Aus der MHH

Mit medizinischem Informatikmanagement die MHH fit für die Zukunft machen

Professorin Dr. Johanna Apfel-Starke berät als Chief Scientific Information Officer das MHH-Präsidium zu strategischen IT-Themen in Forschung und Lehre.

Professorin Dr. Johanna Apfel-Starke steht im Rechenzentrum der MHH und hält einen Laptop in den Händen.

Professorin Dr. Johanna Apfel-Starke ist an der MHH die Schnittstelle zwischen Forschung, IT und Präsidium. Copyright: Karin Kaiser / MHH

Die Digitalisierung in der medizinischen Forschung schreitet unaufhaltsam voran. Die Flut an Daten strukturiert zu erheben, zu ordnen, zu speichern, nachprüfbar zu veröffentlichen und wiederverwenden zu können, gelingt mit Hilfe eines intelligenten Forschungsdatenmanagements. In der MHH gilt das umso mehr, da hier der translationale Ansatz „from bench to bedsite – and back“ – also klinisch relevante Forschungsergebnisse in die Krankenversorgung zu bringen und Fragen aus der Krankenversorgung an die Forschung heranzutragen – ein wesentlicher Bestandteil in Forschung, Lehre und Krankenversorgung ist. Um den vielfältigen Anforderungen für den Umgang mit Daten gerecht zu werden, diese zu bündeln, Synergien zu finden und als MHH für die Zukunft gut aufgestellt zu sein, wurde vor einem halben Jahr die Stabstelle „IT Forschung und Lehre“ eingerichtet. An deren Spitze steht Professorin Dr. Johanna Apfel-Starke. Ihre Aufgabe als Chief Scientific Information Officer (CSIO) beschreibt sie so: „Ich bin sozusagen die Schnittstelle zwischen Forschung, IT und Präsidium.“

Als CSIO berät Professorin Apfel-Starke das Präsidium zu strategischen IT-Themen in Forschung und Lehre und sorgt dafür, dass sich Forschung und IT sinnvoll vernetzen. Dabei kommt ihr der eigene berufliche Werdegang zugute. „Als studierte Biochemikerin kenne ich die Arbeit und die Sichtweise der Forschenden, durch meinen zusätzlichen Master im Studiengang Medizinisches Informationsmanagement bin ich nah an der IT“, erklärt sie. Seit 2018 begleitet sie regelmäßig Lehrveranstaltungen, Praktika und Abschlussarbeiten an der Hochschule Hannover, wo sie Mitte Dezember 2023 als Professorin für Medizinische Informatikstudien berufen wurde. So kann sie einerseits Forschung, IT und Lehre verbinden und in die medizinische Ausbildung transferieren und andererseits die aktuellen Themen der Medizininformatik in die MHH zurückspiegeln.

IT wird an der MHH gleich mitgedacht

„IT ist zum Glück kein Randthema mehr, sondern wird in der MHH immer gleich mitgedacht“, sagt Professorin Apfel-Starke. Um Forschungsergebnisse schneller zu erhalten, hat die MHH beispielsweise ihren High Performance Computer Cluster (HPC) ausgebaut. Ein HPC ist ein leistungsstarkes Computersystem, das komplexe Berechnungen mit hoher Geschwindigkeit durchführt, indem es viele Server gleichzeitig nutzt. „Dieser Cluster steht allen Forschenden der MHH zur Verfügung und wird kontinuierlich verwaltet und weiterentwickelt“, betont die CSIO. Dass wissenschaftliches Hochleistungsrechnen immer wichtiger ist, zeigt sich auch anhand der vielen Forschungsgruppen, die auch hochschulübergreifend auf die Ressourcen zugreifen wollen. „Diese Anforderungen müssen mitgedacht werden, ohne den Rahmen der IT-Sicherheit zu verlassen. Deshalb ist der HPC eine zentrale Ressource, die in das MHH IT Ökosystem eingebunden ist.“

