Split-Leber-Verfahren rettet jungen Patienten.
Stand: 08. Oktober 2021
Nur 28 Tage alt und knapp vier Kilogramm schwer war Adam, als er an der MHH eine neue Leber erhielt. Er kam mit einem akuten Leberversagen in Gronau zur Welt. Die behandelnden Ärztinnen und Ärzte überwiesen die Familie aufgrund der schweren Erkrankung umgehend nach Hannover.
„Adam hätte ohne die Transplantation nur wenige Wochen überlebt. Denn bei Leberausfall gibt es keine vergleichbar effektiven Unterstützungssysteme zur Überbrückung wie die Dialyse bei Nierenversagen“, sagt Dr. Eva-Doreen Pfister, Leberspezialistin in der MHH-Kinderklinik. Das interdisziplinäre Team aus Kinder-Leberspezialisten und Bauchchirurgen listete Adam aufgrund der schweren Fehlfunktion des Organs nach seiner Ankunft in der MHH mit hoher Dringlichkeit für eine Transplantation.
Innerhalb von zwei Wochen fand sich ein Spenderorgan. „Es war ein echter Glücksfall, dass es in diesem kurzen Zeitraum einen kindlichen Organspender gab und die intensivmedizinischen Maßnahmen auf der neonatologischen Station 69 den Säugling zwischenzeitlich so gut stabilisieren konnten, dass eine Transplantation überhaupt möglich war“, sagt Professor Dr. Florian Vondran, Transplantationschirurg in der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie.
Split-Leber-Verfahren kommt zum Einsatz
Das gespendete Organ war für den Säugling trotz des jungen Spenders noch zu groß. Die Chirurgen wendeten daher das von Rudolf Pichlmayr 1983 in Hannover entwickelte Verfahren für eine Teil-Lebertransplantation, das sognannte Split-Leber-Verfahren, an. Dabei nutzen sie zwei besondere Eigenschaften der Leber: Das Organ ist aus Segmenten aufgebaut und kann geteilt werden. Und: Wenn man einen Teil der Leber entfernt, wächst die Leber wieder nach. „Ein Großteil der Kinder-Transplantationen wären ohne das Verfahren gar nicht möglich. Auch hat diese Technik die Lebendspende erst ermöglicht, bei der einem Elternteil ein Teil der Leber entnommen und anschließend dem Kind transplantiert wird“, erklärt Dr. Nicolas Richter, Leiter des Transplantationsprogramms in der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie. Doch: selbst das so geteilte Organ war noch immer zu groß, sodass die Chirurgen es weiter auf ein einziges Lebersegment verkleinerten.
Adam geht es hervorragend
Insgesamt lag Adam vier Wochen auf der Intensivstation und drei Wochen auf Normalstation. Zunächst erhielt er Nahrung und Medikamente intravenös. Nach einer Woche begann der Kostaufbau, und Adam begann zu trinken. „Fünf Monate später geht es Adam hervorragend“, sagt Professor Dr. Ulrich Baumann, Leberspezialist für Kinder. „Die Leber hat komplett ihre Funktion aufgenommen. Der Junge entwickelt sich vergleichbar zu anderen Kindern in dem Alter.“
Seit Juli 1983 wurden an der MHH insgesamt nur sieben Säuglinge in Adams Alter transplantiert; lediglich einer war mit 18 Tagen noch jünger. Insgesamt erhielten seitdem 865 Kinder eine neue Leber, 132 davon durch eine Lebendspende. Davon basieren zwischen 70 bis 75 Prozent der Kinderleber-Transplantationen an der MHH auf dem Split-Verfahren.
Engagiertes Team notwendig
Ein freies (Kinder-)Intensivbett, Operationssäle, spezialisierte Anästhesisten, Chirurgen, OP-, Anästhesie-, Intensiv- und Normalstationspflegekräfte, Mitarbeiter im Transplantationsbüro und viele weitere Beteiligte: Für eine solche Transplantation muss rund um die Uhr ein großer Stab an Ressourcen und Spezialisten vorgehalten werden. Denn während der Wartezeit auf der Transplantationsliste kann jederzeit ein Angebot für ein Spenderorgan eintreffen. „Ohne das persönliche Engagement der Beteiligten wären diese Eingriffe kaum durchzuführen“, betont Dr. Nicolas Richter.
Autorin: Camilla Mosel