Prof. Dr. Michael Manns hat am 1. Januar 2019 das Amt des MHH-Präsidenten übernommen. Am 31. Dezember 2024 endet seine Amtszeit. Im Interview zieht er Bilanz.
Herr Professor Manns, Sie sind vor 33 Jahren als Direktor der Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Endokrinologie an die MHH gekommen. Warum haben Sie sich damals für Hannover entschieden?
Ich war sehr jung, ich war 39 Jahre alt, als ich hier angefangen habe. Damals war Lebertransplantation das Thema – und das war verbunden mit Hannover und dem Namen Rudolf Pichlmayr. Mein wissenschaftlicher Schwerpunkt war die Immunologie der Leber. Ich habe mich unter anderem mit autoimmunen und viralen Lebererkrankungen beschäftigt und auch mit der Wiederkehr dieser Erkrankungen nach einer Transplantation, was damals ein wichtiges Thema war, da dieses den Erfolg einer Transplantation gefährdete. Ich habe mich um die damals ausgeschriebene C4-Professur für Gastroenterologie und Hepatologie beworben. Es war meine dritte Bewerbung. Und es hat am Ende gepasst. Für mich zumindest. Ich hoffe auch für die MHH.
Ganz bestimmt. Haben Sie Ihre Entscheidung für Hannover jemals bereut?
Nein. Ich war dreimal in der Versuchung, Angebote anzunehmen. Das waren schwierige Entscheidungen. Aber am Ende sind meine Familie und ich hier in Hannover sehr glücklich geworden. Hannover ist zwar nicht unsere Heimat, aber unser Zuhause geworden.
Vor sechs Jahren, am 1. Januar 2019, sind Sie Präsident geworden; Ende des Jahres endet Ihre Amtszeit. Es waren schwierige Jahre. An was erinnern Sie sich ungern zurück?
Wer so ein Amt übernimmt und glaubt, dass er dann nur goldene Zeiten erlebt, der sollte das besser von vornherein nicht machen. Schwierig war sicherlich, dass das komplette Präsidium in der Zeit gewechselt hat. Schwierig war auch, dass der Generationswechsel nicht nur die leitenden Professuren, sondern praktisch alle Bereiche betroffen hat. Und die Pandemie steht über allem.
Haben Sie das Gefühl, dass hier auf dem Campus, der ja eine eigene kleine Welt in sich ist, die Pandemie besser verarbeitet wurde als in Hannover?
Das will ich nicht beurteilen. Die Medizinstandorte haben eine besondere Rolle gespielt in der Pandemie. Und gerade die Universitätsmedizin hat ihren Stellenwert bewiesen, als in der Anfangszeit mit den vielen Beatmungsfällen Menschen überregional eingeflogen wurden. Und die Forschung musste ja auch weitergehen während der Pandemie. Gut vorbereitet waren wir dadurch, dass Infektionsforschung von jeher zu einem unserer großen Schwerpunkte gehört.
Welche Begegnungen und Erfahrungen als MHH-Präsident waren am schönsten?
Was mich sehr beschäftigt hat, war der Generationswechsel. Die Begegnungen mit Menschen, die sich beworben haben um eine leitende Position im akademischen Bereich möchte ich nicht missen. Ich bin ja nun mal als MHH-Präsident auch Vorstand für Forschung und Lehre. Die Auseinandersetzung mit den Persönlichkeiten war das eine; zugleich musste ich – weil ich für die Außendarstellung der MHH zuständig bin – als Werbeträger des Standortes fungieren. Das war leicht, denn ich bin vollkommen überzeugt davon, dass die MHH ein sehr guter Standort ist – und Hannover eine lebenswerte Stadt. Ich finde, dass Hannover die am meisten unterschätzte Stadt in Deutschland ist.
►Video: Abschiedsbotschaft von Prof. Manns an die MHH-Mitarbeitenden
Als Wissenschaftsminister Falko Mohrs vor Kurzem Ihre Nachfolgerin, Professorin Denise Hilfiker-Kleiner, vorgestellt hat, hat er gesagt, dass Sie ihr ein bestelltes Feld hinterlassen. Auf was sind Sie ganz besonders stolz?
