Gesellschaft der Freunde der MHH e.V. zeichnet zwei herausragende Doktorarbeiten aus.
Die Medizinische Hochschule Hannover (MHH) steht für Vielfalt und das zeigt sich angesichts von Studierenden aus 82 Nationen auch bei der Promotionsfeier. Diese internationale Vielfalt betonte MHH-Präsident Prof. Dr. Michael Manns, als er am vergangenen Freitag 139 Promotionsurkunden an 86 Doktorandinnen und 53 Doktoranden überreichte. Darunter sind 54 Medizinerinnen und 37 Mediziner, acht Zahnmedizinerinnen und vier Zahnmediziner, 15 Naturwissenschaftlerinnen und 10 Naturwissenschaftler, vier Humanbiologinnen und ein Humanbiologe sowie fünf Doktorandinnen und ein Doktorand der Bevölkerungsmedizin (Public Health).
Der MHH-Präsident überreichte die Promotionsurkunden während einer Feierstunde in der Hochschule wieder persönlich an die Promovenden. Insgesamt 20 von ihnen haben „mit Auszeichnung“ abgeschlossen; zwei erhielten die mit je 2.500 Euro dotierten Promotionspreise der Gesellschaft der Freunde der MHH e.V. Die beiden Preise für herausragende Doktorarbeiten überreichte Prof. Dr. Siegfried Piepenbrock, Vorstand der Gesellschaft der Freunde der MHH e.V. an: Dr. rer. nat. Ilona Rosenboom, MHH-Klinik für Pädiatrische Pneumologie, Neonatologie und Allergologie, und Dr. PH Batoul Safieddine, MHH-Institut für Medizinische Soziologie sind die Promotionspreisträgerinnen.
Software zur Erkennung von Mikroorganismen
Dr. rer. nat. Ilona Rosenboom verwendete in ihrer Doktorarbeit mit dem Titel „Airway Microbial Metagenomics“ eine Hochdurchsatzsequenzierung genomischer DNA zur detaillierten Analyse des Lungenmikrobioms, der Lebensgemeinschaft von angesiedelten Mikroorganismen in der Lunge. In Zusammenarbeit mit Bioinformatikerinnen und Bioinformatikern der Research Core Unit Genomics an der MHH entwickelte die Biochemikerin in der Klinik für Pädiatrische Pneumologie, Neonatologie und Allergologie die „Wochenende“-Pipeline: ein umfangreiches Softwarepaket zur quantitativen Erkennung von Viren, Bakterien und Pilzen auf Speziesebene.
Diese Pipeline wurde für mehrere klinische Fragenstellungen genutzt. Ein Teilprojekt der Dissertation untersuchte die Entwicklung des Atemwegsmikrobioms von Frühgeborenen. Die Analyse zeigte, dass medizinische Interventionen wie Antibiotikagabe und Beatmung die Zusammensetzung der Mikroben bei Frühgeborenen negativ beeinflussen. Frühgeborene wiesen auch nach fast zwei Jahren im Vergleich zu gesunden gleichaltrigen Kindern eine unausgereifte Mikrobiom-Zusammensetzung auf.
In einem anderen Teilprojekt über das Lungenmikrobiom von Patientinnen und Patienten mit Bronchiektasen konnte die Doktorandin zeigen, dass mit zunehmender Krankheitsschwere schädliche Pathogene die natürliche Bakteriengemeinschaft verdrängen. Klinisch wichtig war der Befund, dass auch ein scheinbar normales Lungenmikrobiom mit einem schweren Krankheitsverlauf assoziiert sein kann.
Dabei leistete Dr. Rosenboom Pionierarbeit, indem sie bei einem erstmaligen Vergleich mit einer großen Kontrollkohorte aus gesunden Freiwilligen eine Verarmung des Mikrobioms an Gesundheits-assoziierten Bakterienspezies bei Patienten mit Bronchiektasen identifizierte. Diese Entdeckung könnte für die Verlaufs- und Therapiekontrolle von besonderer Bedeutung sein. Aus der Dissertation gingen fünf Originalpublikationen in anerkannten Fachzeitschriften hervor, wobei Dr. Rosenboom bei vier Arbeiten Erstautorin war. Ihr Doktorvater ist Prof. Dr. Burkhard Tümmler.
Morbiditätsexpansion bei Typ-2-Diabetes
Dr. PH Batoul Safieddine hat an der MHH den Masterstudiengang Public Health absolviert und im MHH-Institut Medizinische Soziologie promoviert, wo sie wissenschaftliche Mitarbeiterin im Forschungsschwerpunkt „Morbiditätskompression und ihre Alternativen“ ist.
In ihrer Doktorarbeit mit dem Titel „Morbiditätsentwicklung bei Typ 2 Diabetes in unterschiedlichen Populationssubgruppen: Die Rolle von Komorbiditäten, Medikation und sozioökonomischem Status“ untersuchte Dr. Safieddine die Entwicklung der Morbidität bei Personen mit Typ-2-Diabetes (T2D) in Deutschland anhand von anonymisierten Daten der AOK Niedersachsen. Die Analysen wurden nach verschiedenen sozialen Merkmalen geordnet, um vulnerable Populationssubgruppen umfassend zu erfassen. Die Ergebnisse zeigen, dass Personen mit T2D zwar länger leben, jedoch häufiger an Begleiterkrankungen leiden – ein Phänomen, das als „Morbiditätsexpansion“ bezeichnet wird. Während schwere Gesundheitsereignisse wie Herzinfarkte seltener auftreten, nehmen belastende chronische Erkrankungen wie Nervenschäden und Nierenerkrankungen zu und zwar in allen untersuchten sozioökonomischen Gruppen.
Die Analysen zeigten außerdem, dass die medikamentöse Behandlung im Laufe der Zeit intensiviert wurde, was gegen Defizite in der medizinischen Versorgung als Ursache der Morbiditätsexpansion spricht und den Fokus auf eine mögliche Verschlechterung der Lebensweise als Erklärungsfaktor lenkt, insbesondere in Bezug auf körperliche Aktivität und Ernährung. Damit unterstreichen die Ergebnisse dieser Doktorarbeit die Bedeutung präventiver Ansätze zur Förderung einer gesunden Lebensweise, um die Lebensqualität von Personen mit T2D nachhaltig zu verbessern und dieser besorgniserregenden Entwicklung der Morbidität entgegenzuwirken. Ihr Doktorvater ist Prof. Dr. Siegfried Geyer.
Text: Bettina Dunker