Das Coronavirus „Pirola“ hat einen Eintrittsweg in Lungenzellen wiederentdeckt, den auch die frühen SARS-CoV-2-Varianten genutzt haben, und kann so eine Lungenentzündung auslösen.
Die Pandemie ist offiziell beendet, doch das Coronavirus SARS-CoV-2 ist nicht verschwunden. Inzwischen haben die meisten Menschen einen robusten Immunschutz aufgebaut und erkranken nicht mehr schwer an COVID. Doch immer wieder verändern sich die Viren leicht und es tauchen neue Varianten auf, die teilweise sehr ansteckend sind. Seit Spätsommer 2023 kursiert die Omikron-Untervariante BA.2.86 (Pirola), die sich genetisch massiv von den zuvor vorherrschenden Omikron-Varianten unterscheidet. Forschende der Klinik für Rheumatologie und Immunologie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) haben in Kooperation mit dem Deutschen Primatenzentrum, dem Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung und weiteren Partnereinrichtungen die biologischen Eigenschaften der Pirola-Variante untersucht. Sie haben herausgefunden, dass diese anders als die bisherigen Omikron-Varianten sehr wirksam in Lungenzellen eindringen kann und somit überraschende Parallelen zu den zu Beginn der Pandemie vorherrschenden Varianten Alpha, Beta, Gamma und Delta aufweist. Allerdings bilden infizierte Lungenzellen offenbar nur wenige neue Viren, was Ausbreitung von Pirola und ihr Erkrankungspotenzial vermindern könnte. Medikamente wie therapeutische Antikörper sind zwar gegen Pirola unwirksam. Aber das Virus wird gut durch solche Antikörper gehemmt, die der Körper selbst nach einer Impfung mit dem neuen, Omikron-XBB.1.5-angepassten mRNA-Impfstoff bildet. Die Ergebnisse sind in der renommierten Fachzeitschrift „Cell“ veröffentlicht.
Variante nutzt Schlüsselenzym der Wirtszelle
Seit Beginn der Pandemie hat das Coronavirus SARS-CoV-2 sich ständig genetisch verändert. Durch die Mutationen im Spike-Protein, das auf der Virusoberfläche sitzt und ihm Zugang ins Zellinnere verschafft, konnten die neuen Varianten neutralisierenden Antikörpern in Geimpften und Genesenen immer wieder ausweichen. Ende 2021 wurde die Omikron-Untergruppe weltweit dominant, die sich genetisch stark von den vorher zirkulierenden Varianten unterscheidet. Sie kann sich neutralisierenden Antikörpern hochwirksam entziehen und wird daher sehr schnell übertragen. Gleichzeitig hat sie die Fähigkeit verloren, ein Schlüsselenzym der Wirtszelle, die Protease TMPRSS2, für den Eintritt in Lungenzellen effizient zu nutzen. Daher lösten die Omikron-Varianten weniger häufig eine Lungenentzündung aus. „Pirola hingegen hat die Tür in die Lungenzellen quasi wiederentdeckt“, sagt Professor Dr. Georg Behrens, Immunologe und Mitautor der Studie.
Neuer Omikron-Impfstoff wirkt auch bei Pirola-Infektion
Die Forschenden fanden überdies heraus, dass die Pirola-Variante zwei Mutationen im Spike-Protein aufweist, die für den erfolgreichen Eintritt in Lungenzellen wichtig sind. Ob diese Eigenschaft mit stärkerer Krankheit nach einer Infektion mit der Pirola-Variante verbunden ist, müssen weitere Studien zeigen. „Die Tatsache, dass die nach Impfung mit dem neuen XBB.1.5-adaptieren Impfstoff entstehenden Antikörper die Pirola-Variante gut hemmen können, ist zunächst einmal eine gute Nachricht“, betont Oberarzt Professor Behrens. „In einer früheren Studie vom Dezember vergangenen Jahres haben wir bereits gezeigt, dass der neue Impfstoff einen wirksamen Schutz aufbauen kann, wenn auch wahrscheinlich nur einen zeitlich begrenzten.“ (Informationen zur Studie finden Sie hier).Denn eine Untervariante von Pirola ist schon global auf dem Vormarsch. Sie trägt eine weitere Mutation im Spike-Protein, die eine Antikörperflucht verstärken könnte. Das Virus ist also dabei, sich weiter zu verändern.
Text: Kirsten Pötzke