OnkoRiskNet hilft Familien mit genetischem Krebsrisiko, ReHaTOP unterstützt Arbeitssuchende mit psychischen Belastungen
Doppelter Erfolg für die Medizinische Hochschule Hannover (MHH): Bei der gestrigen Verleihung des 13. Niedersächsischen Gesundheitspreises gewann sie zwei von drei Preise. In der Kategorie „Chronisch krank und gut versorgt“ überzeugte sie mit dem Kooperationsprojekt ReHaTOP. In der Kategorie „eHealth – Neue Chancen im Gesundheitswesen“ beeindruckte sie mit dem Kooperationsnetzwerk OnkoriskNET. Der Niedersächsische Gesundheitspreis ist mit insgesamt 15.000 Euro dotiert und wird jedes Jahr für innovative Beiträge zur Prävention, Gesundheitsförderung und -versorgung vergeben. Er steht unter der Schirmherrschaft von Dr. Andreas Philippi, Niedersächsischer Minister für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Gleichstellung.
ReHaTOP: Neue Perspektiven für Arbeitslose
Viele Arbeitslose sind von psychischen Erkrankungen betroffen, die sie unter anderem daran hindern, in der Arbeitswelt Fuß zu fassen. Für diese Menschen gibt es das Projekt ReHaTOP. Dabei arbeiten drei Partner sektorenübergreifend zusammen: Das Jobcenter Region Hannover, die MHH-Klinik für Psychiatrie, Sozialpsychiatrie und Psychotherapie und das Bildungswerk der Niedersächsischen Wirtschaft (BNW). Das Ziel des zwölfmonatigen Programms ist es, die Lebenssituation von Arbeitssuchenden mit psychischen Belastungen zu verbessern. Perspektivisch sollen sie ein Leben ohne Sozialleistungen führen können und wieder ihren Platz in der Arbeitswelt finden.
Das Projekt vereint verschiedene Unterstützungsangebote unter einem Dach. Das Besondere ist, dass Psychologinnen und Psychologen sowie eine Ärztin der MHH direkt mit im Schulungsgebäude sitzen. Das ermöglicht den Teilnehmenden eine individuelle medizinisch-psychologische Fachdiagnostik, therapeutische Angebote und bei Bedarf auch Krisengespräche. „Mit unserer Begleitung können Gesundheit, Lebenszufriedenheit und soziale Teilhabe verbessert und die Erwerbsfähigkeit langfristig gefördert oder sogar wiederhergestellt werden“, erklärt Professor Dr. Kai Kahl, Leitender Oberarzt der Klinik für Psychiatrie, Sozialpsychiatrie und Psychotherapie.
Parallel zur psychologischen Begleitung können die Teilnehmenden sich aus fast 100 Modulen ein persönliches Programm erstellen. Die Module beinhalten gesundheitliche und kreative Themen sowie gemeinsame Aktivitäten mit anderen Teilnehmenden. Sozialpädagogen und Fachanleiter vom BNW und Fallmanager vom Jobcenter unterstützen die Teilnehmenden während der gesamten Zeit. Zusätzlich beforscht das MHH-Team den Reintegrationsprozess psychisch erkrankter Erwerbsloser umfassend.
„Wir freuen uns sehr über die Anerkennung für unser Kooperationsprojekt und hoffen, dass sich unsere Projektidee, erwerbslose psychisch erkrankte Menschen niedrigschwellig und intersektional begleiten zu dürfen, auch überregional durchsetzt“, sagt Dr. Ivo Heitland, Psychologischer Psychotherapeut und Leiter des ärztlich-psychologischen Teams.
OnkoriskNET: Wohnortnahe Versorgung und telemedizinische Beratung
Wenn der Verdacht auf ein erbliches Krebsrisiko besteht, ist eine frühzeitige Abklärung für Betroffene wichtig. In Deutschland fehlt jedoch vor allem im ländlichen Raum ein flächendeckender Zugang zur humangenetischen Versorgung. Diesem Problem hat sich das Innovationsfonds-Projekt „OnkoRiskNET“ unter der Leitung eines Teams des MHH-Instituts für Humangenetik angenommen und ein Kooperationsnetzwerk aufgebaut. Es dient der wohnortnahen Versorgung von Betroffenen mit einem genetischen Tumorrisiko in Niedersachsen und Sachsen.
„In Deutschland erkranken etwa eine halbe Million Menschen im Jahr an Krebs. Mindestens jeder Zehnte trägt eine Veränderung in seinem Erbgut, die ein erhöhtes Krebsrisiko mit sich bringt und zur Tumorentstehung führen kann“, sagt Professorin Dr. Anke Bergmann, Fachärztin für Humangenetik und Projektleitung OnkoRiskNET. „Mit dem Projekt möchten wir den Zugang zu genetischer Beratung, Diagnostik und risikoadaptierter Prävention bei genetischen Tumorrisikosyndromen in strukturschwachen Regionen sichern.“ Professorin Dr. Brigitte Schlegelberger, bis Mai 2023 Direktorin des Instituts für Humangenetik, ergänzt: „Wir sehen, dass Krebspatientinnen und -patienten in dieser Belastungssituation den weiten Weg in ein Institut für Humangenetik häufig nicht finden. Deshalb war uns klar, dass hier eine ganz bedeutende Versorgungslücke existiert.“
OnkoRiskNET erarbeitete strukturierte Behandlungspfade. Im Netzwerk mit niedergelassenen Onkologinnen und Onkologen bietet es nun Unterstützung bei der Indikationsstellung und Befundinterpretation und ermöglicht Betroffenen Zugang zu telemedizinischer genetischer Beratung. „Wir wollen die Betroffenen und ihre Familien dort erreichen, wo sie sind und verhindern, dass sie durch das System rutschen und erst auffallen, wenn sie an Krebs erkrankt sind. Dass dies jetzt funktioniert, ist unser größter Erfolg“, sagt Dr. Johanna Tecklenburg. Die ehemalige Mitarbeiterin am Institut für Humangenetik ist Mit-Initiatorin von OnkoriskNET. „Nun diesen Preis für das Projekt zu bekommen, ist großartig“.
Mit 15.000 Euro dotierter Preis
Neben der MHH sind das Institut für Klinische Genetik an der Medizinischen Fakultät Carl Gustav Carus Dresden, das Institut für Journalistik und Kommunikationsforschung an der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover, das inav - Privates Institut für angewandte Versorgungsforschung GmbH, die AOK Niedersachsen sowie die Patientenorganisation BRCA-Netzwerk e.V. an OnkoriskNET beteiligt.
Der mit insgesamt 15.000 Euro dotierte Preis wird gemeinsam vom Niedersächsischen Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung, vom Niedersächsischen Ministerium für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung, von der AOK Niedersachsen, der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen und der Apothekerkammer Niedersachsen vergeben. Koordiniert wird der Preis von der Landesvereinigung für Gesundheit und Akademie für Sozialmedizin Niedersachsen.
Text: Tina Götting