Nach der Corona-Zwangspause begleiten wir Studierende bei ihrem ersten Blockpraktikum Kinderheilkunde.
Stand: 24. Juni 2022
Die Medizinstudierenden der MHH konnten auch während der Pandemie praktisch und am Patienten unterrichtet werden – wenn auch eingeschränkt – mit weniger Zeit und in kleineren Gruppen. Doch nicht in allen Kliniken ließ sich der praktische Unterricht umsetzen. In der Kinderklinik und in der Frauenklinik war der Unterricht am Patienten aufgrund der dort behandelten Risikogruppen nicht oder nur sehr eingeschränkt möglich, die Blockpraktika fanden überwiegend mit Online-Fallbeispielen statt. Seit diesem Wintersemester gibt es auch hier wieder praktischen Unterricht am Patienten – wie das Blockpraktikum der Kinderheilkunde zeigt.
Mit Maske und desinfizierten Händen betreten die MHH-Studierenden Lea Uhlenbusch, Ida Jaeger, Scarlet Wermund und Niklas Oetzmann das Krankenzimmer auf der Station 61A. Vorsichtig nähern sie sich dem Gitterbett, in dem ein sieben Monate alter Junge liegt und schläft, kurz nach einer Lebend-Leberspende, die er von seinem Vater erhalten hat. Der kleine Junge (Henri) hat die Transplantation gut überstanden, schläft viel und erholt sich von dieser Anstrengung. Die Eltern sind erleichtert, lassen die Gruppe junger Studierender einen Blick auf die OP-Narbe werfen und an der Krankheitsgeschichte ihres Sohnes teilhaben. Die Studentinnen und Studenten sind dankbar für diesen wertvollen Einblick, kontrollieren mit Kindergastroenterologe Dr. Tobias Laue die Geräte zur Überwachung des Gesundheitszustandes des kleinen Patienten.
Nicht alle kleinen Patient_innen eignen sich für den Unterricht
Ein paar Räume weiter begrüßt sie ein junges, fröhliches Mädchen im Patientenzimmer, es hat soeben die Schläuche einer Dialyse entfernt bekommen und darf sich nun wieder frei bewegen und von einer Infektion mit einem Keim erholen. Die Studierenden freuen sich mit ihr (der kleinen Hannah), gehen spielerisch auf die junge Patientin ein und dürfen schließlich ihre Bauchdecke abtasten und untersuchen. Anschließend besprechen die Studierenden im Stationszimmer die Diagnosen und Therapien dieser beiden jungen Patienten und werden von Dr. Laue befragt, welche Werte ihrer Meinung nach zu welchen Untersuchungsschritten und schließlich zur gewählten Therapie geführt haben könnten. Er bespricht mit ihnen die einzelnen Schritte und macht sie auf Auffälligkeiten und Besonderheiten aufmerksam.
Auf der Station der MHH-Klinik für Pädiatrische Nieren-, Leber- und Stoffwechselerkrankungen liegen viele schwer kranke junge Patientinnen und Patienten. Nicht alle eignen sich für den Unterricht mit Studierenden und müssen vor einer Ansteckung mit Corona geschützt werden. Auch die Eltern sind in der Pandemie vorsichtiger geworden. „Um so dankbarer sind wir den Eltern, die dem Unterricht am Patienten zustimmen und ihre Kinder von den Studierenden untersuchen lassen“, erzählt Dr. Laue. Während der Pandemie ging das nur theoretisch mit Fallbeispielen online. Und auch wenn die Lehrenden den Austausch in Kleingruppen im Skills Lab ermöglichten, sind die praktischen Erfahrungen am Patienten dadurch nicht zu ersetzen: „Es ist auf jeden Fall viel schwieriger, die Patientenfälle, Diagnosen und Therapien nur online mit den Studierenden zu besprechen als in Präsenz. Im Patientenunterricht findet ein viel intensiverer Austausch mit ihnen statt.“ Auch die Studierenden wissen nach zwei Jahren Pandemie diese Gelegenheit sehr zu schätzen.
"Endlich wieder Patienten sehen und untersuchen."
„Mir hat das Blockpraktikum in der Kinderheilkunde sehr gut gefallen. Ich bin glücklich, dass wir das Angebot hatten, endlich wieder Patienten sehen und untersuchen zu dürfen. Besonders gut gefallen hat mir, dass sich die Lehrenden sehr viel Zeit für uns genommen haben. Ich habe in dieser Woche sehr viel gelernt“, sagt Lea Uhlenbusch. Vorlesungen findet sie allerdings in Online-Format effektiver, da könnte jeder für sich zeit- und ortsunabhängig arbeiten. „Insgesamt konnten wir in dieser Woche aufgrund der Corona-Situation zwar weniger Kinder sehen als geplant oder gewünscht. Dennoch konnten wir ein Gefühl für den Normalzustand einer Untersuchung aber auch für Auffälligkeiten bekommen“, ergänzt Ida Jaeger. Für sie war es während der Pandemie stressig, immer mit der Angst zu leben, wichtige Präsenzzeiten oder Prüfungsphasen aufgrund einer Corona Erkrankung oder Quarantäne zu verpassen. „Nach zwei Jahren Pandemie und größtenteils Online-Lehre, war es sehr schön, wieder echte Patienten zu sehen und die praktischen Fertigkeiten trainieren zu können. Für mich persönlich war es sehr eindrücklich, dass man sich den Kindern bei einer Untersuchung oder Anamnese auf eine ganz andere Weise nähern muss, um ihr Vertrauen zu gewinnen“, erzählt Niklas Oetzmann und dankt den Lehrenden: „Die Kliniker haben sich sehr viel Mühe gegeben, trotz Corona uns so viele "spannende" Patienten wie möglich zu zeigen und mit uns zu besprechen.“
Auch bei den Lehrenden herrscht Erleichterung. „Wir haben zu Beginn des Moduls Ende November aufgrund der aktuellen Corona-Lage zittern müssen, ob wir dieses mal im Blockpraktikum endlich wieder ans Krankenbett gehen können“, berichtet Dr. Urs Mücke, Lehrbeauftragter der Kinderklinik. Ihm und seinen Kolleginnen und Kollegen sei es wichtig gewesen, die Studierenden endlich wieder am Patienten zu unterrichten. „Sie sind im vierten Studienjahr, wenn sie zu uns ins Blockpraktikum kommen. Es ist so wichtig, ihnen die Gelegenheit zu geben, ihr während des Studiums angeeignetes Wissen anzuwenden und ihre praktischen Fertigkeiten am Patienten zu trainieren, bevor sie in den letzten beiden Studienjahren in die Klinik gehen und dort ihr Praktisches Jahr absolvieren“, erklärt Dr. Mücke. Es sei für die angehenden Medizinerinnen und Mediziner zudem die einzige Gelegenheit, zu prüfen, ob sie sich die Kinderheilkunde als Berufsperspektive vorstellen können. „Daher ist der Präsenzunterricht für uns durch nichts zu ersetzen“, betont der Dozent und hofft auf eine weitere Entspannung der Corona-Lage in der Lehre.
Autorin: Bettina Dunker