Forschende der MHH verglichen sechs Verfahren zur Diagnose der minimalen Hepatischen Enzephalopathie miteinander
Eine Leberzirrhose zieht als Folgeerkrankung häufig eine sogenannte Hepatische Enzephalopathie (HE) nach sich. Dabei handelt es sich um eine Funktionsstörung des zentralen Nervensystems mit unterschiedlichen Schweregraden. Fachleute unterscheiden die minimale Hepatische Enzephalopathie (mHE) von der klinisch manifesten Hepatischen Enzephalopathie, die mit Persönlichkeitsveränderungen, Desorientiertheit und Bewusstseinsstörungen bis hin zum Koma einhergeht. Die mHE ist durch Einschränkungen der geistigen Leistungsfähigkeit charakterisiert. Diese lassen sich bei einer körperlichen Untersuchung und auch im Gespräch noch nicht erkennen, können aber mit neuropsychologischen Testverfahren erfasst werden. Forschende der Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie, Infektiologie und Endokrinologie und der Klinik für Neurologie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) haben in einer Studie sechs der am häufigsten eingesetzten Tests zur Diagnose und Vorhersage des klinischen Verlaufs der mHE miteinander verglichen.
Keine Symptome, aber Einschränkungen
Etwa ein Drittel aller Patientinnen und Patienten mit Leberzirrhose entwickeln eine minimale Hepatische Enzephalopathie. „Obwohl sie keine klinischen Symptome zeigen, können Defizite bei der Aufmerksamkeit, Konzentration, Feinmotorik und Gedächtnisleistung auftreten. Die Betroffenen sind dadurch in ihrer Arbeitsfähigkeit, Fahrtüchtigkeit und insgesamt in ihrer Lebensqualität deutlich eingeschränkt“, erklärt Professor Dr. Benjamin Maasoumy von der Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie, Infektiologie und Endokrinologie. Menschen mit einer mHE haben ein erhöhtes Risiko, eine klinisch manifeste Hepatische Enzephalopathie zu entwickeln, wiederholt stationär ins Krankenhaus zu müssen und früher zu sterben. Wegen der fehlenden sichtbaren Symptome ist die mHE jedoch schwierig zu diagnostizieren. „Um den Patientinnen und Patienten mit einer angepassten Therapie helfen zu können, brauchen wir einen Test, der die mHE nicht nur sicher diagnostiziert, sondern auch Hinweise auf die mögliche Entwicklung der Erkrankung gibt“, sagt Alena Ehrenbauer, die die Studie als KlinStrucMed-Promotionsprojekt durchgeführt hat.
PHES-Test gilt als Goldstandard
Als Goldstandard für die Diagnostik einer mHE gilt der Portosystemic Hepatic encephalopathy Score (PHES), an dessen Entwicklung die MHH-Professorin Dr. Karin Weissenborn federführend beteiligt war. Der Test besteht aus fünf papierbasierten Einzeltests. „Er deckt ein breites Spektrum kognitiver Aspekte ab, ist einfach anzuwenden und sehr valide“, berichtet Alena Ehrenbauer. Ein Nachteil dieses Tests sei die verhältnismäßig lange Dauer – für die schnelle Anwendung in Hausarztpraxen sei er daher nicht gut geeignet. Alternativ eingesetzte Tests seien jedoch nicht so gut standardisiert.
In der Studie verglichen die Forschenden insgesamt sechs Tests miteinander. Neben dem PHES-Test gehörten folgende dazu:
- Animal Naming Test (ANT), bei dem in einer Minute möglichst viele Tiernamen genannt werden müssen,
- Critical Flicker Frequency (CFF) Test, der die Schwelle zur Wahrnehmung von Lichtreizen unterschiedlicher Frequenz als Flackerlicht erfasst,
- Inhibitory Control Test (ICT), ein Aufmerksamkeitstest, der die Fähigkeit zur Unterdrückung einer reflexartigen Reaktion zugunsten einer zielorientierten Reaktion misst,
- EncephalApp Stroop-Test, der die selektive Aufmerksamkeit untersucht,
- Continuous Reaction Time Test (CRT), ein einfacher akustischer Reaktionstest.
An der Studie nahmen insgesamt 132 Patientinnen und Patienten mit Leberzirrhose teil. Alle durchliefen die sechs Testverfahren. Danach beobachteten die Forschenden die Teilnehmenden ein Jahr lang und erfassten den weiteren Verlauf der Erkrankung. Dabei interessierte sie besonders, ob sich aus einer mHE eine klinisch manifeste HE entwickelte und ob es zu wiederholten Krankenhausaufenthalten oder zu Todesfällen kam.
Kein Testsieger – Standardwerte fehlen
Beim Vergleich der unterschiedlichen Testverfahren konnte das Studienteam die erwarteten grundsätzlichen Übereinstimmungen der Testergebnisse für die meisten der eingesetzten Tests zeigen. Wichtiger war ihnen aber, darauf hinzuweisen, dass fast allen Tests gut definierte Standardwerte zur Diagnose der mHE fehlen. „Standardwerte sind aber die Voraussetzung für eine valide Diagnose und damit auch für therapeutische Studien“, erklärt Professor Maasoumy. Weil zuverlässige Normwerte fehlten, seien ein Vergleich und eine endgültige Bewertung der Tests nicht möglich. „Bis jetzt scheint der PHES-Test, für den valide Normwerte vorliegen, der genaueste zu sein. Dagegen war der CFF in unserer Untersuchung kein zuverlässiges Instrument zur Darstellung der Erkrankung“, stellt Alena Ehrenbauer fest.
Viele Fälle von mHE
„Unabhängig davon, welches Diagnoseverfahren wir anschauen, bestätigt unsere Untersuchung, dass Menschen mit Leberzirrhose zu einem sehr großen Teil an mHE erkrankt sind. Deshalb ist es besonders wichtig, valide Testverfahren zu haben“, betont Professor Maasoumy.
Die Studie konnte in dem hochrangigen Journal „Hepatology“ veröffentlicht werden – ein schönes Ergebnis auch für das KlinStrucMed-Promotionsprogramm, da dies zeigt, dass das Programm einen Rahmen schafft, der hochrangige klinische Forschung für Promovierende der Medizin ermöglicht. Die Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie, Infektiologie und Endokrinologie wird das Thema gemeinsam mit der Klinik für Neurologie auch in Zukunft verfolgen: Julius Egge, Mitautor der Studie, wird sich im Rahmen des Studienprogramms KlinStrucMed weiter mit den Tests und der Hepatischen Enzephalopathie beschäftigen.
Die Originalarbeit finden Sie hier.
Autor: Tina Götting