zwei der neun Proof of Concept Grants, die nach Deutschland gehen, Wissenschaftler aus Niedersachsen gefördert werden, zeigt, dass an den hiesigen Hochschulen und Forschungseinrichtungen nicht nur exzellente Forschung stattfindet, sondern auch der wichtige Transfer in Richtung Wirtschaft und Gesellschaft einen hohen Stellenwert hat“, sagt Niedersachsens Wissenschaftsminister Björn Thümler.

RESIST – Wir forschen für die Schwächsten

Professor Lachmann hat seine Professur an der MHH im Rahmen des von der MHH geleiteten Exzellenzclusters RESIST (Resolving Infection Susceptibility). RESIST besteht aus rund 50 Teams, die besonders anfällige Menschen besser vor Infektionen schützen wollen. Dazu gehören in der Klinik tätige Ärztinnen und Ärzte, denen die Situation der Patientinnen und Patienten sehr vertraut ist, sowie Grundlagenwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler, die Krankheitserreger und deren Zusammenwirken mit dem Immunsystem bis ins kleinste Detail erforschen. RESIST besteht aus sechs Partner-Institutionen. Sprecher ist Professor Dr. Thomas Schulz, Leiter des MHH-Instituts für Virologie. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert RESIST. Weitere Informationen erhalten auf der Homepage www.RESIST-cluster.de.

 

SERVICE:

Weitere Informationen erhalten Sie bei Professor Dr. Nico Lachmann, Lachmann.Nico@mh-hannover.de, Telefon (0511) 532-5366.