Stroke Unit der MHH versorgt Betroffene rund um die Uhr – auch während der Corona-Pandemie / Bundesweiter Tag gegen den Schlaganfall am 10. Mai 2021
Stand: 04. Mai 2021
In Deutschland kommt es jedes Jahr zu etwa 270.000 Schlaganfällen – nicht selten mit tödlichem Ausgang. Daher lautet die Maxime bei einem Schlaganfall „Time is brain“: Jede Minute zählt. Die Betroffenen müssen möglichst schnell behandelt werden, um das Risiko für bleibende Schäden zu verringern. Am 10. Mai findet der bundesweite „Tag gegen den Schlaganfall“ statt. Aus diesem Anlass erinnert Professor Dr. Günter Höglinger daran, wie wichtig es ist, bei Anzeichen eines Schlaganfalls unverzüglich zu handeln. Das gilt auch in Corona-Zeiten. „Es gibt keinen Grund zu zögern. Die Krankenhäuser tun alles, um Ansteckungen mit dem Coronavirus zu vermeiden, so dass Patientinnen und Patienten keine Angst vor einer Infektion haben müssen“, erklärt der Direktor der Klinik für Neurologie mit klinischer Neurophysiologie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH).
Gerinnsel verschließt Gefäß im Hirn
Bei einem Schlaganfall, auch Apoplex genannt, kommt es durch ein Gerinnsel zu einem Gefäßverschluss im Gehirn. Die Folgen sind Durchblutungsstörungen, akute Funktionsstörungen des Gehirns und der Untergang von Hirnzellen. Bei Symptomen wie plötzlichen Sprachstörungen, Lähmungserscheinungen, Gefühlsstörungen, Sehstörungen und Schwindelattacken sollten Betroffene und Mitmenschen aufmerksam werden und sofort handeln – die Telefonnummer 112 wählen und den Notarzt rufen. So wie es Günter W. aus Hannover gemacht hat. Der 88-Jährige erlitt am 15. März, seinem Verlobungstag, einen Schlaganfall. „Meine Frau und ich wollten den Tag mit einem kleinen Kaffeetrinken in unserem Gartenhäuschen feiern“, erinnert er sich. Doch auf dem Weg vom Haus in die Gartenlaube wurde ihm plötzlich schwindelig und schwarz vor Augen. Er brach zusammen. „Zum Glück hat mich meine Frau schnell gefunden“, sagt W. Doch der Schwindel war immer noch heftig, und außerdem konnte er nur verwaschen sprechen. „Ich konnte auch nicht aufstehen. Da war uns klar, dass ich sofort ins Krankenhaus muss“, berichtet der ältere Herr. Mit dem Rettungsdienst wurde er in die MHH gefahren. Dort kam er noch rechtzeitig für eine erfolgreiche Behandlung an.
„Damit der Schaden durch einen Hirngefäßverschluss möglichst gering bleibt, muss die Blutversorgung im Gehirn optimalerweise innerhalb von maximal 4,5 Stunden nach dem Schlaganfall wieder hergestellt werden“, erläutert Professorin Dr. Karin Weißenborn, Leiterin der zertifizierten überregionalen Stroke Unit der MHH-Klinik für Neurologie. Die Stroke Unit ist eine Spezialstation für die Behandlung von Schlaganfällen. Im vergangenen Jahr wurden hier etwa 1.100 Patientinnen und Patienten mit Apoplex therapiert. Rund 1.800 Betroffene wurden zudem über das MHH-Teleneurologie-Netzwerk betreut. Dabei kooperieren die MHH-Neurologinnen und -Neurologen mit Kolleginnen und Kollegen in Partnerkliniken. In sogenannten Telekonsilen tauschen sie sich online über neurologische Notfälle in den Partnerkliniken aus. Mithilfe von Bilddaten des Hirns und Video-Live-Streams der betroffenen Patientinnen und Patienten leistet die MHH-Neurologie Unterstützung bei der Diagnose und bei Therapieentscheidungen. So soll von Hannover aus auch in der Fläche eine schnelle und bestmögliche Versorgung der Schlaganfallpatienten gewährleistet werden.
Behandlung ist Teamarbeit
„Die Behandlung von Schlaganfallpatienten ist immer Teamarbeit, viele Disziplinen und Professionen kooperieren dabei“, betont Professorin Weißenborn. Dazu gehören Ärztinnen, Ärzte und Pflegekräfte aus der Neurologie, Neuroradiologie, Anästhesiologie, Neurochirurgie, Inneren Medizin und Kardiologie und Angiologie sowie der Gefäßchirurgie. Hinzu kommen Fachleute der Physio- und Ergotherapie, Logopädie und Sozialarbeit.
Die Stroke Unit bietet an 365 Tagen im Jahr rund um die Uhr alle Diagnose- und Therapieverfahren für Schlaganfallpatienten. Das Gerinnsel in der Hirnarterie kann entweder durch eine medikamentöse Therapie, die Lyse, aufgelöst oder durch ein mechanisches Verfahren, die Thrombektomie, entfernt werden. Thrombektomien werden in der Neuroradiologie durchgeführt. Die Methode hat in den vergangenen zehn Jahren einen enormen Fortschritt in der Schlaganfallbehandlung gebracht. Sie wird hauptsächlich bei schweren Schlaganfällen eingesetzt, wenn große Blutgefäße im Gehirn verschlossen sind. Sie wurde auch bei Patient Günter W. angewendet. Der ältere Herr ist mittlerweile in der Rehaklinik und auf dem Weg der Besserung.
Die Wahrscheinlichkeit einen Schlaganfall zu erleiden, steigt mit dem Alter. „Der Altersgipfel liegt bei 75 Jahren“, sagt Professorin Weißenborn. „Wir haben aber auch viele jüngere Patientinnen und Patienten, in seltenen Fällen sogar Kinder.“ Risikofaktoren für einen Apoplex sind unter anderem starkes Übergewicht, Diabetes Mellitus, hohe Cholesterinspiegel, Vorhofflimmern, hoher Blutdruck und Rauchen.
Die schnelle und qualitativ hochwertige Versorgung der Schlaganfall-Patientinnen und -Patienten ist Professor Höglinger ein besonderes Anliegen. „Eines unserer nächsten Ziele ist die Zertifizierung zum Neurovaskulären Netzwerk“, sagt der Klinikdirektor. Dafür sind weitere qualitative und strukturelle Voraussetzungen zu erfüllen – beispielsweise die Weiterbildung des Rettungsdienstes. „Wir wollen erreichen, dass Schlaganfall-Patienten bei einem Notfall sicher identifiziert und sofort in eine Stroke Unit gefahren werden. Denn der Umweg über eine andere Klinik, in der die Betroffenen nicht richtig versorgt werden können, kostet wertvolle Zeit. Und die haben Patienten mit einem Schlaganfall nicht.“
SERVICE:
Weitere Informationen erhalten Sie bei Professor Dr. Günter Höglinger, hoeglinger.guenter@mh-hannover.de, Telefon (0511) 532-2390, und bei Professorin Dr. Karin Weißenborn, weissenborn.karin@mh-hannover.de, Telefon (0511) 532-2339.