Forschung

Den Plaques in der Blutbahn auf der Spur

MHH-Neurologin untersucht, wie sich mit Lipid-Messungen im Blut das Risiko eines drohenden Schlaganfalls genauer vorhersagen lässt.

Symbolische Darstellung des Gehirns in einem menschlichen Kopf.

Bei einem Schlaganfall wird das Gehirn nicht mehr ausreichend durchblutet und mit Sauerstoff versorgt. Etwa 15 Prozent dieser ischämischen Schlaganfälle entstehen durch Verengungen der Halsschlagadern. Häufigste Ursache für eine solche Verengung (Stenose) ist eine Arteriosklerose, umgangssprachlich auch Arterienverkalkung genannt. Dabei lagern sich Cholesterin, Fettsäuren sowie andere Bestandteile aus dem Blut in der Gefäßwand ein und bilden sogenannte Plaques. Dadurch verlieren die Arterien an Elastizität, verengen sich und verringern den Blutfluss. Zusätzlich besteht die Möglichkeit, dass die Plaques instabil sind, sich also einzelne Bestandteile ablösen und im Gehirn zu Verschlüssen kleinerer Blutgefäße führen. Es gibt auch Menschen mit asymptomatischen Stenosen, die zwar Plaques in ihrer Halsschlagader haben, aber klinisch unauffällig bleiben. Mit einer sogenannten Thrombendarteriektomie lassen sich die Plaques chirurgisch entfernen. Auch Stents – Gefäßstützen aus Metall oder Kunstfasern – können von innen über die Plaques gesetzt werden und die Halsschlagadern offenhalten. Bislang richtet sich die Entscheidung, ob eine asymptomatische Stenose operiert wird oder nicht, überwiegend nach dem Grad der Einengung.

Gerade bei Plaques, die den Durchmesser des Gefäßes nicht erheblich reduzieren, lässt sich nicht eindeutig vorhersagen, ob diese instabil sind, es also aller Wahrscheinlichkeit nach zu einer Ablösung von Plaquebestandteilen kommt. Dr. Ramona Schuppner, Fachärztin an der Klinik für Neurologie mit Klinischer Neurophysiologie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) und ärztliche Leiterin der Stroke Unit und des neurovaskulären Ultraschalllabors, will nun aber herausfinden, welche Stenosen unauffällig bleiben und welche ein erhöhtes Risiko für einen nachfolgenden Schlaganfall aufweisen. Mit diesem Wissen wäre es möglich, entsprechende Therapien frühzeitig einzuleiten. Dafür richtet die Neurologin ihren Blick auf den Fettstoffwechsel. Denn Fette, auch Lipide genannt, spielen eine entscheidende Rolle bei der Entstehung einer Arteriosklerose. In ihrem neuesten Forschungsprojekt untersucht sie, wie die Blutfette Lipoprotein (a) – kurz Lp(a) – und oxidierte Phospholipide zur Plaquebildung in den Halsschlagadern beitragen und wie sie beeinflussen, ob Betroffene tatsächlich einen Schlaganfall erleiden werden.

Hohe Lp(a)-Werte erhöhen die Gefahr deutlich

Lp(a) ist dem Low Density Lipoprotein (LDL) ähnlich, umgangssprachlich auch als „schlechtes“ Cholesterin bekannt. Die Höhe des Lp(a)-Wertes im Blut ist genetisch festgelegt. Anders als bei zu hohen LDL-Werten gibt es gegen zu hohe Lp(a)-Werte derzeit noch kein zugelassenes Medikament. Wissenschaftliche Studien haben gezeigt, dass eine erhöhte Lp(a)-Konzentration im Blutserum das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und ischämische Schlaganfälle deutlich erhöht, selbst bei gleichzeitig sehr niedrigen LDL-Cholesterin-Werten. In der Vergangenheit konnte bereits eine Verbindung zwischen Lp(a) und Plaques in der Hauptschlagader gefunden werden. Zudem ist Lp(a) das Lipoprotein mit dem höchsten Anteil an oxidierten Phospholipiden, weshalb Forschende vermuten, dass diese für einen hohen Anteil des Risikos verantwortlich sind. „Bei Patientinnen und Patienten mit erhöhten Lp(a)-Werten wurden bildgebend bereits Hinweise auf eine Instabilität mit einer dünnen und brüchigen Oberfläche festgestellt“, sagt Dr. Schuppner. „Diese Plaques reißen schneller auf und erhöhen so das Risiko für einen Schlaganfall.“

Zusammensetzung der Plaques bedeutend für das Schlaganfallrisiko

In dem Projekt untersucht Dr. Schuppner in Kooperation mit Privatdozent Dr. Gerrit Große, Neurologe am Universitätsspital Basel (Schweiz), daher, inwiefern Lp(a) und Phospholipide das Auftreten eines Stenose-bedingten Schlaganfalls beeinflussen. Darüber hinaus will die Neurologin Wechselwirkungen mit Bestandteilen des Immunsystems analysieren. „Im Fall eines Unterschiedes zwischen symptomatischen und asymptomatischen Plaques hätte dies unter Umständen für künftige Therapieentscheidungen eine wesentliche Bedeutung“, vermutet die Schlaganfall-Expertin. Ließen sich Rückschlüsse von Blutwerten auf die Zusammensetzung der Plaques ableiten, wäre gegebenenfalls eine individualisierte Therapieempfehlung möglich, die sowohl den Grad der Einengung als auch die Zusammensetzung der Plaques berücksichtigt.

Das Projekt ist eine Kooperation mit den MHH-Instituten für Pathologie, Transplantationsimmunologie und Klinische Chemie, der MHH-Klinik für Herz-, Thorax- Transplantations- und Gefäßchirurgie sowie mit der Forschungsgruppe Biochemistry and infectious diseases der Tierärztlichen Hochschule Hannover. Die Willi Zimmermann-Stiftung unterstützt das Vorhaben im Rahmen des D-A-CH Förderpreises Lipidologie mit 10.000 Euro.

Text: Kirsten Pötzke