Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert Dr. Amar Deep Sharma aus der Klinik für Gastroenterologie und unterstützt seine Forschung zu RNA-Therapien bei schweren Lebererkrankungen.
Spätestens mit der Entwicklung der Schutzimpfungen gegen COVID-19 hat der Einsatz von Ribonukleinsäure (RNA) Einzug in die Medizin gehalten. Doch RNA lässt sich nicht nur für Impfungen einsetzen. Sie ist auch ein vielversprechendes Molekül, um neue Therapien für eine Vielzahl von Erkrankungen zu entwickeln, für die es bislang keine Heilung gibt – darunter Krebs und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Professor Dr. Amar Deep Sharma, Leiter der Arbeitsgruppe „RNA Therapeutics & Liver Regeneration“ an der Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie, Infektiologie und Endokrinologie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH), möchte das Potenzial von RNA nutzen, um Lebererkrankungen zu behandeln. Dabei setzt der Molekularmediziner sogenannte messenger RNA (mRNA) ein. Mit seinem Projekt „Entwicklung RNA basierter Therapeutika mittels zellulärer Reprogrammierung und Remodellierung von Leberzellen“ ist der Forscher in das begehrte Heisenberg-Programm der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) aufgenommen worden. Mit Vergabe der Heisenberg-Professur für „RNA-Therapien für die Leber“ zum 1. Oktober 2023 würdigt die DFG die herausragende Qualität des Wissenschaftlers und unterstützt seine Forschungsarbeit über fünf Jahre mit 780.000 Euro. „Die Auszeichnung ist ein Beweis für die Exzellenz seiner Arbeit und eine große Ehre für uns alle“, sagt Professor Dr. Frank Bengel, MHH-Forschungsdekan.
Schlüsselfaktor für den Leberstoffwechsel
Die mRNA kopiert die genetische Information, die in unserem Erbgut, der DNA, enthalten ist. Die Kopie dient dann als Vorlage für den Aufbau von Proteinen, den Bausteinen des Lebens. In seiner Forschungsarbeit nutzt Professor Sharma mRNA, um Leberfibrose zu therapieren. Eine solche Fibrose entsteht, wenn Lebergewebe aufgrund bestimmter Lebererkrankungen umgebaut wird und vernarbt. „Eine fortschreitende Fibrose beeinträchtigt zunehmend die Leberfunktion und kann zu einer Leberzirrhose und schließlich zu Leberversagen oder Krebs führen“, erklärt der Wissenschaftler. In Europa sterben daran jährlich mehr als 150.000 Menschen.
Seit acht Jahren beschäftigt sich Professor Sharma mit der Entwicklung therapeutischer RNAs. Erste Erfolge hatte er mit der Erforschung einer mRNA, die den Bauplan für den sogenannten Hepatozyten-Kernfaktor 4 alpha (HFN4α) enthält. Dieser ist ein wichtiger Schlüsselfaktor des Leberstoffwechsels. Das Protein aktiviert den Zucker- Fett- und Eiweißstoffwechsel sowie andere wichtige Enzyme, die eine zentrale Rolle für die Umsetzung körperfremder Stoffe wie etwa Arzneimittel spielen. Bei Leberfibrose nimmt der HFN4α-Spiegel mit fortschreitender Krankheit nachweislich ab. „In Studien am Mausmodell und in menschlichen Leberzellen konnten wir bereits zeigen, dass sich mit Hilfe der therapeutischen mRNA der HFN4α-Spiegel wiederherstellen und dadurch die Leberschäden verringern ließen“, erklärt Professor Sharma. Damit sei der Nachweis erbracht, dass kleine RNAs die Fähigkeit haben, akutes Leberversagen und chronische Leberschäden wie Leberfibrose zu unterdrücken.
Zu wenig Medikamente für Behandlung von Leberfibrose
„Der Mangel an zugelassenen Medikamenten, die eine Leberfibrose wirksam behandeln können, erfordert die rasche Entwicklung neuer antifibrotischer Therapien”, betont der Wissenschaftler. Auf Basis seiner bisherigen Forschungsdaten möchte er daher weitere mRNA-Therapiekandidaten für leberspezifische Erkrankungen sowie nicht-kodierenden RNAs finden, welche die Regeneration des Lebergewebes steuern könnten. Außerdem hat er zum Ziel, die Entwicklung der Leberfibrose genauer zu untersuchen und die biologischen Zusammenhänge des Krankheitsverlaufs aufzuklären. Ein wichtiges Anliegen ist dem Wissenschaftler aber auch, die Begeisterung für die RNA-Forschung und ihre therapeutischen Möglichkeiten den Studierenden nahezubringen. „RNA-Therapeutika sind die Arzneimittel der Zukunft und haben für Patientinnen und Patienten mehrere Vorteile wie Sicherheit und Wirksamkeit im Vergleich zu anderen Ansätzen“, erklärt Professor Sharma.
Stichwort Heisenberg-Professur
Mit den Heisenberg-Professuren unterstützt die DFG exzellente Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler über einen Zeitraum von fünf Jahren. Die Förderung soll vielversprechenden Talenten aus dem wissenschaftlichen Nachwuchs die Möglichkeit bieten, ein neues Forschungsgebiet an ihrer Hochschule zu etablieren und sich auf eine wissenschaftliche Leitungsposition vorzubereiten. Sie ist benannt nach dem deutschen Physiker Werner Heisenberg, der im Alter von 31 Jahren den Nobelpreis für Physik erhielt.
Text: Kirsten Pötzke