Einheitlicher Code ist wichtig für internationale Projekte

Eine wichtige Voraussetzung für eine solche reibungslose elektronische Kommunikation ist, dass die eingesetzten Systeme interoperabel sind, also sozusagen die gleiche Sprache sprechen. Dazu gehört eine abgestimmte Datencodierung, etwa mit der internationalen Nomenklatur SNOMED (Systematized Nomenclature of Human and Veterinary Medicine). Diese sorgt anders als der weltweit anerkannte Code für die internationale Klassifikation von Krankheiten (ICD) nicht nur für die einheitliche Benennung medizinischer Diagnosen, sondern bildet darüber hinaus auch medizinische Fachausdrücke ab und setzt sie zueinander in Beziehung. „In Spanien ist SNOMED längst Standard-Codierung in der medizinischen Forschung, Deutschland hinkt da leider etwas hinterher“, stellt Professorin Apfel-Starke fest. „Für die Mitwirkung in internationalen Projekten ist eine einheitliche Codierung in SNOMED immer wichtiger, weshalb wir hier aufholen müssen und die Fortschritte aus einzelnen Projekten zusammenführen sollten.“.

Auch die Daten aus der Patientenversorgung sollen in die Forschung einfließen. „Anders als Daten aus klinischen Studien bieten diese sogenannten Real World Data repräsentative und realitätsnahe Einblicke in die Gesundheitsversorgung“, erklärt Professorin Apfel-Starke. „Sie beziehen ihre Informationen aus vielfältigen Quellen wie medizinischen Registern, elektronischen Patientenakten, Abrechnungsdaten der Krankenkassen und in manchen Projekten auch aus mobilen Geräten der Patientinnen und Patienten.“ Für diese Daten aus dem Versorgungsalltag hat die Medizininformatik-Initiative des Bundesministeriums für Bildung und Forschung die „Forschungsdatenplattform Gesundheit“ geschaffen, in die auch Forschungsdaten der MHH einfließen. „Die MHH ist überdies eine von nur wenigen Universitätskliniken in Deutschland, die sich mit dem internationalen Datenmodell OHDSI OMOP auseinandergesetzt hat, das das Entwerfen und Ausführen von Analysen auf der Grundlage standardisierter empirischer Patientendaten erleichtert“, betont Professorin Apfel-Starke.

Faszinierende Vielfältigkeit

Mit ihren fachlichen Schwerpunkten Interoperabilität und Datenmanagement stellt Professorin Apfel-Starke die Anforderungen von Forschung und Lehre in den Kontext aktueller Entwicklungen in der IT – inklusive in den Bereichen Krankenversorgung, Verwaltung und internationale Projekte. Dabei reicht ihr Verantwortungsbereich von der Leitung des IT-Beirats Forschung und Lehre, der Fortschreibung einer Digitalstrategie Forschung und Lehre, weiter über klassisches Management, um die IT-Bedarfe dieser Bereiche an der MHH zu ermitteln und zu bewerteten, bis zur Arbeit in nationalen Gremien und der Vorbereitung von Projekten mit Auswirkungen auf die ganze MHH. „Das Faszinierende an meiner Arbeit ist die Vielfältigkeit“, schwärmt die CSIO. „Aufgrund der verschiedenen Fachbereiche und interdisziplinären Teams ist jedes Projekt neu und einzigartig und kommt mit unterschiedlichsten Anforderungen – sei es an Prozesse, Infrastruktur oder Methodik.“ Die Herausforderung bestehe darin, diese Anforderungen im Gesamtbild MHH zu sehen und bei jeder Innovation die aktuellen und zukünftigen Prozesse in der Krankenversorgung mitzudenken – eine Aufgabe, der sich Professorin Apfel-Starke gerne stellt.

Lange Tradition

Die Medizininformatik ist an der MHH schon lange ein wichtiges Thema. Seit 1974 gibt es das Peter L. Reichertz Institut für Medizinische Informatik (PLRI), ein gemeinsames Institut mit der Technischen Universität Braunschweig und eines der ersten in Deutschland. Benannt ist das Institut nach einem der Gründungsväter der Medizinischen Informatik, Peter L. Reichertz, der von 1969 bis 1987 an der MHH dazu lehrte. Das PLRI bearbeitet Themen der Medizininformatik in der MHH und ist als drittmittelstärkste nicht-klinische Einrichtung in allen großen aktuellen Förderlinien des Fachs stark beteiligt.

Text: Kirsten Pötzke