Forschungsteam findet molekularen Schalter für tertiäre Lymphstrukturen.
Stand: 04. Oktober 2022
Entzündungen sind wichtige Abwehrreaktionen des Körpers. Sie können sich gegen Krankheitserreger richten aber auch gegen Verletzungen oder Fremdkörper. Akute Entzündungen haben die Aufgabe, den schädigenden Reiz zu entfernen und Gewebe zu reparieren. Gelingt das nicht, kann die Entzündung chronisch werden. Zur Verstärkung seiner Abwehrarbeit bildet der Körper dann sogenannte tertiäre Lymphstrukturen (TLS). Sie sind in Aufbau und Zusammensetzung den regulären Lymphknoten sehr ähnlich. Anders als diese sind die TLS aber nicht über den ganzen Körper verteilt, sondern entstehen spontan innerhalb der Organe. Als kleine Immunzentren können sie dort die Heilung fördern oder bei Krebserkrankungen die Ausbreitung des Tumors verlangsamen. Oft verstärken die TLS aufgrund ihrer dauerhaften Entzündungsaktivität die Erkrankung jedoch – etwa bei chronischen Nierenerkrankungen, Autoimmunerkrankungen oder nach Organtransplantationen.
Warum und wie genau TLS entstehen, war bislang weitgehend unbekannt. Ein Team um Professor Dr. Florian Limbourg, Professor für Experimentelle Gefäßmedizin und Transplantationsforschung, hat jetzt einen wichtigen Schlüssel zum Verständnis der Immunzentren gefunden. Die Studie wurde in der renommierten Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht.
Endothel spielt entscheidende Rolle
„Wir haben beobachtet, dass die Immunzentren häufig um Arterien herum zu finden sind, und dass Blutgefäße in der Tat den Kristallisationspunkt für TLS darstellen“, sagt der Arzt und Forscher. Eine entscheidende Rolle spielt dabei das Endothel, die innerste Zellschicht der Blutgefäße. Dort befindet sich der molekulare Schalter. Er ist Teil des sogenannten Notch-Signalwegs, der die Bildung neuer Blutgefäße und ihre Umwandlung in Arterien beeinflusst. „Der Notch-Signalweg ist ein wichtiger Regulator für arterielle Endothelzellen“, sagt Dr. Tamar Kapanadze, Wissenschaftliche Mitarbeiterin der Arbeitsgruppe und Ko-Erstautorin der Studie.
Kein Einfluss auf die generelle Immunantwort
„Arterien durchziehen die Organe wie Finger und können Entzündungsprozesse wahrnehmen“, erklärt Professor Limbourg. Dadurch „verliert“ die Arterie ihre ursprüngliche Form und bildet sich zu einem entzündlichen Gefäß um. Diese molekulare Kaskade wird ebenfalls vom Notch-Signalweg gesteuert. Wird das Signal gestört, bilden sich TLS. Das konnten die Forschenden im Mausmodell nachweisen. Mit einer speziellen genetischen Manipulation sorgte der Notch-Signalweg nicht mehr für die Bildung arterieller Strukturen, sondern förderte die Entstehung von Immunzentren in Niere, Leber und Lunge – und zwar ohne dass eine chronische Entzündung vorlag. „Interessanterweise hatten die Störung des arteriellen Endothels und die Bildung der TLS keinen Einfluss auf die generelle Immunantwort“, betont der Wissenschaftler. „Die primären und sekundären Lymphorgane wie Knochenmark, Thymus, Lymphknoten und Milz funktionierten ganz normal weiter.“ Noch sind nicht alle Fragen um die Steuerung der TLS-Entstehung geklärt. Ihre weitere Erforschung könnte nach Ansicht von Professor Limbourg in Zukunft zu neuartigen Immuntherapien führen, aber auch das allgemeine Verständnis der Entstehung von Gefäßentzündung verändern.
Autorin: Kirsten Pötzke