Erstmal ist das sehr nett von ihm. Auch er weiß, dass es noch einige zu lösende Probleme gibt. Die Baumaßnahmen müssen und werden vorangehen. Der Neubau ist primär für die Krankenversorgung definiert. Wir müssen aber auch darangehen, ein Konzept für die Neuaufstellung der Wissenschaft, der Lehre und der Ausbildung zu entwickeln. Wir sollten mit Volldampf unsere Exzellenz in Forschung, Lehre, Krankenversorgung, Ausbildung und Translation weiter voranbringen. Wir haben die Chance, hier einen umfassenden Hannover Health Science Campus (H2SC) zu entwickeln, der seinesgleichen suchen wird. Wir müssen aber die Mitarbeitenden, die Politik und Öffentlichkeit davon überzeugen, dass das alles seine Zeit braucht. Wir reden hier von 20 Jahren. Die Kernfrage lautet: Wie wird die Krankenversorgung in Zukunft aussehen? Wir werden einen riesengroßen Wandel erleben, der allein schon durch die Demografie mitbedingt ist. Auch Forschung und Lehre werden sich wandeln. Hier ist einerseits universitäre Spitzenmedizin angesiedelt mit den Schwerpunkten Infektiologie, Transplantationsmedizin, Implantatforschung und dem sich entwickelnden Schwerpunkt Onkologie. Auf der anderen Seite müssen wir auch unseren Beitrag dazu leisten, dass sich mehr Ärztinnen und Ärzte dazu entscheiden, nach abgeschlossenem Studium in der Primärversorgung am Patienten auf dem Lande zu arbeiten, damit überall im Land ein gleich hohes Niveau der medizinischen Versorgung sichergestellt werden kann.
Welche Tipps geben Sie Ihrer Nachfolgerin?
Meine Nachfolgerin und ich kennen uns gut. Sie war früher an der MHH in der kardiovaskulären Forschung tätig und hat wissenschaftlich ein großes Werk vorzuweisen. Sie war außerdem Forschungsdekanin der MHH noch während meiner Präsidentschaft. Sie ist erfahren in der Hochschulpolitik und hat Auslandserfahrung in mehreren Ländern. Sie ist gut vorbereitet. Am Ende sind es aber nicht Einzelpersonen, sondern es ist ein Team, das die Verantwortung trägt: ein Präsidium bestehend aus drei Mitgliedern, unterstützt vom Senat und von allen Mitarbeitenden aller Berufsgruppen. Ich glaube, dass sie das Geschick haben wird, die MHH voranzubringen. Sollten zwei unserer drei Exzellenzcluster im Mai 2025 bewilligt werden, kann die MHH im Wettbewerb um den Status einer Exzellenzuniversität antreten. Das könnte dann die erste große Herausforderung werden.
Was möchten Sie den 11.000 Menschen an der MHH sagen?
Wir haben schwere Zeiten durchlebt. Die Arbeitsbelastung ist groß, in allen Bereichen, vor allem aber in der Krankenversorgung. Es muss für Entlastung gesorgt werden. Mit der Entlastungsvereinbarung sollte das jetzt möglich sein. Man muss aber dafür Sorge tragen, dass die verschiedenen Berufsgruppen nicht auseinanderdriften. Am Ende spielt jeder eine wichtige Rolle. Schließlich ist die MHH eine gute Arbeitgeberin, die sichere Arbeitsplätze bietet.
Sie bleiben der MHH auch nach dem Ende Ihrer Amtszeit erhalten, oder?
Ja, aber ich werde niemandem im Weg stehen. Ich habe eine Seniorprofessur des Landes Niedersachsen inne und werde unter anderem versuchen zu helfen, das Zentrum für Individualisierte Infektionsmedizin (CiiM), dessen Gründungsdirektor ich sein durfte, mit Leben zu füllen.
Interview: Inka Burow