Alkohol und Krebs: Wie viel ist zu viel?

Experteninterview mit Professor Dr. Heiner Wedemeyer anlässlich der Nationalen Krebspräventionswoche vom 12. bis zum 16. September 2022

Im Interview: Professor Dr. Heiner Wedemeyer, Direktor der Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Endokrinologie an der Medizinische Hochschule Hannover (MHH). Foto: Karin Kaiser/ MHH

Stand: 30.08.2022

Alkohol zählt zu den wichtigsten Risikofaktoren bei Krebs. Daher gilt: Weniger ist immer besser! Aber wie viel ist zu viel? Hat Rotwein tatsächlich eine gesundheitsfördernde Wirkung? Und was passiert im Körper, wenn ich zu viel Alkohol trinke? Diese Fragen beantwortet uns Herr Professor Dr. Heiner Wedemeyer, Direktor der Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Endokrinologie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH).
 

Alkohol ist schädlich, wenn er in ungesunden Mengen zu sich geführt wird. Aber was ist zu viel?

Ein Standardgetränk pro Tag, zum Beispiel ein Glas Wein (etwa 125 ml) oder Bier (etwa 300 ml) ist in Ordnung, es sollte aber nicht mehr sein als eins. Und das ist das Maß, wo sich die meisten Menschen nicht mit schaden, wenn sie keine anderen Erkrankungen haben. Ich sage immer zu meinen Patientinnen und Patienten, dass sie eines nicht tun sollten: Größere Mengen trinken, also mehr als zwei Drinks pro Tag, und ganz viel auf einmal, also die großen „Besäufnisse“.

Vor allem Rotwein wird immer wieder eine positive und gesundheitsfördernde Wirkung zugeschrieben. Was ist da dran?

Es gibt biologische Wirkungen bei den Inhaltsstoffen von Rotwein, die positive Effekte haben. Das ist experimentell gezeigt worden. Ein kleines Glas Rotwein am Tag bei einem gesunden Menschen ist nicht schädlich, aber das heißt nicht, dass Teile dieses positiven Effektes nicht vielleicht auch auf andere Gründe zurückzuführen sind, wie zum Beispiel die Ernährung. Studien zeigen beispielsweise, dass Menschen, die Rotwein trinken, sich tendenziell anders ernähren als Menschen, die überwiegend Bier trinken. Rotwein wird zudem vergleichsweise eher in Maßen getrunken.

Wie führt Alkoholkonsum zu Krebs?

Zum einen kann es bei einem zu hohem Alkoholkonsum zu Fetteinlagerungen kommen. In der Medizin sprechen wir auch von einem metabolischen Syndrom. Das metabolische Syndrom entwickelt sich durch eine hyperkalorische Ernährung und einem Mangel an körperlicher Bewegung. Ein offensichtliches Beispiel, dass wahrscheinlich jeder kennt, ist der Bierbauch. Diese Fetteinlagerungen können zu latenten chronischen Entzündungen führen, die letztlich im ganzen Körper vorhanden sind. Chronische Entzündungen können an allen Organen über Botenstoffe oder Entzündungsmediatoren ein Faktor sein, der zur Krebsentstehung beiträgt.

Darüber hinaus kann Alkohol in allen Organen zu Vernarbungsprozessen führen. Beispiel ist hier die Leberzirrhose – ein Ausdruck dafür, dass ganz viel Narbengewebe in der Leber ist. Das gleiche gilt aber auch für die Bauchspeicheldrüse, Lunge oder das Herz… Im Rahmen dieser Vernarbungsprozesse versucht der Körper zu regenerieren und es entstehen neue Zellen. Im Zuge der überschießenden Regeneration kann es dann auch zu Krebs kommen. Das ist sozusagen ein zweiter Mechanismus, der unabhängig von der eigentlichen Entzündung abläuft.

Zudem kann Alkohol in höheren Dosen Zellschäden verursachen. Das heißt, Zellen gehen kaputt, weil der Alkohol beziehungsweise die Alkoholabbauprodukte in der Zelle zu stark und toxisch sind. Dadurch wird zum Beispiel die Energieversorgung in der Zelle beeinträchtigt. Weiterhin können aber auch schützende Signalwege beeinträchtigt werden, deren Aufgabe es ist, die Zelle vor Krebs zu bewahren.

Was außerdem nicht zu unterschätzen ist: Alkohol verändert das Mikrobiom, also die Gesamtheit aller Mikroorganismen im Darm. Menschen, die viel Alkohol trinken, haben ein anderes Mikrobiom im Stuhl, als Menschen, die wenig oder gar kein Alkohol trinken. Das heißt im Umkehrschluss, das Mikrobiom lässt sich durch die Ernährung beeinflussen. Wir wissen über diverse Regelkreisläufe, dass das Darmmikrobiom auch bei der Krebsentstehung eine große Rolle spielt. Diese Regelkreisläufe werden durch Alkohol beeinflusst, zumeist auf Grund der Veränderung des Darmmikrobioms, und können zur Krebsentstehung beitragen.

Kann ich mit einem gesunden Lebensstil, zum Beispiel über gesunde Ernährung und Sport, meinen Alkoholkonsum ausgleichen?

Am Ende hängt alles miteinander zusammen. Mit Sport und „gesunder“ Ernährung, und damit meine ich eine ausgewogene Ernährung, kann ich an vielen Schrauben drehen und natürlich auch meiner Gesundheit etwas Gutes tun. Das wirkt sich auch positiv auf die eben genannten Punkte wie das Risiko für chronische Entzündungen, metabolische Erkrankungen oder das Darmmikrobiom aus, die durch erhöhten Alkoholkonsum negativ beeinflusst werden. Grundsätzlich gilt: Bei Alkohol sollte nicht übertrieben werden. Wenn Alkohol, dann in Maßen.

 

Das Interview führte Maike Isfort, CCC Hannover (Claudia von Schilling-Zentrum) der MHH

Hinweis: Alkohol kann abhängig machen und erfordert einen verantwortungsvollen Umgang. Informationen und Tipps rund um gesundheitsbewussten Alkoholkonsum finden Sie auf der Informationsseite der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung.