Forschung
Post-translationale Modifikationen
Nach ihrer Translation (Biosynthese) erfahren Proteine an ihrem Entstehungsort und in ihren Zielorganen- und Organellen verschiedene enzymatische und nichtenzymatische, reversible und nichtreversible Veränderungen. Diese sog. Post-translationale Modifikationen (PTM) sind zahlreich und betreffen praktisch alle proteinogenen Aminosäuren. Die Funktionen von einigen wenigen post-translational modifizierten Proteinen (z.B. in den Histonen) sind lange bekannt, gut untersucht und verstanden. Als Beispiele seien die Phosphorylierung und die Glycosylierung in der Signaltransduktion und Enzymaktivität genannt. Die Funktionen einer Vielzahl von post-translational modifizierten Proteinen sind dagegen unzureichend untersucht und kaum verstanden. Dies liegt zu einem großen Teil daran, dass die Zahl der Proteine astronomisch hoch ist und ihre Erforschung die Anwendung hochspezieller instrumenteller analytischer Techniken gepaart mit entsprechenden hochleistungsfähigen Computer-gestützten Software erfordert. Diese Aufgabe wird mithilfe der Proteomics, einer Massenspektrometrie-basierten Technik, zunehmend erfolgreicher und zufriedenstellender bewerkstelligt. Da Proteine aus Aminosäuren bestehen, können unveränderte Aminosäuren und ihre Modifikationen sehr viel leichter und kostengünstiger mithilfe der Gaschromatographie-Massenspektrometrie (GC-MS) mit sehr hoher Akkuratheit und Präzision bestimmt werden. Niedermolekulare Substanzen, die sog. Biomarker, werden im Rahmen der regulären Proteolyse freigesetzt und sie können in biologischen Proben (Blut, Urin, Speichel, Gewebe) von gesunden und erkrankten Personen gemessen werden. Die Freisetzung von modifizierten Aminosäuren aus post-translational modifizierten Proteinen erfolgt chemisch (6 M HCl, 110°C, 20 h). Von Interesse ist, ob modifizierte Proteine und aus ihnen freigesetzten Aminosäuren biologische Aktivitäten besitzen. Die Messung von niedermolekularen und hochmolekularen PTM-Biomarkern erlaubt ein besseres Verständnis der Entstehung und Progression von Krankheiten und kann darüber hinaus zur effektiven Therapie-Strategien beitragen.
In unserer Arbeitsgruppe untersuchen wir in Kooperation mit nationalen und internationalen Forschergruppen folgende PTM: die N-Methylierung von L-Arginin und L-Lysin, die Citrullinierung von L-Arginin, die Glykierung von L-Arginin, L-Lysin und L-Cystein, die Hydroxylierung von Lysin und Prolin, sowie die Hypusinierung von Lysin. Letztere tritt nur im eukariotischen Translationsfaktor (eIF5A) auf, ist enzymatisch und streng Spermidin-abhängig. Native und modifizierte Aminosäuren werden mit geeigneten chemischen Reaktionen (Veresterung, Acylierung) für die GC-MS-Analyse derivatisiert. Der Fokus unserer experimentellen, klinischen und klinisch-pharmakologischen Untersuchungen bei Erwachsenen und Kindern/Jugendlichen ist die Rolle von PTM bei renalen, kardiovaskulären und rheumatischen Erkrankungen sowie bei Diabetes. Wir untersuchen auch den Effekt von Sport und Ernährung auf mögliche Veränderungen der PTM. Von aktuellem Interesse ist, ob mögliche gesundheitlichen Folgen von Long-COVID ihren Ursprung in PTM haben.